Erinnerst Du Dich noch daran, in welchem Alter Du Deine Ohrlöcher gestochen bekommen hast? Je nach kulturellem Hintergrund und Vorlieben der Eltern kann dies ganz unterschiedlich ausfallen. Die einen lassen schon Säuglinge ganz selbstverständlich an den Ohren piercen, die anderen warten lieber so lange, bis ihre mehr oder weniger mündigen Kinder sich selbst dazu entscheiden. Erstaunlicherweise gibt es hierzu keine gesetzlichen Richtlinien und die Entscheidung liegt somit ganz allein bei den Eltern. Wir haben nachgeforscht, was Kinderärzte zu dem Thema sagen und stellen Dir sowohl Pro- als auch Contra-Argumente vor, damit Du Dir selbst eine Meinung zu diesem kontroversen Thema bilden kannst.
Die Diskussion darum, wann Kinder alt genug für Ohrpiercings sind, erhitzt die Gemüter – und das nicht nur hierzulande. Auch in England und in den USA wird immer wieder von besorgten Eltern eine gesetzlich vorgeschriebene Altersgrenze für Ohrlöcher für Babys gefordert. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob Babys beim Ohrlochstechen einem zu hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt und ob die Schmerzen zumutbar sind. Als Gisele Bündchen Fotos ihrer 7-monatigen Tochter Vivian mit Ohrringen auf Instagram postete, war der Aufschrei groß. Doch handelt es sich hierbei vielleicht auch nur um kulturelle Differenzen? Wir geben Dir einen Einblick, wie selbstverständlich Ohrlöcher für Babys in anderen Ländern sind.
Pro: Ohrlöcher für Babies sind harmlos
Fragt man Kinderärzte nach ihrer Einschätzung zum Stechen von Ohrlöchern, stößt man in der Regel auf ein recht positives Echo. Wichtig ist natürlich, dass Babys vor dem Stechen der Ohrlöcher alle wichtigen Impfungen, insbesondere die Tetanusimpfung, bereits bekommen hat. Dass ein Piercing nur unter sterilen Bedingungen gestochen werden darf, sollte eigentlich immer klar sein, egal ob beim Säugling oder beim Erwachsenen. Da das Immunsystem eines Babys aber noch nicht vollständig ausgebildet ist, sollte beim Ohrlochstechen besonders penibel auf Hygiene geachtet werden, um Entzündungen vorzubeugen. Das heißt im Klartext: Ohrlöcher auf keinen Fall beim Juwelier mit der Ohrlochpistole schießen lassen! Diese lassen sich nämlich im Gegensatz zu Hohlnadeln nicht sterilisieren und stellen ein Infektionsrisiko dar. Viele Kinderärzte bieten daher das Stechen der Ohrlöcher an.
Viele Eltern lassen die Ohrlöcher ihres Babys in jungem Alter stechen, da sie davon ausgehen, dass besonders Mädchen diese früher oder später sowieso haben möchten. Ähnlich wie auch bei Beschneidungen wird vermutet, dass der Schmerz sowie die Erinnerung an die Prozedur wesentlich harmloser für Säuglinge ausfallen als im fortgeschrittenen Kindesalter.
Contra: Ohrlöcher für Babys sind Körperverletzung
Obwohl Ohrlöcher für Babys von den meisten Kinderärzten als unbedenklich eingestuft werden, haben viele Eltern Bedenken. Für die Meisten ist das Stechen von Ohrlöchern, im Gegensatz zu Impfungen und anderen Spritzen, ein völlig unnötiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes. In Kauf zu nehmen, einem kleinen Kind nur aus ästhetischen Gründen Schmerzen zuzufügen, käme für sie nie infrage. Zudem hat ein Säugling natürlich auch nicht die Möglichkeit zu entscheiden, ob er überhaupt Ohrlöcher haben möchte. Viele Eltern möchten ihren Kindern Entscheidungen wie diese nicht vorschreiben und warten daher, ähnlich wie mit der Taufe, bis das Kind alt genug für eine Entscheidung ist. In manchen Kulturen werden Ohrlöcher auch frühzeitig gestochen, um das biologische Geschlecht des Kindes eindeutig nach außen hin sichtbar zu machen, da oftmals nur Frauen Ohrlöcher in beiden Ohren tragen. Ein derart frühzeitiger Eingriff kann daher natürlich auch als das Aufzwingen von einer vom Kind womöglich gar nicht gewünschten Geschlechtsidentität gewertet werden.
Neben diesen Vorbehalten birgt das Ohrlochstechen durchaus auch gesundheitliche Risiken. In der Regel verläuft der Stich und das Abheilen zwar äußerst zügig und unproblematisch, aber bei unsachgemäßer Hygiene oder wenn sich das Kind häufig am Ohr herumspielt, kann es schnell zu Entzündungen des frischen Piercings kommen. Außerdem können Säuglinge genauso wie Erwachsene mit Kontaktallergien auf das Schmuckmaterial reagieren, weshalb ausschließlich Gold, Chirurgenstahl oder Titan verwendet werden sollten. Aus Sicherheitsgründen sollten, wenn überhaupt, auch nur kleine Stecker verwendet werden, die das Baby nicht alleine öffnen und womöglich verschlucken kann.
So wird es in anderen Ländern gehandhabt
Kommen wir zurück zur Diskussion um Gisele Bündchens Tochter und ihre Ohrlöcher. Die Reaktion auf den Instagram-Post war vor allem in westlichen Ländern negativ. Für das brasilianische Model wiederum mag dieser frühzeitige Eingriff wahrscheinlich gar keine große Sache gewesen sein. Denn in lateinamerikanischen Ländern ist es völlig üblich, kleinen Mädchen im Säuglingsalter Ohrlöcher zu stechen und diese bereits zur Geburt mit einer Auswahl an kleinen Ohrsteckern zu beschenken. Ähnlich sieht es in vielen Kulturkreisen Indiens aus, wo das frühzeitige Ohrlochstechen auch Teil hinduistischer Zeremonien sein kann. Und wiederum ist es in manchen jüdischen Kreisen üblich, dass junge Mädchen im Alter von wenigen Wochen ihre Ohrlöcher gestochen bekommen, als Äquivalent zum männlichen Beschneidungsritual.
Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Hast Du vielleicht auch schon in sehr jungen Jahren Ohrlöcher bekommen und hättest lieber mehr Mitspracherecht gehabt? Oder bist Du vielleicht wie ich ganz froh, dass Du so jung warst, dass Du Dich gar nicht mehr daran erinnern kannst und das Ganze recht locker siehst?
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