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Interview

Traumata solltest du nicht wie Jessica Jones bekämpfen

Marvel's Jessica Jones Traumata

Die Serie „Marvel's Jessica Jones“ ist nun mit der zweiten Staffel auf Netflix zu sehen. Bereits in den ersten 13 Folgen der Comicverfilmung kämpfte die Privatdetektivin nicht nur mit Bösewichten, sondern auch mit ihrer posttraumatischen Belastungsstörung. Dabei sind ihre Methoden durchaus fragwürdig. Die psychologische Psychotherapeutin Dr. Friederike Schriner erklärt, was Betroffene stattdessen tun sollten.

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Jessica Jones ist Privatdetektivin, die nach einem Unfall und medizinischen Experimenten zudem Superkräfte hat. Die toughe New Yorkerin bekommt Unterstützung von ihrer Adoptivschwester Trish und ihrem Nachbarn Malcolm. Alle drei Hauptfiguren meistern zwar den Alltag, kämpfen aber nach harten Zeiten mit Traumata.

Den Trailer zur Serie siehst du hier:

Von den Superkräften abgesehen, sind die Probleme der Figuren durchaus real und auch die Art, wie sie mit ihren Erfahrungen umgehen, wird vielen Betroffenen bekannt vorkommen: Alkohol, Sex und viel Sport. Wir haben die Psychotherapeutin Dr. Friederike Schriner gefragt, wie Patienten mit posttraumatischen Belastungen stattdessen umgehen sollten. Sie ist Expertin für Traumafolgestörungen und arbeitet als Therapeutin bei Vivelia – Psychotherapie und Coaching.

Dr. Friederike Schriner
Dr. Friederike Schriner arbeit als Therapeutin in Berlin mit Trauma-Patienten.

Jessicas Trauma: Missbrauchsbeziehung

In der Serie wird Jessica Jones in der ersten Staffel von Bösewicht Kilgrave durch Gedankenkontrolle dazu gezwungen, sich von ihm vergewaltigen zu lassen und für ihn schreckliche Verbrechen zu begehen. Seine Gedankenkontrolle ist ein Symbol für Missbrauchsbeziehungen, in welcher der unterdrückte Partner aus Angst gegen seine eigenen Überzeugung und Wünsche handelt.

Unterdrückung und Macht werden durch Demütigung, Beleidigung, Schuldzuweisung, Manipulation und körperliche Gewalt (auch als Gaslighting bekannt) ausgeübt. Jessica versucht die Erinnerungen an diese Erlebnisse mit One-Night-Stands und Alkohol zu verdrängen.

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Das sagt die Therapeutin:

„Im Alltag ist es wichtig, dass die Betroffenen nicht nach ‚Augen zu und durch‘ handeln, sondern gut auf sich achten. Dabei sind bereits Alltäglichkeiten, wie ausreichend Schlaf, Essen oder Ruhepausen bedeutsam. Missachtet man dies, ist man zusätzlich emotional verwundbar. Das führt dazu, dass sich die Symptomatik zunehmend verschlechtert. Gleichzeitig werden sie nicht verhindern können, dass sie mit Triggern in Kontakt kommen. Auch wenn es Angst macht, ist es möglich, den Umgang mit diesen lernen. Dabei ist wichtig, natürlich nicht über die eigenen Grenzen hinwegzugehen.“

Wenn man bereits in einem Flashback und der verbundenen Gefühlswelt gefangen ist, rät Frau Dr. Schriner: „Wieder ins Hier und Jetzt kommen. Dabei sind alle Mittel recht, die einem dabei helfen, wie zum Beispiel auf dem Boden zu trampeln oder sich abzuklopfen, den Körper aktiv zu spüren. Oder auch Schmuckstücke wie ein Ring, der einen aktiv daran erinnert, dass man im Hier und Jetzt ist und die damalige Situation vergangen ist. Vielen Betroffenen helfen dabei auch sogenannte Imaginationsübungen, bei denen man sich selbst eine innere, sichere Erlebniswelt schafft.“

Trishs Trauma: Ausgebeuteter Kinderstar

Trish Walker wurde von ihrer Mutter zu einer Karriere als Kinderstar gedrängt. Der Zuschauer erfährt nicht viel aus dieser Zeit, außer, dass ihre Mutter Trish als Teenager gewalttätig zum Übergeben nach dem Essen gezwungen hat. Außerdem musste sie als 15-Jährige mit einem Regisseur schlafen, um an eine Hauptrolle in einem Film zu kommen. Trish fühlt sich oft machtlos und von anderen ausgebeutet. Um dem zu entfliehen, belegt sie Selbstverteidigungskurse. Sie neigt anschließend immer mehr zu gewalttätigen Ausbrüchen.

