Die Debatte, ob man zu seinem Baby eilen sollte, sobald es schreit, oder man es lieber einfach schreien lassen sollte, lässt junge Mütter oft mit Unsicherheit zurück. Manche Experten behaupten, dass es gesund sei, zu warten, bis sich das Kind von allein beruhigt hat, während auf der anderen Seite viele Mütter stehen, die es unmenschlich finden, ein weinendes Baby einfach sich selbst zu überlassen. Doch welche Ansicht ist die richtige, oder gibt es die vielleicht gar nicht?
Babys schreien lassen: Schlaftraining nach Ferber und Weissbluth
Es gibt viele Methoden, mit denen ein Baby oder ein Kind lernen soll, von allein einzuschlafen, also ohne bestimmte Rituale oder das Beisein der Eltern. Um auch bei Schwierigkeiten durchschlafen zu können, sollen verschiedene Schlaftrainings helfen. Die zwei bekanntesten, bei welchen man das Baby schreien lässt, sind die nach Ferber und Weissbluth.
Ferber-Methode
Die Ferber-Methode, auch Ferbern genannt, stammt vom amerikanischen Kinderarzt und Neurologen Dr. Richard Ferber. Dabei wird das Kind ohne Einschlafritual ins Bett gelegt; bei jedem Weinen und Schreien dürfen die Eltern nur kurz ins Zimmer treten und dürfen das Kind dabei nicht hochnehmen. Die Intervalle der Kontrollen verlängern sich Schritt für Schritt, bis man das Kind zum Beispiel in der dritten Nacht erst nach 30 Minuten des Schreiens wieder besucht. Bereits nach einer Woche soll das Kind dann vollständig durchschlafen können.
Unmodifizierte Entwöhnung
Die unmodifizierte Entwöhnung, von dem amerikanischen Kinderarzt Marc Weissbluth entwickelt und auch „Cry It Out“ („Ausschreien lassen“) genannt, ist die wohl radikalste Methode des Schlaftrainings. Dabei wird das müde Kind ins Bett gelegt und von nun an für die gesamte Nacht alleingelassen. Selbst stundenlanges Weinen und Schreien soll ignoriert werden, bis das Kind letztendlich einschläft. Lediglich in einer Notsituation wie dem Erbrechen darf zur Hilfe geeilt werden. Laut Studien soll diese Methode sehr effizient sein und bereits nach wenigen Tagen Erfolge zeigen.
Kritik: Warum man sein Baby nicht schreien lassen sollte
Wenn ein Baby für längere Zeit weint und nicht einschlafen kann, sind Eltern oft ratlos. Gerade im ersten Jahr mit Kind fühlen sich Mütter und Väter schnell ausgelaugt, leiden unter Schlafmangel und finden kaum Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse. Natürlich bist du keine schlechte Mutter, wenn du gerade einer Tätigkeit nachgehst und nicht sofort springst, wenn dein Baby schreit. Nimm dir ruhig ein paar Minuten, bis du ihm deine volle Aufmerksamkeit schenken kannst.
Die Problematik mit dem Einschlafen ist jedoch eine andere. Mittlerweile gibt es viele Schlaflernhilfen, welche den Kindern das Einschlafen „beibringen“ und die Eltern so entlasten sollen. Sind die Eltern ausgeruhter, soll sich dies auch positiv auf das Kind auswirken. Dennoch fällt es vielen Müttern und Vätern schwer, die Methoden nach Weissbluth oder Ferber an ihrem Baby durchzuhalten. Es kommt ihnen grausam und egoistisch vor, die Schreie ihres Kindes zu ignorieren, sie machen sich Vorwürfe und leiden unter der Situation. Zudem fürchten sie, dass durch diese Konzepte das so wichtige Verhältnis zwischen Mama und Kind gestört wird. Diese Formen des Einschlaftrainings werden unter anderem wegen dieser Punkten stark kritisiert:
# Falsche Kommunikation
Wenn ein Baby schreit, dann nicht mit Absicht oder aus Böswilligkeit. Viele Eltern sind mit ihren Nerven so am Ende, dass sie durch das ständige Schreien eine Haltung gegen ihr Kind einnehmen und eine regelrechte Wut auf es projizieren. Solche vorübergehenden Gedanken sind normal, sollten aber stets reflektiert werden. Denn das Baby will niemanden ärgern, es schreit, weil es sich nicht aus seiner Situation befreien kann und nicht versteht, warum es alleine ist. Wird die Ferber-Methode oder die nach Weissbluth angewandt, wird die einzige Kommunikationsmöglichkeit, die der Säugling in diesem Moment seiner Mutter entgegenbringen kann, gestört. Resignation und Verzweiflung können die Folge sein.
