Kaum eine Kinderkrankheit kann das Zusammenleben in einer Familie so sehr belasten, wie das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (kurz ADHS). Oftmals bringen an der Verhaltensstörung leidende Kinder ihre Eltern, Erzieher und Lehrer und meist auch sich selbst an den Rand der Verzweiflung. Dabei kann ADHS auf vielen verschiedenen Wegen therapiert werden. Zuerst solltest du jedoch sicherstellen, dass es sich wirklich um das Syndrom handelt: Wir zeigen dir die häufigsten ADHS-Symptome.
Die vielfältigen Symptome von ADHS
Laut verschiedener wissenschaftlicher Studien sind etwa drei bis zehn Prozent aller Kinder von der grundsätzlich unheilbaren Krankheit betroffen. Auch wenn sich ADHS bei jedem Kind anders äußern kann, sind doch einige Symptome auszumachen, die auf diese Verhaltensstörung hindeuten können. Typische ADHS-Symptome sind:
- Unaufmerksamkeit
- leicht abzulenken
- begonnene Tätigkeiten werden nicht zu Ende gebracht
- impulsives und aggressives Verhalten, wenn es nicht nach ihrem Willen geht
- Hyperaktivität (das berüchtigte Nicht-Stillsitzen-Können oder Spielen des Klassenclowns zum Beispiel)
Hyperaktivität und Impulsivität müssen aber nicht unbedingt Teil des Krankheitsbildes sein. So ist auch eine Nebenform des ADHS bekannt, bei der die Kinder eher still, träumerisch, schüchtern und ängstlich sind. In diesem Fall treten vor allem die Aufmerksamkeitsdefizite in besonderem Maße zu Tage. Zum Teil wird ADHS auch noch von weiteren Entwicklungsstörungen wie der Lese-Rechtschreib-Schwäche oder einer Sprachentwicklungsstörung begleitet.
ADHS: Definition des Krankheitsbildes
Viele Menschen, die regelmäßig mit Kindern zu tun haben, kennen mindestens ein oft unaufmerksames, ständig umhereilendes Kind, das sich nicht konzentrieren kann und sofort wütend oder frech wird, sobald man es ermahnt. Während manche Kinder einfach aktiver und weniger schüchtern sind als andere, kann in einem solchen Fall auch der Verdacht einer Erkrankung am Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) im Raum stehen, die nach landläufiger Meinung möglichst schnell, am besten sogar medikamentös, behandelt werden sollte. Dabei wissen viele Menschen, die diesen Begriff in den Mund nehmen, gar nicht, worum es bei ADHS eigentlich geht. Denn nicht jeder kleine, kaum zu bändigende Frechdachs leidet automatisch unter ADHS.
ADHS ist keine moderne Zivilisationskrankheit
Auch wenn es so erscheinen mag: ADHS ist nicht die Folge der angeblichen Reizüberflutung, der Kinder heutzutage ausgesetzt sind. Vielmehr waren auch in früheren Tagen, als an Fernsehen, Internet und Videospiele noch gar nicht zu denken war, schon Kinder von der Erkrankung betroffen. Literarisch besonders nachhaltige Beispiele lieferte bereits 1845 der Arzt Heinrich Hoffmann in seinem noch heute bekannten Bilderbuch „Struwwelpeter“. So zeigen der berühmte Zappel-Philipp, der beinahe schon zu einem Synonym für an ADHS erkrankte Kinder geworden ist, und sein verträumtes Pendant Hans-Guck-in-die-Luft typische Verhaltensweisen, die nach heutiger Forschungslage dem ADHS zugeschrieben werden können.
ADHS entwickelt sich aus vielen Faktoren
Auch wenn die Ursachen des ADHS noch nicht abschließend erforscht sind, spricht vieles für ein Zusammenspiel von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren. So lässt sich bei an ADHS erkrankten Kindern meist eine Funktionsstörung im Gehirn feststellen, bei der die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin nicht richtig übertragen werden. Auf diese Weise werden neu im Gehirn ankommende Informationen nicht ausreichend gefiltert und mit bereits bestehenden Erfahrungen abgeglichen. Die Folge ist eine Reizüberflutung im Gehirn, die den Betroffenen daran hindert, eine Aufgabe mit ausreichender Aufmerksamkeit und Konzentration zu planen und durchzuführen.
Was kann ADHS auslösen?
In den meisten Fällen zeigt sich bei einer Erkrankung an ADHS auch eine erbliche Vorbelastung. Doch auch äußere Einflüsse können die Ausprägung des Syndroms beeinflussen. So wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass der Genuss von Alkohol oder Nikotin in der Schwangerschaft eine Erkrankung des Kindes an ADHS begünstigen kann. Auch zu früh auf die Welt gekommene Babys leiden in ihrem späteren Leben öfter an ADHS. Zudem können psychosoziale Probleme innerhalb der Familie und der Eltern-Kind-Beziehung die Entwicklung der Krankheit fördern.
