Wenn ihr Kind aus dem Kleinkindalter heraus ist, stehen viele Eltern vor der Frage, ob sie es in einen Kindergarten schicken oder vorerst weiter zu Hause betreuen wollen, wenn das denn überhaupt möglich ist. Eine Kindergartenpflicht gibt es in Deutschland aktuell nicht. Dennoch löst das Thema seit Jahren immer wieder heftige Kontroversen aus. Hier erfährst du, was du über die Kindergartenpflicht wissen solltest.
Bin ich verpflichtet, mein Kind in den Kindergarten zu geben?
Bislang können Eltern in Deutschland selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder in den Kindergarten schicken wollen oder nicht. In Österreich gibt es seit dem Jahr 2010 bereits eine Kindergartenpflicht, die für alle Bundesländer gilt. Österreichische Eltern sind seitdem verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder ab einem Alter von fünf Jahren halbtags eine Betreuungseinrichtung besuchen. Insgesamt müssen die Kinder sich mindestens 16 Stunden pro Woche im Kindergarten oder in einem Kinderladen aufhalten. Während der Schulferien und während drei zusätzlichen Urlaubswochen dürfen sie allerdings zu Hause bleiben. Obwohl es eine solche Regelung in Deutschland bislang nicht gibt, wird auch hierzulande die Einführung einer Kindergartenpflicht immer wieder diskutiert. Bereits im Jahr 2006 sprach sich die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen für ein verpflichtendes Kindergartenjahr vor der Einschulung aus und auch der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit forderte im Jahr 2011 die Einführung einer Kindergartenpflicht.
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Die Rechtslage bezüglich einer Kindergartenpflicht
Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung. Vormals galt der Rechtsanspruch erst für Kinder ab einem Alter von drei Jahren. Ob du diesen Rechtsanspruch wahrnimmst, bleibt allerdings dir überlassen. Du hast zudem die Möglichkeit, dein Kind auch erst im Kindergarten anzumelden, wenn es vier oder fünf Jahre alt ist. Mit der Einführung einer rechtlich geregelten Kindergartenpflicht ist in Deutschland vorerst nicht zu rechnen. Die meisten Eltern lassen ihre Kinder ohnehin eine Kita besuchen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehen in Deutschland durchschnittlich 90 Prozent aller drei- bis sechsjährigen Kinder in einen Kindergarten.
Kindergartenpflicht wird kontrovers diskutiert
Obwohl mit der Einführung einer Kindergartenpflicht in Deutschland vorerst nicht zu rechnen ist, liefert das Thema seit Jahren Diskussionsstoff. Während die Befürworter*innen einer solchen Verpflichtung in ihrer Argumentation vor allem die Aspekte der Integration und der Frühförderung hochhalten, betonen die Gegner*innen einer Kindergartenpflicht, dass eine Verbesserung der Betreuungsangebote weitaus sinnvoller sei als eine Verpflichtung zum Kindergartenbesuch.
Die Vorteile einer Kindergartenpflicht
Eines der Hauptargumente, das die Befürworter*innen der Kindergartenpflicht anführen, ist die Förderung sozial benachteiligter Kinder. Denn insgesamt besuchen zwar 90 Prozent aller Drei- bis Sechsjährigen eine Kita, aber bei den restlichen zehn Prozent handelt es sich laut Angaben des Statistischen Bundesamtes überwiegend um Kinder, die aus sozial schwachen Familien kommen. Ihre Eltern weisen also ein niedriges Einkommen und Bildungsniveau auf. Gerade solche benachteiligten Kinder bedürfen aber nach Auffassung der Befürworter*innen einer besonderen Förderung, die möglichst früh erfolgen sollte, da gerade die ersten Lebensjahre entscheidend für die soziale und sprachliche Entwicklung seien.
