Es gibt bereits viele Filme mit Geburtsszenen und solche, die sich mit dem Stress von Müttern auseinandersetzen. Doch eine so schonungslose und ehrliche Darstellung wie in der neuesten Komödie „Tully“ (Kinostart 31. Mai 2018) von Drehbuchautorin Diablo Cody habe ich bisher noch nicht gesehen. Charlize Theron glänzt in der Hauptrolle der 40-jährigen Marlo, die ihr drittes Kind erwartet und mit postnataler Depression zu kämpfen hat. Diesen Film sollten sich wirklich alle jungen Frauen ansehen, die sich Gedanken übers Kinderkriegen machen, sowie alle Mütter, um sich endlich verstanden zu fühlen.
„Tully“ ist ein Film, der sehr viele Aspekte des Mutterseins thematisiert: Marlo ist bereits Mutter einer Tochter und eines Jungen im Grundschulalter, der aufgrund psychischer Auffälligkeiten und Wutausbrüche besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Zu Beginn zeigt „Tully“ wie die hochschwangere Marlo ihren Alltag mit ihren beiden Kindern meistert und zusätzlich weitere Belastungen ertragen muss: besserwisserische Kommentare von fremden Frauen, die ihr ihren koffeinfreien Latte ausreden wollen („Sie wissen schon, dass da auch Spuren von Koffein drin sind?“), der bevorstehende Schulverweis ihres Sohnes sowie die Ratschläge ihres wohlhabenden Bruders und seiner Frau.
Marlo wirkt zwar sichtlich ausgelaugt, sorgt aber durch ihre schwarzhumorigen Kommentaren dafür, dass der Film nicht deprimierend, zugleich aber auch nicht zu klamaukig wirkt. Erst nach der Geburt ihrer Tochter nimmt die Komödie langsam eine Wendung: Nachdem Marlo mehrere Wochen im Akkord Muttermilch abpumpt und kaum ein Auge zu bekommt, nimmt sie schließlich das Angebot ihres Bruders an, eine Nacht-Nanny namens Tully (Mackenzie Davis) zu engagieren. Die 26-jährige Tully verändert das Leben von Marlo komplett. Doch ich will noch nicht zu viel verraten, denn am Ende folgt eine unerwartete Wendung.
Einen Eindruck davon, wie authentisch Charlize Theron die Mutterrolle verkörpert, bekommst du im Trailer:
Geburt und Mutterschaft jenseits von Klischees
Bei diesem Film merkt man, dass eine Frau das Drehbuch geschrieben hat. Diablo Cody, die mit „Juno“ 2007 einen Überraschungserfolg gelandet hat, hat in „Tully“ ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet: Genauso wie Marlo hat sich Diablo Cody nach der Geburt ihres dritten Kindes für eine Nacht-Nanny entschieden, obwohl sie das Konzept anfangs äußerst merkwürdig fand. Auch die Geburtsszene ist angelehnt an Codys eigenen Erfahrungen im Kreißsaal. Anstatt der klischeehaften Darstellung einer hysterischen Mutter, die ihren Mann anschreit, sieht man die ausgelaugte Marlo nach der Geburt in Windeln und wie sie versucht, vor einer Krankenschwester zu pinkeln, um zu beweisen, dass sie bereit zur Entlassung ist. Besonders interessant fand ich die Szene, in der Marlos Bruder und Schwägerin sie nach der Geburt im Krankenhaus besuchen und ihre postnatale Depression angedeutet wird: Marlo spielt hier nicht die glückselige Mutter, sondern wirkt erschöpft und distanziert von ihrem Baby.
Schwangerschaftsstreifen und wunde Brustwarzen
In „Tully“ wird auch nicht davor zurückgescheut, die körperlichen Auswirkungen einer Schwangerschaft darzustellen: Marlos Bauch, der von Schwangerschaftsstreifen gezeichnet ist, wird ebenso offen gezeigt wie ihre wunden Brustwarzen vom Säugen und das Abpumpen der Muttermilch. Um Marlo authentisch verkörpern zu können, hat Charlize Theron innerhalb von dreieinhalb Monaten ganze 20 Kilo zugenommen und wirkt dadurch im Vergleich zu ihrer Rolle der Geheimagentin in „Atomic Blonde“ wie eine ganz andere Person. Dem Magazin Entertainment Tonight erzählte sie in einem Interview, dass ihre eigenen beiden Kinder sogar während der Vorbereitungen auf den Film dachten, dass sie tatsächlich schwanger sei.
„Tully“ beschäftigt sich neben dem Thema postnataler Depression auch mit Mutterschaft in unserer heutigen Zeit, in der Mütter unter besonders hohem Perfektionsdruck leiden. Ähnlich gut gemeinte Ratschläge bekommt Marlo auch im Film zu hören:
Ich habe selbst zwar noch keine Kinder, komme aber langsam in das Alter, in dem man sich mit dem Gedanken beschäftigt: Möchte ich wirklich Kinder bekommen? Wann werde ich so weit sein, diese Strapazen auf mich nehmen zu können, ohne mein eigenes Leben komplett aufzugeben? „Tully“ stellt das Mutterdasein zwar nicht sonderlich glamourös dar, aber der Film hat zum Ende hin doch eine Message, die Hoffnung macht. Findest du es gut, dass die Rolle der Mutter endlich authentisch dargestellt wird, oder kennst du noch andere Filme, auf die das zutrifft? Verrate mir deine Tipps in den Kommentaren!
Bildquelle: Kimberly French/Focus Features