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Im Interview:

Leslie Clio: „Ohne Quote wird kein Platz für Frauen geschaffen – nicht nur in der Musikbranche“

Leslie Clio desired Interview

Sie hat nicht nur inmitten der Corona-Pandemie eine neue Single veröffentlicht, sondern auch ihr eigenes Musik-Label gegründet: Leslie Clio kennt nach vielen Jahren Erfahrung im Musikbusiness ihre Stärken und hat mit uns darüber gesprochen, warum eine Frauenquote längst überfällig ist und wie sie es schafft, als Künstlerin auch in Zeiten von Corona positiv in die Zukunft zu blicken. 

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desired: Normalerweise wärst du jetzt bestimmt auf Promo-Tour für deine neue Single „Strangers Again“. Wie ist das für dich, deine Single im Lockdown zu veröffentlichen?

Leslie Clio: Grundsätzlich finde ich es immer spannend, Neues zu lernen. Die Neugierde treibt mich in jeder Sekunde meines Lebens. Insofern finde ich das spannend – abgesehen natürlich von allen Schattenseiten, die Corona mit sich bringt. Gestern habe ich zum Beispiel meine erste Songwriting-Session via Zoom gehabt. Eigentlich wäre diese Session in London geplant gewesen, also habe ich das hier über Zoom und teilweise sogar WhatsApp eingesungen – was für ein Demo total ausreicht. (lacht) Man findet eben Wege und das hat auch gut geklappt. Die letzte Single ist tatsächlich auch im Lockdown entstanden. Musikalisch finde ich es zwar nicht ideal, aber was Gespräche betrifft, Interviews oder auch den Klavierunterricht, den ich über Zoom nehme, das ist für mich mittlerweile zu einer „neuen Normalität” geworden.

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„Strangers Again“ kannst du dir für ca. 1,30 Euro bei Amazon als MP3-Download kaufen:

Leslie Clio Single

Du produzierst deine Songs selbst und hast auch dein eigenes Label gegründet. Hast du dich vorher eingeschränkt gefühlt?

Nein, gar nicht. 2017 habe ich mein letztes Album bei einem Indie-Label rausgebracht. Als Künstler arbeitet man ja immer kapitelweise: Ein Album ist ein Kapitel. Wenn ein Album „fertig gespielt” ist, mit Konzerten und allem, was daran hängt, fängt das nächste Kapitel an. Das kann man immer noch so sehen, trotz der zurückgehenden Album-Kultur. Nach dem letzten Album habe ich überlegt, ob ich das nächste Kapitel so weiterführen möchte und habe dann entschlossen, dass das für mich nicht optimal ist. Musik-Labels sind seit letztem Jahr natürlich auch in der Krise und ich habe mir dann gesagt: Pass auf, ich weiß nicht, wann man wieder auftreten und sich treffen kann. Um etwas Neues zusammen zu basteln, ist gerade nicht die beste Zeit, aber was ich jetzt auf jeden Fall tun kann – und was vor ein paar Jahren noch viel schwieriger gewesen wäre – ist, ein eigenes Label zu gründen. In den letzten Jahren habe ich reichlich Erfahrungen sammeln können. Ich weiß, was ich gut kann, was ich mir zutraue und wo ich Unterstützung brauche. Ich weiß auch noch nicht, ob das für immer so sein wird, aber ich habe einfach das Beste aus der Situation gemacht. 

Es wird oft noch als etwas total Besonderes herausgestellt, wenn Künstlerinnen ihre Musik selbst schreiben und produzieren – dabei sollte das heutzutage eigentlich keine Überraschung sein, dass Frauen das auch können. Nervt dich das auch manchmal?

Ich habe gestern eine Doku über den Plattenlabel-Gründer Clive Davis gesehen, in der Puff Daddy gesagt hat: Es gibt „self contained artists” und „made artists” – es gibt also Künstler, die Rundum-Unterstützung einer Plattenfirma brauchen und die „self contained artists”, die von sich aus sehr viel selber machen. Da muss ich Puff Daddy recht geben. Ich habe bei der Arbeit an meinen letzten drei Alben auch gemerkt, dass ich mir das Selbstproduzieren durchaus zutrauen kann. Ich habe zum Beispiel schon immer die Moodboards für meine Videos selbst gemacht, die Regie selbst geführt, weil ich dafür einfach der Typ bin. Das kann ich jetzt nahtlos weiterführen, sei es beim Musik oder Videos produzieren. Was ich am selbst Produzieren sehr mag, ist, dass man jedes Unterkapitel, also jede einzelne Single mit Video viel mehr zelebriert und die einzelnen Schritte intensiver geht. Das macht mir wirklich total Spaß. 