Des Weiteren besuchen auch viele Kinder mit Migrationshintergrund seltener einen Kindergarten als Kinder ohne Migrationshintergrund. Während zwar 90 Prozent aller deutschen Kinder im Kindergartenalter eine Kita besuchen, sind es bei Kindern mit Migrationshintergrund lediglich 80 Prozent. Auch dieser Aspekt wird kritisch betrachtet, da Integration nach Auffassung der Befürworter*innen einer Kindergartenpflicht ebenfalls möglichst früh – idealerweise schon vor der Einschulung – stattfinden sollte. Der Kindergartenbesuch habe aber auch Vorteile für Kinder aus sozial starken Familien, da selbst diese Kinder zu Hause nicht so sehr gefördert und auf die Schule vorbereitet werden könnten wie im Kindergarten. Vor allem für die Entwicklung sozialer Kompetenzen sei eine Gruppe mit Gleichaltrigen von Vorteil.
Die Vorteile auf einen Blick:
- Förderung sozial benachteiligter Kinder
- Förderung der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund
- Kinder können im Kindergarten besser auf Schule vorbereitet werden, als zu Hause
Die Nachteile einer Kindergartenpflicht
Das Hauptargument der Gegner*innen einer Kindergartenpflicht betrifft den Aspekt des Zwanges. Zwar sind auch sie der Auffassung, dass die Betreuungsangebote in Deutschland ausgebaut und attraktiver gestaltet werden sollten, damit die Eltern sie auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Jedoch vertreten die Kritiker*innen auch die Meinung, dass die Eltern dies freiwillig tun sollten, anstatt per Gesetz dazu gezwungen zu werden. Würden die Betreuungsangebote verbessert, hätte dies in den Augen der Kritiker*innen zur Folge, dass noch mehr Eltern ihre Kinder ohnehin in den Kindergarten geben würden und eine Pflicht somit überflüssig wäre. Einige Gegner*innen befürchten sogar, dass eine Kindergartenpflicht sich kontraproduktiv auswirken könnte: Wenn alle Eltern ihre Kinder in die Kita schicken würden, würde dies womöglich die Anreize zur Verbesserung der Betreuungsangebote mindern.
Zudem könnten Eltern, die ihre Kinder gegen ihre Überzeugung in den Kindergarten schicken, auch durch eine rechtliche Verpflichtung nicht „bekehrt“ werden. Eine hohe Qualität der Betreuungsangebote könnte diese Eltern hingegen schon eher überzeugen. Zudem sei es sinnvoll, die Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, weil sie kein passendes Angebot gefunden haben, bei der Suche nach einem geeigneten Betreuungsplatz zu unterstützen. Ein weiteres Argument, das die Kritiker*innen der Kindergartenpflicht anführen, ist, dass die Zahl der Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, laut einer Studie der TU Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2008 ohnehin von Jahr zu Jahr sinkt. Ein letzter, nicht unbedeutender Punkt betrifft die Kosten: Viele Gegner*innen vertreten die Auffassung, dass man niemanden zum Kindergartenbesuch verpflichten könne, solange dieser nicht gebührenfrei sei.
Die Nachteile auf einen Blick:
- Eltern sollten Betreuungsangebote freiwillige nutzen, nicht aufgrund eines Zwanges
- Die meisten Eltern schicken ihre Kinder sowieso in den Kindergarten – eine Pflicht ist nicht nötig
- Man kann niemanden zu einem Kindergartenbesuch zwingen, solange dieser nicht gebührenfrei ist
Wir fassen zusammen: Ob du dein Kind in den Kindergarten schickst oder zu Hause betreust, kannst du selbst entscheiden, da in Deutschland keine Kindergartenpflicht besteht. Dennoch wird deren Einführung seit Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Während die Befürworter*innen sich für eine Kindergartenpflicht aussprechen, weil sie diese als notwendig für die Frühförderung und Integration der Kinder erachten, betonen die Gegner*innen, dass Eltern, deren Kinder keinen Kindergarten besuchen, eher mit einem attraktiven Betreuungsangebot, als mit einer rechtlich verbindlichen Pflicht überzeugt werden könnten.
Auch wenn dein Kind in den Kindergarten geht, kannst du die Bindung zu ihm mithilfe dieser Rituale stärken: