Jeder weiß, dass es Fehlgeburten gibt. Die meisten Menschen gehen jedoch davon aus, dass solch ein trauriges Schicksal nur wenige Frauen ereilt. Würde man sich jedoch in seinem Umfeld umhören, so wird plötzlich klar: Die eigene Mutter, die Kollegin, die Bekannte – viele Frauen erlitten bereits eine Fehlgeburt. Der Verlust eines ungeborenen Kindes ist jedoch immer noch ein Tabuthema, das dafür sorgt, dass sich Betroffene oft allein fühlen. Statistiken zeigen, dass sie es nicht sind.
Die Hälfte aller Fehlgeburten passiert unbemerkt
Viele werdende Mütter warten die ersten 12 Schwangerschaftswochen ab, bis sie ihrem Umfeld von ihrem Glück erzählen – weil man das halt so macht. Die traurige Wahrheit ist: Bis zu diesem Zeitpunkt besteht nur noch etwa ein Drittel aller begonnenen Schwangerschaften. Experten gehen davon aus, dass bereits die Hälfte aller befruchteten Eizellen vom Körper selbst aussortiert wurden, bevor die Schwangerschaft bemerkt wurde oder bis überhaupt eine Einnistung stattfindet. In sehr vielen Fällen sind genetische Ursachen die Gründe: Ein daraus folgender Embryo wäre nicht lebensfähig gewesen.
In solch einer frühen Phase bemerken die meisten Frauen die Fehlgeburt glücklicherweise nicht: Der Abgang findet dann etwa zum ungefähren Zeitpunkt der Periode statt und wird als normale Regelblutung wahrgenommen. Die Schwangerschaft wäre dann etwa in der vierten oder fünften Woche gewesen. In seltenen Fällen (etwa 1 Prozent) kann es auch zu einer Fehleinnistung der Zygote kommen und es entsteht eine Eileiterschwangerschaft.
Wichtig: biochemische oder klinische Schwangerschaft
Wie hoch die Fehlgeburtenrate ist, hängt davon ab, ob es sich um eine chemische oder klinische Schwangerschaft handelt.
- Biochemische Schwangerschaft: Die Schwangerschaft ist nur durch Blut- oder Urinuntersuchung anhand des hCG-Wertes nachweisbar.
- Klinische Schwangerschaft: Die Schwangerschaft ist nun auch im Ultraschall nachweisbar.
Bei rein biochemischen Schwangerschaften, also noch in einem sehr frühen Zeitraum, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt noch bei etwa 20 bis 25 Prozent. Wurde der Embryo deines Kindes bereits im Ultraschall gesehen und die Schwangerschaft ist klinisch, sinkt das Risiko schon auf 12 bis 15 Prozent. Wurde sogar bereits der Herzschlag deines Babys gehört, kannst du noch mehr aufatmen: Dann liegt das Fehlgeburtsrisiko laut derselben Studie nur noch bei 3 bis 12 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt je SSW
Es ist schwierig, ein genaues Fehlgeburtsrisiko für jede einzelne Schwangerschaftswoche festzumachen, da nicht jede Fehlgeburt genau zum Zeitpunkt ihres Geschehens auch bemerkt wird. Gerade, wenn es sich um einen verhaltenen Abort (Missed Abortion) handelt, wird oft erst bei der nächsten Ultraschalluntersuchung festgestellt, dass kein Herz schlägt, dabei hat sich der Embryo oder Fötus schon länger nicht mehr weiterentwickelt. Stößt der Körper das Kind samt dazugehörigem Gewebe nicht selbst ab, ist eine Ausschabung leider meist unumgänglich.
