Immer mehr schwangere Frauen wünschen sich eine möglichst natürliche Geburt ohne medikamentöse Behandlungen. Es ist daher auch kein Wunder, dass auch der Verzehr der eigenen Plazenta nach der Geburt immer beliebter wird. Angeblich soll Plazenta essen die Wochenbettzeit erheblich verbessern. Wir zeigen dir, was dafür und was dagegen spricht und wie die Plazenta verzehrt werden kann.
Warum Plazenta essen?
Für viele Frauen ist allein die Vorstellung, nach der Geburt auch noch die Plazenta gebären zu müssen, eklig genug. Denn die sogenannte Nachgeburt sieht aus, wie ein inneres Organ eben aussieht: schlabberig, dunkelrot und blutig. Dennoch überwinden sich immer mehr Frauen dazu, ihre Plazenta wahlweise roh, gekocht oder in Kapselform nach ihrer Geburt zu sich zu nehmen. So absurd es auf der einen Seite klingen mag, umso nachvollziehbarer wird der Vorgang bei einem Blick auf die Tierwelt. Mit Ausnahme von Menschen, Kamelen, Walen, Delfinen und Robben, verzehren die meisten anderen Säugetiere unmittelbar nach der Geburt ihre Plazenta. Als Grund dafür sehen Biolog*innen zum einen die Tatsache, dass dadurch die Spuren der Geburt schnell beseitigt werden und so vermieden wird, dass Raubtiere angezogen werden. Zum anderen würden über die Plazenta durch die Geburt verlorene Nährstoffe wie Eisen und auch Hormone wieder aufgenommen. Letztere Wirkung erhoffen sich auch viele Frauen, die planen, ihre Nachgeburt zu essen. Von manchen naturheilkundlichen und alternativmedizinischen Hebammen werden folgende Vorteile versprochen:
- Soll die Eisenwerte nach der Geburt und dem damit verbundenen Blutverlust stabilisieren
- Postnatale Depression soll dank der enthaltenen Hormone vermieden werden
- Verbesserte Muttermilchproduktion
- Mehr Energie in den Tagen nach der Geburt
Tatsächlich enthält die menschliche Plazenta Nährstoffe wie Eisen und Vitamin B12, ebenso wie die Hormone Östrogen und Progesteron. Nichtsdestotrotz gilt der Verzehr der Plazenta als umstritten, wie du im nächsten Abschnitt erfährst.
Ich hätte fast meine Plazenta gegessen ...
..., wäre meine Geburt nach Plan verlaufen. Vor der Entbindung meines ersten Kindes hatte ich mir eine möglichst natürliche Geburt in einem Geburtshaus gewünscht – und das, obwohl ich nicht per se etwas gegen die Schulmedizin einzuwenden habe und auch sonst eher kritisch auf viele Naturheilkunde-Trends blicke. Trotzdem wollte ich meinen Körper vor und nach der Geburt mit möglichst vielen hochwertigen Nährstoffen versorgen, um mich so fit wie möglich zu fühlen. Daher entschied ich mich auch nach meiner über 20 Jahre langen veganen Lebensweise, während der Schwangerschaft tierische Lebensmittel wie Eier und rohe Leber (Achtung, dies gilt ebenfalls als kontrovers und wird nur von vereinzelten Expert*innen empfohlen) zu konsumieren. Da es für mich nach so einer langen Zeit schon Überwindung genug kostete, Teile von anderen Tieren zu essen, erschien es mir weniger ekelhaft und vor allem auch weniger moralisch verwerflich, meine eigene Plazenta zu essen. Wenn diese tatsächlich so voller Nährstoffe stecke und mir die Wochenbettzeit erleichtern könnte, wollte ich lieber diese verspeisen als ein Stück von einem Tier, das dafür sterben musste.
Vor meiner geplanten Geburt im Geburtshaus hatte ich daher schon Vorbereitungen getroffen: Ich hatte zunächst geplant, meine Plazenta in Kapselform bringen zu lassen. Dafür hatte ich im Bereich Berlin eine einzige Doula gefunden, die dies für 200 Euro gemacht hätte. Der DIY-Typ der ich aber bin, dachte sich: Ach, das kann ich auch selbst und bestimmt ist es eh viel gesünder, ein Stück rohe gefrorene Plazenta einfach in einen Smoothie zu schmeißen. Also bereitete ich in den Tagen vor meiner Geburt schon eine penibel gesäuberte Arbeitsfläche in meiner Küche vor, kaufte Einweghandschuhe, Gefrierbeutel und eine neue Gefrierbox, in die meine Plazenta direkt nach der Geburt landen sollte. Dies hatte ich auch mit meinen Hebammen im Geburtshaus abgesprochen, für die mein Wunsch völlig normal klang. Allerdings lief dann leider doch nicht alles wie geplant: Aufgrund eines heftigen Wehensturms musste ich ins Krankenhaus verlegt werden. Nach einer sehr langen Entbindung winkte ich dann doch ab, als die Krankenschwestern mich fragten, ob ich meine Plazenta mitnehmen wolle. Lediglich für ein schnelles Foto hatte ich noch die Kraft. Ob der Verzehr meiner Plazenta meine Wochenbettzeit angenehmer gestaltet hätte, kann ich schlecht beurteilen, vermisst habe ich den blutigen Smoothie allerdings nicht.