# Mangelnde Nähe
Ein Säugling braucht im wachen Zustand stets den Schutz und die Anwesenheit der Eltern. Wenn er längere Zeit wach liegt und allein ist, sendet man ihm das Signal, dass er nicht unterstützt wird und keine Hilfe bekommt, um aus seiner Situation zu entkommen. Ein Baby hat noch kein Ich-Bewusstsein entwickelt, das heißt, es fühlt sich plötzlich allein und weiß nicht, dass die Eltern direkt nebenan und bald wieder an seinem Bett sind. Dies kann für den Säugling die schlimmste Situation darstellen: Einsamkeit, Hilflosigkeit und Ungewissheit.
# Stress für das Kind
Wenn man das Baby sich selbst überlässt, also es einfach schreien lässt, steigen Panik und somit Stress in ihm auf. Werden die Stresshormone über einen längeren Zeitraum und jede Nacht erneut bei Einschlafproblemen ausgeschüttet, kann das Kind anfälliger für Krankheiten werden. Bei uns Erwachsenen kann zu viel Stress bekanntermaßen sogar zu Depressionen führen. Wird ein weinendes Kind in den Arm genommen, wird jedoch das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin freigesetzt und die Stresshormone werden wieder abgebaut. Laut der Ferber-Methode ist das Hochnehmen des weinenden Kindes jedoch nicht erlaubt, wodurch sich der Stress nicht abbauen kann. Das Weinen und Schreien hören dann erst auf, wenn das Baby zu erschöpft ist.
# Langzeitfolgen
Die Langzeitfolgen der Ferber-Methode sind noch nicht ausreichend erforscht. Dennoch gehen viele Kinderpsychologen davon aus, dass sie negative Folgen auf das Kind haben kann. Seine psychische Entwicklung kann durch die fehlende Zuwendung der Eltern und das hohe Stresslevel im Babyalter beeinflusst werden und auch aus sozialer Hinsicht können in manchen Fällen späte Folgen wie das Entstehen von Verlustangst zu erwarten sein.
Besser: Das Schlafverhalten des Kindes verstehen lernen
Wenn ein Kind nur einschlafen kann, wenn Mama oder Papa es beruhigen oder es dann sogar immer noch laut weint, muss eine Lösung her. Denn feststeht: Früher oder später müssen die Schlafprobleme des Schreibabys beseitigt werden, damit Kind und Eltern zur Ruhe kommen können. Diese Aspekte sind dabei wichtig:
- Es ist unbedingt notwendig, sich intensiv mit der Schlafentwicklung von Kindern auseinanderzusetzen, vor allem im ersten Lebensjahr.
- Schlaflernprogramme sollte man erst nach dem zwölften Lebensmonat beginnen. Vor allem die Ferber-Methode sowie die unmodifizierte Entwöhnung sind für Säuglinge nicht geeignet.
- Ist das Verhältnis zwischen Mutter und Kind ohnehin gestört, sollte definitiv vom von beiden Konzepten abgesehen werden.
- Der zuständige Kinderarzt oder eine Hebamme kann dabei helfen, die am besten geeignete Methode zu finden.
- Es gibt Beratungsstellen, die eine Schlafberatung anbieten und eine große Unterstützung sein können.
- Jedes Kind ist anders; dementsprechend individuell sind auch seine Bedürfnisse.
- Es ist wichtig, mögliche Ursachen für das Schreien zu ermitteln. Von den Eltern übertragener Stress, Umgebungsfaktoren, Überreizungen oder Erkrankungen können Gründe sein, welche die Einschlafprobleme auslösen.
- Leidet das Baby oder das Kind unter massiven Einschlafproblemen und weint länger als eine Stunde, sollte ein Arzt hinzugezogen werden.
Niemand zwingt dich, dein Baby schreien zu lassen. Wenn es starke Einschlafprobleme hat oder nicht durchschlafen kann, gibt es gute Alternativen und sanftere Methoden, mit denen es mit der Zeit selbstständig zur Ruhe finden kann. Wichtig ist, dass du ihm dennoch die Liebe schenkst, die es verdient und den bestmöglichen Weg findest, ihm beim Schlafen zu helfen.
Bildquellen: iStock/FamVeld/quintanilla/Handemandaci/Halfpoint/Nadezhda1906
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