Wenn ein Baby geboren wird, wollen die meisten Leute immer zuerst wissen, ob es ein Junge oder Mädchen ist. Dieses Geheimnis behalten Zoomers Eltern für sich. Sie wissen, welche Intimorgane ihr Kind hat, doch ansonsten sagen sie es niemanden. Sie erziehen ihr Kind geschlechtsneutral und dafür haben sie gute Gründe.
Zoomer, aus Utah in den USA, ist mittlerweile zwei Jahre alt. Zoomers Eltern, Kyl und Brent Myer, gehören zum Gender Creative Parenting Movement. Sie wollen, dass ihr Kind frei von sexistischer Vor- und Benachteiligung aufwächst und dass es selbst entscheiden kann, ob es ein Junge oder Mädchen ist. Deshalb sagen sie niemandem, wie Zoomers biologisches Geschlecht ist.
Das ist für viele Menschen ungewohnt, denn meist orientieren sie sich so daran, welche Farbe die Geburtstagskarte haben soll und ob sie einem Kind eine Puppe oder ein Auto zum Geburtstag schenken. Gerade das wollen Kyl und Brent bei Zoomers Erziehung verhindern. Um zu zeigen, wie es ihrem Kind dabei ergeht, teilen sie einer wachsenden Community auf Social Media Bilder aus dem Alltag.
Zoomer soll sich selbst entscheiden
Dabei wollen sie anderen Leuten Mut machen und zeigen, dass ihre Entscheidung nicht so verrückt ist, wie es sich für viele zunächst anhört. Für die Eltern ist es wichtig, dass ihr Kind sich selbst entwickeln und entdecken darf, ohne, dass Zoomer von Verwandten, Erziehern und anderen Menschen vorgeschrieben bekommt, ob das Verhalten zu einem Jungen oder Mädchen passt. Kyl schreibt in ihrem Blog Raising Zoomer, so wolle sie ihr Kind davor bewahren sich an Stereotypen zu orientieren. Die Entscheidung, ob das Baby sich eines Tages als männlich oder weiblich definieren wolle, hatte sie ihm nicht vorwegnehmen wollen.
Zoomer wird sehr wahrscheinlich im Alter von drei oder vier Jahren wählen. Wir denken einfach nicht, dass wir ihm/ihr diese Entscheidung abnehmen sollten.
Kyl Myers, Raising Zoomer
Gendermarketing ist eine Ursache
Es gibt mehrere Gründe, weshalb sich Myers für diese geschlechtsneutrale Erziehung entschieden haben. Ein Grund ist Gendermarketing, also Produkte, die sich explizit nur an Jungen oder Mädchen richten. Dabei sollen blauen Sachen oft für Jungen, rosa Dinge dagegen für Mädchen bestimmt sein. Mit diesen Dingen wird Kindern schon im frühsten Kleinkindalter signalisiert, dass sie verschieden sind, auch, wenn sich dies noch gar nicht im Sozialverhalten widerspiegelt. Auf Instagram zeigen Kyl und Brent daher auch Beispiele von Gendermarketing, die ihnen im Alltag begegnen:
Trans- oder Cisgender soll keine Rolle spielen
Ein weiterer Grund, weshalb Zoomer das eigene Geschlecht selbst bestimmen soll, ist der Druck und die Probleme, denen vielen transgender Kinder gegenüberstehen, also Kinder, deren biologisches Geschlecht (im englischen „Sex”) sowie soziales und kulturelles Geschlecht (im englischen „Gender”) nicht übereinstimmen. Das Gegenteil von transgender (also eine Person bei der Sex und Gender übereinstimmen) wird als cisgender bezeichnet. Da Transgendersein oft nicht von den Eltern erkannt oder akzeptiert wird, müssen diese Kinder psychisch belastende Coming-outs hinter sich bringen oder ihre wahre, sexuelle Identität ein Leben lang verstecken.
Oft leiden sie aufgrund ihres Transgenderseins unter körperlichem Missbrauch. Auch in Deutschland halten 40 Prozent der Befragten einer Studie von 2015 Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität für ziemlich verbreitet. Diese Qualen möchten Kyl und Brent ihrem Kind ersparen. Auf Instagram machen sie auch auf den Sichtbarkeitstag für Transgender aufmerksam:
Die Probleme mit den Pronomen
In der englischen Sprache kann das Pronomen „They( Them, Their)” benutzt werden, wenn eine Gruppe gemeint ist. Das wird im Deutschen dann mit Pronomen „Sie” ersetzt, welches genauso klingt, wie das Pronomen für eine weibliche Person. Daher ist es in dieser Sprache komplizierter über eine Person geschlechtsneutral zu berichten. Aber auch Zoomers Eltern mussten sich ab und zu korrigieren und sprachen ihr Baby mit den Pronomen an, die sie eigentlich nicht verwenden wollten. Damit fremde Personen wissen, wie sie über und mit Zoomer sprechen sollen, haben Kyl und Brent Myer ihrem Kind für Spielveranstaltungen ein Schild gebastelt, welches auf dem T-Shirt festgeklebt ist.
Je nachdem, welches Gender Zoomer hat, die Myers werden es akzeptieren. Ihr Kind darf mit allen Farben, Spielzeugen und Dingen spielen, auf die es Lust hat und jede Kleidung tragen. Wichtig ist für die Eltern nur, dass Zoomer ein glücklicher Mensch wird, der sich nicht von der Gesellschaft und ihren Vorstellungen über Gender und Sex einengen lässt.
Ich finde diese Art der Erziehung sehr spannend und werde definitiv auf dem Laufenden bleiben, um zu sehen, wie sich Zoomer entwickelt. Wir definieren eine glückliche Kindheit ja immer damit, dass ein Kind von seinen Eltern geliebt und beschützt wird. Ich denke, davon können wir im Fall von Zoomer und den Myers ausgehen. Was hältst du von der genderneutralen Erziehung? Lass es uns in den Kommentaren wissen.
Bildquelle: iStock/Ridofranz