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Hier kannst du dir Leslie Clios neuestes Video zu ihrer Single „Strangers Again“ anschauen:

In der Pop-Welt gibt es durchaus zwar viele super erfolgreiche Sängerinnen, aber doch weitaus weniger Frauen, die im Hintergrund als Produzentinnen arbeiten ...

Ja, ich würde daher auch sagen, dass eine Frauenquote in der Musikbranche absolut sinnvoll wäre, um den Ball ins Rollen zu bringen. Künstlerinnen gibt es natürlich genug, aber in den Chefetagen der Labels, als A&R-Managerinnen, Produzentinnen und selbst auf der Bühne als Schlagzeugerinnen oder Bassistinnen – da ist wirklich noch viel Platz nach oben, was die Verteilung der Geschlechter angeht. 

Allerdings produzieren viele Künstlerinnen tatsächlich auch selbst – auch wenn es vielleicht so ein Frauending ist, das nicht jedem unter die Nase zu reiben. Beyoncé war zum Beispiel schon bei Destiny’s Child Executive Producer und hat alle Stimmen selbst produziert. Auch Alicia Keys hat „Fallin'” selbst produziert. Wenn man sich die Credits bei Alicia Keys durchliest, sind da erschreckend wenige andere Namen. Nicht auf andere angewiesen zu sein, hilft in der Musik und als Künstlerin sowieso immer und eigentlich auch sonst im Leben: Je mehr man selber machen kann, desto mehr kann man sein eigenes Ding machen. 

Mit der Hip-hop-Produzentin Melbeatz haben wir auch über das Thema Frauenquote in der Musikbranche gesprochen. Sie hat dazu eine ganz andere Meinung, weil sie der Ansicht ist, dass es schlichtweg nicht genügend Mädchen und Frauen gibt, die sich für den technischen Teil der Musik interessieren. 

Da würde ich aber sagen: Man muss erst mal Platz machen, erst mal die Nachfrage schaffen, um den Bedarf zu liefern. Es gibt immer genug Typen für jede Position und weil es die Nachfrage nicht gibt, kommen die Frauen auch nicht an den Start. Ich kenne das. Es gibt genug Mädels, die gerne Schlagzeug spielen, die sich aber denken: Ich werde sowieso nicht gefragt in einer Band zu spielen, weil die Nachfrage einfach nicht da ist. Ich bin nicht zwingend für eine Frauenquote, was die Besetzung von Bands betrifft. Im Prinzip will ja keine Frau eine Frauenquote per se. Es geht dabei ja nicht darum, in der Machtposition zu sein, sondern darum, dass man den Ball ins Rollen bringen muss, um daraus Normalität schaffen zu können. Dafür braucht man am Anfang eine Quote – ich spreche auch nicht nur von der Musikindustrie, sondern allgemein von einer Frauenquote auch in anderen Bereichen. Wenn man diese nicht einführt, wird der Platz einfach nicht geschaffen. Man kann sie ja auch hinterher wieder abschaffen! Als Frauen müssen wir da auch über unseren eigenen Schatten springen, weil man ja weiß, was man selbst kann. 

Überlegst du dir bei deinen Bühnen-Outfits, wie du als Frau wahrgenommen wirst, also zum Beispiel eher sexy oder feminin?

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Ich habe meine Sexualität und mein Aussehen nie als Werkzeug benutzt. Ich bin auch gar nicht der Typ dafür und das war auch keine bewusste Entscheidung. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich das Minikleid oder die Hose und die College-Jacke anziehen soll. Ich bin einfach von Natur aus Jeans und College-Jacke! Ich fühle mich nicht wohl damit, viel Haut zu zeigen. Wenn ich in der Position gewesen wäre, mir mit einem Minikleid Vorteile zu schaffen, hätte ich das abgelehnt. Die Entscheidung hast du ja immer. Natürlich ist Aussehen aber auch ein tolles Tool. Da wären wir wieder beim Beispiel Beyoncé oder auch Tina Turner: Ihre Beine sind nicht unwichtig. Darauf aber eine Karriere aufzubauen, finde ich sehr wackelig. Sowas vergeht und ich habe mir schon immer gesagt, dass es um meine Stimme und meine Musik geht. Das wird immer im Vordergrund stehen. Mein Aussehen auf der Bühne ist auch nicht darauf angelegt, besonders süß oder sexy zu sein. Den jungen Frauen da draußen, die gerade mit der Musik anfangen, möchte ich aber klar sagen: Wenn dir das Spaß macht, mit deinem Aussehen zu kokettieren, soll das natürlich jeder so machen, wie er oder sie will. Wenn es Teil deiner Identität ist, auf jeden Fall – aber sonst nicht. 

Vielen Dank für das spannende Interview, Leslie!

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Bildquelle: © Hannes Casper, © Sarah Köster

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