Als die Dokumentation „Elternschule“ von Jörg Adolph und Ralf Bücheler im Oktober 2018 in die deutschen Kinos kam, gab es schnell hitzige Debatten. Einige Mütter und Väter schockierte der Film so sehr, dass viele schrieben, sie hätten es kaum ausgehalten. Damals wollte man sogar mit einer Petition die Absetzung erreichen. Nun ist die Dokumentation für den Grimmepreis nominiert und der Streit bricht von neuem los.
Kaum eine Dokumentation hat in den vergangenen Jahren so viel Diskussion ausgelöst wie „Elternschule“. Aber worum geht es? Für den Film begleiteten die Regisseure mehrere Familien mit chronisch gestressten Kindern, die sich für eine stationäre Therapie mehrere Wochen in einer psychosomatischen Klinik in Gelsenkirchen aufhielten. Es geht um Kinder, die durchgehend schreien, sich nicht mehr beruhigen lassen, nicht schlafen oder essen wollen.
Ein Film über verzweifelte Eltern und Kinder
Statt Lösungswege und zeitgenössische Erziehungsmethoden zeigt der Film aber nur das Bild eines tyrannischen Kindes, eines Kindes, das die Eltern dominieren will. Die Kleinen werden ruppig von Klinikmitarbeitern von ihren Eltern getrennt, teils mit Gewalt zum Essen gezwungen und nachts stundenlang schreiend in einem Bett mit großen Gittern allein gelassen. Kritiker stören sich vor allem an den Äußerungen, dass Eltern Weinen und Schreien ignorieren sollen, weil das Kind nicht der Chef sein dürfe. Die Würde des Kindes wird verletzt. Mehrfach!
Doch das sieht die Nominierungskommission des Grimmepreises wohl anders! Denn die Dokumentation von Jörg Adolph und Ralf Bücheler wurde nun für die renommierte Auszeichnung für Fernsehsendungen in Deutschland nominiert. Die Folgen: Demonstrationen zahlreicher Kritiker und ein Arzt, der auf Grundlage des Films Anzeige wegen Verdacht auf Misshandlung von Schutzbefohlenen erstattete. Aber alles ohne Erfolg.
Das Grimme-Institut nahm nachträglich sogar Stellung zu der Nominierung und der Kritik aus dem Netz: „Bei diesem rein beobachtenden Dokumentarfilm sind die Zuschauerinnen und Zuschauer völlig auf sich allein gestellt, sie müssen selbst eine Haltung zu den dargestellten Erziehungsmethoden und deren Verfechtern finden“, schreiben die Verantwortlichen. Das mag für manche zwar ein „anstrengender und schmerzhafter Prozess sein, aber es ist eben auch eine bemerkenswerte Leistung der Filmemacher, genau so einen Prozess auszulösen.“ Weiter heißt es: „Auch wenn die Therapieform teilweise brachial und vorgestrig sein mag – die öffentliche Diskussion über die Würde des Kindes im Anschluss an diesen Film wäre sonst so nicht möglich gewesen.“
#keinepreisefuergewalt
Mamas und Papas weltweit sind sich trotzdem einig! Die Nominierung ist eine Schande. Unter dem Hashtag #keinepreisefuergewalt protestieren Eltern und Pädagogen in den sozialen Netzwerken nun gegen das Votum der Grimme-Jury. Auch der niedersächsische Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes hat sich dem Protest angeschlossen und schreibt auf seiner Webseite: „Psychische und physische Gewalt gegen Kinder ist nicht preiswürdig. Eine vermeintliche ‚neutrale Beobachtung‘ unterstütze die Legitimierung gewaltvoller Behandlungsmethoden und untergrabe Bemühungen für Kinderrechte und Kinderschutz in Deutschland.“
Am Ende sind sich alle einig, dass der Film nicht im Ansatz Tipps für eine gelungene Eltern-Kind Beziehung liefert. „Elternschule“ zeigt allenfalls, wie Kinder und ihre Eltern traumatisiert werden und dass Eltern, die in Not geraten, in unserer Gesellschaft andere Hilfe finden müssen.
Der Film „Elternschule“ ist auf Amazon Prime Video* verfügbar. Außerdem gibt es die Dokumentation auf DVD. Die Verleihung des Grimme-Preises findet am 27. März statt.
Hast du den Film „Elternschule“ bereits gesehen? Oder reichen dir die vielen Berichte schon, um dir ein Bild zu machen? Was sagst du zu der Nominierung? Gut oder unverantwortlich? Verrate uns deine Meinung gerne in den Kommentaren.
Bildquelle: Unsplash/Arwan Sutanto