Eine australische Studie zeigt jedoch die Häufigkeit in den einzelnen Schwangerschaftswochen, basierend auf Statistiken eines großen Krankenhauses, in dem pro Jahr 5.000 bis 6.000 Frauen entbinden:
Zeitpunkt | Fehlgeburtsrisiko |
5. und 6. SSW | 20% |
7. SSW | 9,4% |
8. SSW | 4,2% |
9. SSW | 1,5% |
10. SSW | 0,5% |
11. SSW | 0,7% |
Diese Zahlen zeigen, dass das Fehlgeburtsrisiko in der 5. und 6. SSW am höchsten ist und bereits ab der 8. Woche stark sinkt. Wer in dieser Zeit typische Anzeichen für eine Fehlgeburt bemerkt, sollte sicherheitshalber unbedingt einen Arzt aufsuchen. Ist das erste Trimester überstanden, erleiden in den gesamten kommenden 6 Monaten nur noch 1 bis 2 Prozent der schwangeren Frauen einen Abort – das heißt erfreulicherweise, 98 bis 99 Prozent der Schwangerschaften, die die 12. Woche erreichen, enden mit einem Baby im Arm.
Die Fehlgeburtswahrscheinlichkeit nach Alter der Mutter
Neben der allgemeinen Statistik spielt meist auch das Alter der Mutter eine größere Rolle für den Verlauf der Schwangerschaft. Das geringste Risiko haben laut dieser Zahlen demnach Frauen bis zu einem Alter von Mitte 20, danach steigt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit einer zu früh endenden Schwangerschaft stark an:
Alter der Mutter | Fehlgeburtsrisiko |
unter 20 | 15% |
25 | 16% |
30 | 18% |
35 | 22% |
40 | 38% |
45 | 70% |
Faktoren, die eine Fehlgeburt begünstigen können
Alter und vorherige Fehlgeburten
Den größten Einfluss auf den Ausgang der Schwangerschaft haben das Alter der Mutter, aber auch das des Vaters, da auch eine verminderte Spermienqualität zu einer Fehlgeburt führen kann. Genetische Fehlentwicklungen sind hier oft die Folge. Außerdem beeinflussen vorangegangene Fehlgeburten das Risiko: Nach jedem Abort steigt die Chance eines weiteren auf 5 bis 10 Prozent. Allerdings erleidet nur eine von 100 Frauen in ihrem Leben mehr als eine Fehlgeburt, was wieder ein wenig beruhigt.
Weitere körperliche Ursachen
Manchmal kommt es während einer Schwangerschaft zu Infektionen der Vagina oder auch der Harnblase, die bis zur Gebärmutter aufsteigen können. Das Ungeborene ist hierdurch stark gefährdet, eine medikamentöse Behandlung unumgänglich. Hormonstörungen wie ein Gelbkörpermangel, eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein gestörtes Immunsystem zählen ebenfalls zu den häufigeren Faktoren bei einer Fehlgeburt. Spätestens nach einer zweiten Fehlgeburt und bei weiterbestehendem Kinderwunsch solltest du dich hormonell durchchecken lassen.
Stress
Viele Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, werfen sich vor, sich irgendwie falsch verhalten zu haben. Fakt ist, dass Stress zwar einen Abort begünstigen kann, dann muss er allerdings auch sehr stark gewesen sein. Oft kann es so zu einem Ungleichgewicht der Hormone kommen und es wird zu wenig Progesteron produziert, welches wichtig für den Erhalt einer Schwangerschaft ist. Starker Schlafmangel, emotionaler Stress oder auch Schichtarbeit vor und zu Beginn der Schwangerschaft können eine Fehlgeburt begünstigen.
Drogen, Alkohol, Medikamente
Dass jeglicher Konsum von Alkohol oder gar Drogen in der Schwangerschaft zu Fehlbildungen beim Neugeborenen führen können, ist weit bekannt. Ein übermäßiger Konsum kann sogar zu einer Fehlgeburt führen. Und auch die Einnahme bestimmter Medikamente wie mancher Antibiotika kann die weitere Entwicklung des Embryos verhindern.
Statistiken können viel sagen; sie können Angst machen, aber in vielen Fällen auch beruhigen. Doch sie können nie für etwas garantieren – das Risiko einer Fehlgeburt kann bei jeder Schwangerschaft, angesichts verschiedener Faktoren, völlig anders sein. Die ersten Wochen nach dem positiven Test mögen die unsichersten sein, vor allem, wenn du schon einmal eine Fehlgeburt durchmachen musstest. Führe dir aber immer vor Augen, dass die meisten Frauen, die ein Kind verloren haben, nicht lange danach eine ganz normale Schwangerschaft erleben.