Marina und Jan Zubrod arbeiten nicht nur zusammen, sie haben auch eine gemeinsame Tochter. Das klassische Erziehungsmodell, bei dem die Mutter den Großteil der Care Arbeit übernimmt und der Vater weiter Vollzeit arbeitet, wollten sie auf keinen Fall. Stattdessen heißt ihre Methode „Equal Parenting“. Im Podcast haben sie uns erzählt, wie sie es schaffen, die Erziehung gleichberechtigt aufzuteilen und was ihnen dabei besonders hilft.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserer aktuellen Podcast-Folge anhören.
desired: Was genau bedeutet „Equal Parenting“ und wieso habt ihr euch dafür entschieden?
Marina: Jan und ich sind seit 11 Jahren ein Paar. Ich habe für mich schon immer gewusst, dass ich auf jeden Fall Kinder haben möchte und das auch so kommuniziert. Aber für mich war ausgeschlossen, dass ich zuhause bleibe und mich nur um das Kind kümmere und der Mann in traditioneller Rolle den ganzen Tag einem Job nachgeht und nur abends nach Hause kommt. Mir war wichtig, dass der Mann die Vaterrolle auch ausfüllt und die Erziehung zu 50 Prozent mit übernimmt. Als es dann in den letzten Jahren mit der Kinderplanung immer konkreter wurde, haben wir uns mit Möglichkeiten auseinandergesetzt, wie wir allen Bedürfnissen gerecht werden können. Also in erster Linie denen des Kindes, aber natürlich auch unseren eigenen. Uns war schnell klar, dass wir unseren Arbeitsalltag so gestalten müssen, dass wir ausreichend Zeit haben, uns ums Kind zu kümmern. Wir müssen aber ganz transparent dazu sagen: Wir haben tagsüber eine Au Pair, die bei uns mit im Haus lebt und sich um unsere Tochter kümmert, wenn wir Meetings haben.
Jan: Ich habe auch von mir aus von Anfang an gesagt, dass ich mir auch vorstellen kann, der Hausmann zu sein. Ich kenne das aus meiner eigenen Erziehung. Mein Vater war zwar auch berufstätig, hat sich aber trotzdem sehr viel um uns Kinder gekümmert. Das habe ich sehr genossen. Ich wollte also auch unbedingt Teil der Entwicklung meines eigenen Kindes sein. Die Schwangerschaft war für uns dann gewissermaßen eine Vorbereitungszeit, um Systeme zu etablieren, die für uns funktionieren, damit wir beide maximal viel Zeit mit dem Kind verbringen können. Wir wollen vor allem auch Zeit gemeinsam mit dem Kind verbringen. Ich will nicht, dass Marina mich irgendwann anruft und sagt: „Ach übrigens, die Kleine hat heute ihr erstes Wort gesagt.“
Marina: Es gehören auch einfach immer beide dazu. Die Frau muss klar kommunizieren, was ihre Wünsche und Erwartungen sind. Gleichzeitig muss aber auch der Mann einfordern, dass er diese Zeit mit dem Kind haben will. Häufig erleben wir im Bekanntenkreis, dass das Kind kommt, die Mutter geht total in ihrer Mutterrolle auf und der Vater geht schnell wieder arbeiten und so verfällt man ganz automatisch in diese traditionellen Rollenbilder, ohne dass man sich vorher überlegt hat, ob man das überhaupt so will.
Oftmals gerät man dadurch auch in einen Teufelskreis: Die Mutter nimmt die Elternzeit, weil sie vielleicht weniger verdient als der Mann, dadurch baut sie eine engere Bindung zum Kind auf und gleichzeitig werden sich die Gehaltsunterschiede nur noch weiter verstärken.
Marina: Ich finde es auch ganz wichtig, dass unser Kind ohne dieses traditionelle Rollenverständnis aufwächst, mit dem unsere Generation ganz stark konfrontiert wurde. Unsere Tochter soll nicht diese Grenzen im Kopf haben und vor allem nicht mit dem Gefühl aufwachsen, dass die Grenze der Fürsorge, Verantwortung und Liebe bei der Mama aufhört, sondern dass beide Eltern mit derselben Fürsorge und Liebe die Erziehung mitgestalten.
Jan: Ich glaube, dass es auch nicht unbedingt ratsam für eine Beziehung ist und für einen selbst als Elternteil, wenn das Kind der einzige Lebensinhalt ist. Ich genieße die Zeit mit unserer Tochter total, aber wenn ich mir vorstelle, dass das mein einziger Tagesinhalt wäre, kann ich mir nicht vorstellen, wie ich mich als Person noch weiterentwickeln sollte. Gerade in der Anfangszeit bringt das Kind wahnsinnig viele Aufgaben mit sich, die natürlich viel Zeit kosten, aber nicht intellektuell ansprechend sind. Da tut es einfach gut, einmal sagen zu können: Jetzt bist du dran, ich gehe jetzt sozialen Kontakten nach oder arbeite oder mache irgendwas anderes.