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Die Folgen von ADHS: Ein Teufelskreis
Aufgrund ihres auffälligen Verhaltens werden an ADHS erkrankte Kinder oftmals von ihrer Umwelt abgelehnt. So können wahrscheinlich viele Betroffene davon berichten, wie sie vor dem Bekanntwerden ihrer Krankheit von Mitschülern oder gleichaltrigen Kindern gehänselt sowie von Lehrern und Erziehern ausgeschimpft oder bestraft wurden. Auch die Beziehung zu den Eltern und den Geschwistern kann unter dem meist als anstrengend empfundenen Fehlverhalten des betroffenen Kindes leiden. Daher ziehen sich viele an ADHS erkrankte Kinder und Jugendliche im Alltag immer mehr zurück und werden zu Außenseitern. In vielen Fällen versuchen die Betroffenen sogar, das soziale Miteinander durch verschiedene geplante Störaktionen zu bekämpfen. Dadurch stoßen sie auf noch mehr Ablehnung, sodass sich die ADHS-Erkrankung zu einem wahren Teufelskreis aufschaukeln kann.
Was tun bei Verdacht auf ADHS?
Angesichts der weiten Verbreitung und der für einen Laien relativ unklaren Symptome haben viele Eltern Sorgen, dass ihr Kind an ADHS erkrankt sein könnte. Da ADHS jedoch eine sehr komplexe Verhaltensstörung und daher auch nur sehr schwierig zu diagnostizieren ist, sollte bei einem entsprechenden Verdacht ein in diesem Bereich erfahrener Kinderarzt oder -psychologe zu Rate gezogen werden. Er wird das Kind einer sorgfältigen organischen, neurologischen und psychologischen Untersuchung unterziehen. Auch die Befragung erwachsener Bezugspersonen des Kindes (Eltern, Verwandte, Lehrer, Erzieher, Sporttrainer) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Zudem wird der jeweilige Entwicklungsstand des Kindes mit seinen typischen Problematiken berücksichtigt. Anhand genauer Kriterien können auf diese Weise Krankheitsbilder wie Epilepsie oder Depressionen, die teilweise ähnliche Symptome aufweisen, ausgeschlossen und der Verdacht auf ADHS gegebenenfalls erhärtet werden.
Behandlungsmöglichkeiten von ADHS
Auch wenn ADHS grundsätzlich nicht heilbar ist, kann der Leidensdruck des betroffenen Kindes durch verschiedene Therapieansätze erheblich gelindert und auf diese Weise eine normale Entwicklung des Kindes gefördert werden. Aufgrund der mannigfaltigen Ursachen der Erkrankung ist auch die Behandlung in verschiedene Faktoren aufgegliedert. So ist die Aufklärung des Kindes und seiner Umwelt über die Krankheit ein erster entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Auf diese Weise kann sich zum einen das betroffene Kind selbst genauer im Alltag beobachten und kontrollieren und zum anderen wird das mögliche Fehlverhalten für erwachsene und gleichaltrige Bezugspersonen transparent, sodass das an ADHS leidende Kind nicht mehr sofort auf Unverständnis und Ablehnung stößt.
Hinzu kommen pädagogische Therapieansätze, die das Zusammenleben mit dem betroffenen Kind erleichtern sollen. So hat es sich in verschiedenen Studien als äußerst hilfreich erwiesen, dem Kind klare Regeln und einen organisierten Tagesablauf an die Hand zu geben, um im Alltag für Orientierungshilfen zu sorgen. Dabei sollten Erwachsene jedoch beachten, dass auch sie sich in diesem Fall an die aufgestellten Regeln zu halten haben, um ihre Autorität nicht zu untergraben. Zudem sollten Kinder bei positiven Verhaltensweisen durch Lob und Anerkennung ausreichende Wertschätzung erfahren, damit sie ein stabiles Selbstbewusstsein entwickeln können.
ADHS-Behandlungsmöglichkeiten ab 6 Jahren
Ist das an ADHS erkrankte Kind bereits sechs Jahre alt oder älter, können diese Therapieansätze auch durch psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsalternativen ergänzt werden. So werden manche Kinder mit Stimulanzien wie Methylphenidat behandelt. Diese helfen in etwa 80 Prozent der Fälle, das Kind zu beruhigen und ihm so den Alltag zu erleichtern. Allerdings sollten Medikamente nur in äußerst schweren Fällen und unter ärztlicher Aufsicht zur Behandlung von ADHS in Anspruch genommen werden. Entgegen der landläufigen Meinung ist ADHS im Übrigen keine Kinderkrankheit, die sich mit der Pubertät von selbst erledigt. Stattdessen leiden etwa 50 Prozent aller an ADHS erkrankten Personen auch im Erwachsenenalter an dem Syndrom. In diesen Fällen treten Hyperaktivität und Impulsivität zwar oft zurück, doch die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite bereiten den Betroffenen auch im weiteren Lebensverlauf noch häufig Schwierigkeiten.
ADHS kann nur in empathischer Zusammenarbeit mit deinem Kind erfolgen. So stärkst du eure gemeinsame Bindung:
ADHS stellt sowohl die betroffenen Kinder als auch ihre direkte Umwelt unter einen erheblichen Leidensdruck. Dabei kann dieser durch verschiedene Therapieansätze und Verhaltensregeln erheblich gelindert werden. Zwar erfordert dieser Kampf gegen ADHS von allen Beteiligten oftmals große Willenskraft, doch angesichts der positiven Entwicklung des betroffenen Kindes lohnt sich dieser Kampf allemal. Übrigens: Zu verwechseln ist ADHS nicht mit einer extrem hohen Sensibilität bei Kindern.
Bildquelle: Getty Images/Stella_E