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Kommentar

Tod auf der Leinwand: Kinder brauchen „verstörende“ Filme

Kommentar verstörende Kinderfilme

Todesfälle in Kinderfilmen wirken auf uns als Erwachsene im Rückblick oft brutal und nicht kindgerecht. „Der König der Löwen“, „Watership Down“ oder „My Girl“ gelten aber zu Unrecht als verstörende Filme. Ich habe selbst meinen Vater schon als Kind verloren und bin dankbar, nicht ausschließlich mit Heile-Welt-Geschichten aufgewachsen zu sein. Das Leben ist eben kein Ponyhof – auch nicht für Kinder.

Tod = Nichts für Kinder?

„Gute Unterhaltung und positive Gefühle sind unbedingt erwünscht“ - So beschreibt die öffentlich-rechtliche Medienerziehungs-Initiative „Schau hin!“ empfehlenswerte Filme für Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren. Themen wie Trennung oder Tod, die die Urängste berühren, überfordern Vorschulkinder laut den Experten. Schaut man sich Listen über verstörende oder gar traumatisierende Kinderfilme an, wird dieser Eindruck bestätigt: Hier finden sich Filme wie „Bambi“, „König der Löwen“, „In einem Land vor unserer Zeit“, „Die Gebrüder Löwenherz“ oder „Watership Down“. Was all diese Filme gemeinsam haben? Sie zeigen oder thematisieren den Tod eines Charakters. Doch sind diese Filme wirklich verstörend und nicht kindgerecht, oder ist es nicht eher so, dass wir auch als Erwachsene so schlecht mit dem Tod umgehen, dass wir Kinder davon fernhalten wollen?

„Steh auf, Papa! Du musst aufstehen!“

Mufasas Tod
Mufasas Tod gilt bis bis heute als eine der drastischsten Todes-Darstellungen von Disney.

Ich bin froh darüber, dass sich viele Filmemacher nicht an die Vorgaben von „Schau hin!“ gehalten haben, denn Tod ist ein Thema, mit dem auch schon kleine Kinder ganz real konfrontiert werden können – nicht nur im Film. Der Tod abseits der Leinwand kennt keine Altersfreigabe. Als mein Vater starb, war ich gerade mal vier Jahre alt. Während die Erwachsenen in meinem Umfeld nicht dazu in der Lage waren, mit mir über den Verlust zu sprechen – sei es aus eigener Trauer oder Angst – war es ein Jahr später ein Kinderfilm, der endlich offen mit dem Thema umging. Die berühmte „König der Löwen“-Todesszene, in der ausgerechnet auch noch der Vater stirbt, hat mich, wie wohl die meisten Zuschauer, zum Weinen gebracht. Hätte man mir diesen Film also besser nicht zeigen sollen, um mich bloß nicht zu traumatisieren? Auf keinen Fall! Das „König der Löwen“-Hörspiel lief bei mir ab diesem Zeitpunkt auf Dauerschleife. Dadurch kann ich nicht nur bis jetzt jeden Dialog auswendig mitsprechen, ich konnte so auch den Tod meines Vaters als ziemlich introvertiertes Kind gedanklich besser verarbeiten.

Mit Disney den Tod verstehen lernen

Der „König der Löwen“ ist nicht der einzige Disney-Film, in dem ein Charakter stirbt. Tatsächlich wird auch in „Bambi“, „Frozen“, „Cap und Capper“ und „Findet Nemo“ der Tod eines Elternteils oder eines Hauptcharakters thematisiert. Laut einer Studie, die im amerikanischen Wissenschaftsmagazin „OMEGA Death and Dying“ veröffentlicht wurde (ja, es gibt Magazine über jedes Thema), sterben Charaktere in Kinderfilmen sogar doppelt so wahrscheinlich wie in Filmen für Erwachsene! Die Faszination mit dem Tod, die scheinbar viele Kinderfilmemacher umtreibt, wird von den Wissenschaftlern aber nicht kritisiert, sondern gelobt: Diese vermeintlich verstörenden Filme können Kindern dabei helfen, zu begreifen, was Tod bedeutet. Besonders gut eignen sich laut der Experten Animationsfilme, weil Kinder diese im Gegensatz zu Schauspielern in Spielfilmen eher als fiktional wahrnehmen. Dennoch könnten Kinder so auch mit echten Todesfällen in ihrem Umfeld besser umgehen.

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Auch Erwachsenen können diese Filme helfen, mit der Trauer umzugehen:

Die 16 traurigsten Film-Tode aller Zeiten

Die 16 traurigsten Film-Tode aller Zeiten
Bilderstrecke starten (18 Bilder)
Nina Everwin

Schluss mit dem Gerede von verstörenden Filmen!

Der Tod wird schon in zu vielen Bereichen unseres Lebens tabuisiert. Bei diesem Punkt sind sich die meisten einig. Doch während Themen-Wochen zum „Tabu-Thema Tod“ beklatscht werden, wird sich gleichzeitig über Kinderfilme echauffiert, in denen Charaktere sterben. Angeblich könne man Kindern so etwas als verantwortungsvoller Erwachsener nicht vorsetzen. Ich bin jedoch froh, dass das Thema Tod in vielen Kinderfilmen zur Abwechslung mal nicht tabuisiert wird. Selbst wenn Kinder das Glück haben, in jungen Jahren keinen Tod in ihrem direkten Umfeld zu erfahren, können sie von solchen Filmen doch fürs Leben lernen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich Erwachsene oft nicht trauen, das Thema Tod anzusprechen und verkennen, dass viele Kinder eine natürliche Neugierde haben – auch wenn es um solch ernste Themen geht. Statt seinen Kindern also aus Angst nur seichte Inhalte vorzusetzen, sollte man ihnen mehr zutrauen. Der Tod eines geliebten Menschen kann uns schließlich alle plötzlich treffen, ganz unabhängig vom Alter. Die oft zu Unrecht als verstörend verunglimpften Kinderfilme können uns zwar auch nicht gänzlich die Angst vor dem Tod nehmen, aber zumindest zeigen: Es kann auch ein Happy End geben, selbst wenn eine geliebte Person in deinem Leben stirbt.

Nina Everwin

Bildquelle: Disney