Achtung: Plazenta essen kann gefährlich sein!
Die Tatsache, dass Promis wie Kim Kardashian, Hilary Duff oder Mayim Bialik ihre eigene Plazenta nach der Geburt gegessen haben und man auch immer mehr Rezepte für Plazenta-Smoothies auf Social Media findet, kann den Anschein erwecken, dass es sich hierbei um eine völlig ungefährliche Vorgehensweise handelt. Dass der Verzehr der Nachgeburt aber überhaupt Vorteile mit sich bringt, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. In einer Studie von 2017 konnten keine messbaren Vorteile bei den Müttern gemessen werden, die ihre Plazenta in Kapselform zu sich genommen hatten, im Vergleich zu denjenigen, denen ein Placebo verabreicht wurde. Ärzt*innen der renommierten amerikanischen Mayo Clinic warnen sogar vor dem Verzehr: Viren und Bakterien würden durch die gängigen Zubereitungsarten nicht zerstört. So sei ein Fall einer Mutter bekannt, die sich durch den Verzehr ihrer Plazenta-Kapseln mit Streptokokken infiziert und diese über die Muttermilch an ihr Neugeborenes weitergegeben habe.
Der fehlende Beweis über einen gesundheitlichen Vorteil und das Infektionsrisiko sprechen also gegen den Verzehr der Plazenta. Auch die Tatsache, dass es sich bei der sogenannten Plazentophagie, dem Verzehr der Nachgeburt, eben nicht um eine Jahrtausende alte Tradition handelt, sollte einem zu denken geben: Anders als oft behauptet wird, war der Verzehr der eigenen Plazenta durch die Mutter in keiner Kultur weit verbreitet. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen neueren Trend.
Um dir das Wochenbett angenehmer zu gestalten, solltest du dich vorher gut informieren. Unsere Kolleg*innen von familie.de haben die besten Tipps zusammengestellt:
Plazenta essen: Rezepte und Verzehrmöglichkeiten
Wer sich von den Risiken nicht abschrecken lässt und eine hygienische Verarbeitung sicherstellen kann, hat verschiedene Optionen zur Zubereitung. Am gängigsten und einfachsten ist der Verzehr in Form eines Smoothies. Hierfür kann die Plazenta in kleine Stücke zerteilt und eingefroren werden. Zusammen mit gefrorenen Beeren, süßen Früchten und Saft kann sowohl die Optik als auch der Geschmack der Plazenta komplett maskiert werden.
Alternativ kann die Plazenta auch in Kapselform gebracht werden. Manche Hebammen oder Doulas bieten diesen Service an. Die Plazenta wird dafür direkt nach der Geburt gereinigt, gedämpft, in Stücken getrocknet, pulverisiert und in Kapseln gefüllt. So kann die Plazenta bequem geschluckt werden.
Die wenigsten Schwangerschaftsratgeber gehen auf das Thema Plazentophagie ein. In diesem beliebten englischsprachigen Ratgeber findest du jedoch ein ganzes Kapitel zum Thema inklusive einer Anleitung, für DIY-Kapseln, Erfahrungsberichten und einem Rezept für Plazenta-Trüffel:
Ist Plazenta essen in Deutschland erlaubt?
Zunächst mag es als ganz selbstverständlich erscheinen, dass man über die eigenen Körperteile verfügen kann, wie man möchte. Manche sehen im Verzehr der Nachgeburt aber auch eine Form des Auto-Kannibalismus. Ganz unumstritten ist auch die Mitnahme der Plazenta nach der Geburt nicht. Obwohl mittlerweile viele Eltern die Plazenta zum Beispiel vergraben oder zu einem Kunstwerk trocknen lassen, handelt es sich rechtlich gesehen um eine Grauzone. Klar ist, dass die Plazenta nicht im Hausmüll entsorgt werden darf, sondern wie alle Körperteile über ein Krankenhaus fachgerecht entsorgt werden müssen. Entscheidest du dich etwa nach der Mitnahme deiner Plazenta doch dagegen, diese zu verspeisen, machst du sich strafbar, wenn du diese einfach in deinen Mülleimer wirfst.
Willst du vor und nach der Geburt alles perfekt machen oder bist du ganz entstpannt? Erfahre im Test, welcher Mutter-Typ du bist: