Eine Geburt ist für jede werdende Mama aufregend und sollte einer der schönsten Momente im Leben sein. Doch nicht jede Frau hat dieses Glück. Es gibt viele Fälle in denen die Komplikationen vor oder während der Entbindung so groß sind, dass nur noch eins hilft: Ein Notkaiserschnitt, um das Leben von Mama und Kind nicht zu gefährden. Doch warum werden auch heute noch Mütter kritisch beäugt, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringen? Wir haben mit einer Mama gesprochen, die fordert: „Hört endlich auf, Kaiserschnitt-Geburten zu verurteilen.“
2017 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 232.505 Kaiserschnitte durchgeführt, somit kam jedes dritte Kind auf diese Art zur die Welt. Auch wenn es große Fortschritte in der Medizin gibt, sind die Risiken für Mamas und Babys nicht unerheblich, denn ein Kaiserschnitt ist nun mal ein operativer Eingriff.
Auch nach der Geburt können sich weitere Nachteile ergeben: Man geht davon aus, dass Kaiserschnitt-Babys anfälliger für Infekte sind, sie leiden häufiger unter Bindungsstörungen und sind oft unruhiger als Babys, die vaginal auf die Welt gekommen sind. Doch der große Vorteil: Kaiserschnitte können Leben retten, wenn eine vaginale Geburt aus medizinischer Sicht zu viele Risiken mit sich bringt. Oder wenn man in wenigen Sekunden über Leben und Tod entscheiden muss.
Viele Vorurteile, wenig Mitgefühl
Aber wie fühlen sich eigentlich Mamas, die einen (Not-)Kaiserschnitt hatten? Denn was während oder nach einer Geburt wirklich passiert, welche Gedanken und Gefühle eine Mama hat, die im schlimmsten Fall gerade um das Leben ihres Kindes bangt, wird selten hinterfragt. Dafür sind die Vorurteile über den Kaiserschnitt aber umso größer:
- „Das ist keine richtige Geburt!“
- „Na, da hast du es dir aber leicht gemacht.“
- „Ging es nicht anders? Hast du vorher auch alles gegeben?“
- „Sei froh, so wurde das Baby ja nur schnell rausgeschnitten.“
- „Dann hattest du ja wenigstens keine Schmerzen!“
- „Beim zweiten Kind kannst du dann ja richtig gebären.“
- „Ach so, du hattest einen Kaiserschnitt.“
All das sind Sätze, die sich Influencerin Nina von „the.twinteam“ vor rund sechs Jahren nach ihrer Geburt anhören musste, wie sie desired erzählt. Ihre Tochter Lea kam per Notkaiserschnitt zur Welt, da sich die Plazenta frühzeitig gelöst hatte, die Versorgung zum Baby abgebrochen war. Ihr Glück: Als das passierte, war sie gerade im Krankenhaus. Denn schon länger wurde beobachtet, warum die Gewichtzunahme des Babys nicht mehr konform war.
Lange Zeit kämpfte Nina um das Leben ihrer Tochter, danach kamen die Vorwürfe, wie sie in einem schockierenden Post auf ihrem Instagram-Account schreibt.
„Heute kann ich es endlich sagen. Ich habe mein Kind zur Welt gebracht. Ich habe mein kleines Mädchen geboren. Ein Notkaiserschnitt. Unter Vollnarkose. Das Gefühl des Versagens. Die Enttäuschung über meinen eigenen Körper. (…) Und so schämte ich mich. Sprach es mir selbst ab, von einer Geburt zu sprechen. Immer öfter schnappte ich auf: 'ein Kaiserschnitt - na die Mütter können doch garnicht mitreden. Was haben die schon wirklich produktives zur Geburt beigetragen?'“
Nina
Das emotionale Loch
Es sei einfach kein Verständnis für ihre Situation da gewesen. „Viele meiner Freunde waren noch sehr jung, deshalb unwissend. Sie haben die Art der Geburt einfach weggelächelt. Ältere haben mich oft dafür verurteilt. Ich verstehe einfach nicht, warum es immer diesen Kampf unter Müttern gibt. Sollten wir Frauen uns nicht gegenseitig auf die Schulter klopfen, statt Geburten zu kategorisieren? Denn damit werten wir sie ab“, sagt sie desired.
Die Gesellschaft trägt Mitschuld
Nina ist sich sicher: Wäre die Welt offener für Kaiserschnitte und würde die Gesellschaft häufiger hinterfragen, welche Gründe es für diese Art von Geburt gibt, dann wäre sie damals nicht in dieses emotionale Loch gefallen: „Ich wäre traurig gewesen, weil ich gerne eine vaginale Geburt gehabt hätte. Aber ich hätte dann nicht das Gefühl gehabt, gar keine Geburt gehabt zu haben.“
Insgesamt zwei Jahre hat es gedauert, bis die 27-Jährige überhaupt über ihre Geburt reden konnte. Während dieser Phase habe sie viel mit sich selbst ausgemacht und Hilfe in einer Freundin gefunden, die Hebamme ist. Sie seien gemeinsam nochmal ins Krankenhaus gefahren, um sich die Räume der Geburt anzuschauen, die Entbindung nochmal nachzustellen.
Schluss damit!
„Irgendwann ist dann der Knoten geplatzt. Ich habe gemerkt, dass ich eifersüchtig auf Frauen mit einer vaginale Geburt geworden bin. Eher gesagt: Ich konnte sie nicht ertragen. Aber nur, weil mir alle meine Geburt abgesprochen haben. Und dann hab ich gesagt: 'Schluss jetzt!' Wer darf sich anmaßen, mir vorzuschreiben, wie wertvoll meine Geburt war. Das Einzige was zählt ist, dass alle gesund sind.“
Seitdem geht Nina offen mit diesem Thema um, findet viel Zustimmung von ihren Followern (240.000 auf Instagram). Dennoch fordert sie: „Hört endlich auf, Kaiserschnitt-Geburten zu verurteilen. Niemand hat das Recht, eine Geburt auch nur in irgendeiner Form zu bewerten.“ Und ist super stolz auf ihre Tochter, die vermutlich genau deshalb heute so willensstark ist. Weil sie schon als Baby einen Todeskampf hatte und leben wollte.
Bildquelle: The.TwinTeam