Marina: Absolut. Ich habe größten Respekt vor allen Müttern oder und vor allem auch alleinerziehenden Elternteilen, die sich 24/7 allein um ein Kind kümmern. Das ist sehr, sehr anstrengend und ich kann mir vorstellen, dass einen das teilweise auch wahnsinnig macht, wenn man keinen anderen Fokus hat. Das ist schon eine starke Aufgabe!
Die Erziehung kann bei allen Eltern anders aussehen. Im Video zeigen wir dir verschiedene Erziehungsstile:
Eure Ausgangssituation war etwas anders als die der meisten Eltern. Ihr seid beide selbstständig und arbeitet zusammen. Damit hattet ihr sicherlich ein paar mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wie habt ihr die Zeit nach der Geburt gemeistert? Hat sich in eurem Arbeitsalltag sehr viel verändert?
Marina: Ich muss zugeben, dass wir gar keinen so richtigen Übergang hatten. Ich hab in den Kreißsaal rein und aus dem Kreißsaal raus gearbeitet. Ich bin einfach ein sehr aktiver Mensch. Geschäftlich konnte ich aber zum Glück einiges ruhen lassen und auch offiziell in Mutterschutz und Elternzeit gehen. Aber jeder, der selbstständig ist, weiß, dass es einfach ein paar Tätigkeiten als Geschäftsführerin gibt, denen man weiterhin nachkommen muss. Ich hatte keine Kundentermine mehr und keine Meetings, aber eine sehr gleichbleibende Tätigkeit, wenn es darum ging, die E-Mail-Inbox im Blick zu behalten oder Verträge zu unterschreiben. Ich hatte aber auch eine sehr einfache Schwangerschaft, eine sehr einfache Geburt und ein sehr einfaches Kind. All das, wovor man potenziell Angst haben könnte, hatten wir zum Glück nicht, sodass unser Aktivitätsniveau hoch bleiben konnte. Ich wollte mir aber auch einfach beweisen, dass es möglich ist, in der Schwangerschaft und nach der Geburt aktiv zu bleiben. Ob ich das beim zweiten Kind noch mal so verbissen machen würde, weiß ich nicht. Ich habe es mir jetzt ja schon einmal bewiesen.
Hat es bei euch von Anfang an gut geklappt, die Aufgaben gerecht zu verteilen oder hat es eine Weile gebraucht, bis ihr wusstet, wem welche Aufgaben besser liegen?
Marina: Jan ist auf jeden Fall der Meister des Windelnwechselns. Dadurch, dass ich einen Kaiserschnitt hatte, musste er das in den ersten Tagen übernehmen. Und wenn man bedenkt, wie schnell da ein Malheur passiert, war er da auch schnell deutlich geübter als ich.
Jan: Man muss auch dazu sagen, dass ich eine kleine Schwester hatte und mich entsprechend schon ein bisschen auskannte. Grundsätzlich glaube ich aber, dass es für uns von Vorteil war, dass wir vorher schon beruflich zusammengearbeitet haben. Deshalb waren wir es auch gewohnt, dass wir Dinge vielleicht manchmal anders machen und wir konnten das „Projekt Baby“ in der Kommunikation und im Umgang miteinander auch sehr professionell angehen. Die Prinzipien für eine gut funktionierende Zusammenarbeit, die wir bereits aus dem Berufsalltag kennen, konnten wir auch gut in unser gemeinsames Leben mit Kind integrieren. Jeder hat so seine eigenen Areas, der Haushalt war bei uns eigentlich schon immer mein Bereich, von daher hat sich da auch mit Baby nicht viel geändert. Und den Rest macht Marina wahrscheinlich sehr viel besser als ich.
Marina: Wobei wir noch einen ganz wichtigen Punkt haben: Die Nächte gehören Jan. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Ich fand es immer sehr schwierig, diese Dynamik mitzuerleben, dass wenn die Mutter stillt, der Vater eigentlich nur noch zu einer passiven Rolle in diesem ganzen Konstrukt wird. Das macht diese Situation nachts so schwierig. Man hört dann häufig von frisch gebackenen Vätern: „Naja, ich kann ja nichts tun. Ich hab ja keine Brust, also kann ich auch schlafen.“ Das ist eine Dynamik, die wir von Anfang an nicht wollten, weil das a) dazu führt, dass das Kind sehr auf mich fokussiert ist und es b) auch maximale Inflexibilität im Alltag, zum Beispiel in Bezug auf Geschäftsreisen, bedeutet. Deshalb habe ich von Anfang an abgepumpt und unser Kind hat direkt auch die Flasche kennengelernt. Das ist finde ich auch ein Schlüssel zum Equal Parenting. Man muss auch für die Nächte eine Lösung finden. Das Babybett ist auch bei Jan auf der Seite. In unserem Fall macht das einfach mehr Sinn, weil ich diejenige bin, die mehr Schlaf braucht. Wichtig ist, denke ich, dass man eine Lösung findet, die für beide machbar ist, sodass keiner ständig unter Schlafmangel leidet.
Hier findest du Marina und Jan auf Linkedin und Marina auf Instagram. Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Die vollständige Podcast-Folge kannst du dir auf Spotify, Apple Podcast und allen bekannten Podcast-Plattformen oder z.B. hier auf Youtube anhören:
Bildquelle: Jochen Brunkhorst