Das sagt die Therapeutin:

„Es kommt darauf an, was der Beweggrund für einen Kurs in Selbstverteidigung ist. Wenn es darum geht, dass die Betroffene vor ihren eigenen Unsicherheiten flüchtet und sich kampfbereit machen möchte, dann hält dies die Problematik eher aufrecht. Es geht eher darum, anzuerkennen, dass das Erlebte eine Extremsituation war. Wenn Selbstverteidigung ihr dagegen die Möglichkeit gibt, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden und sie im Hier und Jetzt zu verankern, wäre es förderlich. Sie kann dadurch spüren, dass sie neue Fähigkeiten hat, die sie von ihrer alten Situation unterscheiden.“

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In Bezug auf die verlorene Kindheit sagt Frau Dr. Schriner: „Auch wenn es schmerzlich ist: Das Erlebte kann man nie ungeschehen machen. Wenn man diese Erkenntnis an sich heranlässt, entsteht unhaltbare Traurigkeit gemischt mit unbändiger Wut. Diesem Erleben Raum zu geben, ist ein ganz wichtiger innerer Prozess und einer der größten Herausforderungen. Aber ich kann allen Betroffenen Hoffnung machen, dass man dann in die wunderbare Situation kommt, dass man innerlich frei wird, sich auf eine erwachsene Art anzuschauen, welche Bedürfnisse man hat und wie man in seinem Leben erfüllen kann.“

Malcolms Trauma: Drogen-Abhängigkeit

Malcolm Ducasse nahm zu Beginn der Serie harte Drogen. Um an Nachschub zu kommen, kannte er kein Tabu. Er verlor seinen Studienplatz und damit seinen Traum Sozialarbeiter zu werden, zerstörte seine Beziehung und der Kontakt zu seinen Eltern brach ab. Die Erinnerungen daran und die Sucht an sich verfolgen ihn nach wie vor. Er ist nicht mehr fähig, eine feste Beziehung aufzubauen. Viele Menschen denken, dass mit dem Cleanwerden die Arbeit eines Süchtigen zu Ende ist. Doch die Erinnerung an die Schwäche und die Möglichkeit eines Rückfalls sind sehr präsent. Malcolm versucht dies mit viel Kraftsport zu verarbeiten.

Das sagt die Therapeutin:

„Er darf sich nicht betäuben und mit großen, körperlichen Anstrengungen Angst oder Hilflosigkeit übertünchen. Als Betroffener muss man eine Bereitschaft entwickeln, sich die unangenehmen Gefühle anzuschauen. Wenn es darum geht, dass er sich mit dem exzessiven Sport nur betäuben möchte und seine Schuldgefühle oder die Hilflosigkeit wegdrängt, ist die Strategie nicht günstig. Hilfreicher wäre es, sich stückchenweise den unangenehmen Gefühlen zu stellen. Macht man als Betroffener dagegen Sport, um sich selbst Freiräume zu schaffen und seinem Körper etwas Gutes zu tun, dann spricht nichts dagegen.“

Gefühle zulassen

Jeder Mensch muss lernen, auf seine Art mit dem Erlebten umzugehen. Dennoch ist es immer ratsam, sich im Fall einer traumatischen Belastungsreaktion professionelle Hilfe zu suchen. Dr. Schriner ist sich sicher: „Bei diesen Schritten brauchen viele Menschen einfach Hilfe und das darf auch so sein.“ Es ist keine Schande, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Mit dieser Entscheidung beweisen Betroffene große emotionale Stärke und Mut.

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Solltest du oder eine dir nahestehende Person von einem Trauma betroffen sein, kannst du dich anonym, kostenlos und rund um die Uhr an die Telefonseelsorge unter 0800/1110111 und 0800/1110222 wenden. Weitere hilfreiche Informationen findest du auf www.telefonseelsorge.de.

Mehr Raum für Traumata

Ich finde es sehr bemerkenswert, dass sich eine Serie dem wichtigen Thema der posttraumatischen Belastungsstörung annimmt und zeigt, wie vielseitig die Charaktere damit umgehen. Die Präsenz in den Medien ist wichtig. Nur so kann unsere Gesellschaft ein Klima der Bewältigung schaffen und Betroffene spüren lassen, dass sie nicht allein sind. Was hältst du von der Art und Weise, wie die Serie Traumata behandelt?

Helena Serbent

Bildquelle: Netflix, Vivelia