Irgendwie haben wir ihn mit der Zeit beinahe lieb gewonnen, den Hipster. Vor allem in den hippen Großstädten dieser Welt formten die Jutebeutel-tragenden Individualisten eine Spezies, die von den einen als Hassobjekt verpönt und von den anderen als Kreative mit enormem Insiderwissen gefeiert wurden. Doch mit den schluderigen, gut gebildeten Künstlern, die ihr Geld vorrangig in Coffee Shops und Sperrmüllbars verdienen, ist nun Schluss, denn eine neue, karrierestrebende Elite ist im Anmarsch. Was es mit den reichen Yuccies, die im existierenden Kapitalismus nach Erfolg streben, wirklich auf sich hat, erfahren Sie hier und in unserer Fotoshow .
Plötzlich sind die, die immer individueller als alle anderen sein wollten, zum verhassten Mainstream mutiert. Langsam muss also ein neuer Trend her, um sich wieder einer revolutionären, wirklich individuellen Gruppe anschließen zu können.
Wer war nochmal der Hipster?
Hipster: Hornbrillen, Jutebeutel, XXL-Pullis, Skinny-Jeans, Hüte, Karohemden und bedeutungsvolle Tätowierungen, ein Bild Frau, welches sich mittlerweile wohl in jeder großen Stadt erkennen lassen dürfte. Noch signifikanter sind jedoch männliche Hipster, die ihre Kreativität vollbärtig und in viel zu engen Hosen der Welt preisgeben. Hipster sind Menschen, die nach Individualismus streben, sich gegen die viel zu kapitalistische Gesellschaft stellen und ihre Abneigung gegen die Norm in eben jenem angesagten Erscheinungsbild äußern.
Sie entspringen meist der Jugendkultur der 90er-Jahre, die oft als alternativ bezeichnet wurde und den verschwenderischen Konsum von Grund auf ablehnte. Als eigentlich unscheinbare Randgruppe entwickelten sich die Hipster von einer schlichten Modeerscheinung zu verhassten Witzfiguren.
Heute ist der Hipster allerdings ein vollkommen überaltertes Modell. Wollte die Spezies ja eigentlich so unsagbar individuell sein, sich ihrer Kreativität widmen, ohne sich dem Konsum zu ergeben, tragen heute auch Politiker Hornbrillen, ein iPhone besitzt gefühlt jeder Zweite und auch Jutebeutel und Karohemden sind en vogue. Es muss also für alle Individualisten, die wirklich welche sind, ein neuer Name her, mit dem sie sich identifizieren können. Denn ohne eindeutige Personendefinitionen geht heute sowieso nichts mehr.
Der schon jetzt verhasste Yuccie
Dass der Hipster mittlerweile nur noch ein bedeutungsloses Sammelsurium von rein äußerlichen Merkmalen ist, hat auch der amerikanische Autor David Infante erkannt. Er fordert mit einem Artikel auf Mashable, dass die weltgewandten, modebewussten, kreativen und (Achtung!) erfolgreichen Aufstrebenden von heute einen neuen Namen bekommen, denn Hipster sind sie nicht, auch wenn sie wie solche aussehen.
Infante erfindet den Begriff Yuccie („Young Urban Creative“) für sich und alle ihm Gleichgesinnten. Er ist ein 26-jähriger Autor der alle hinterfragenden und im höheren Mittelstand der Generation Y aufgewachsenen Jugendkultur. Er fährt Rad, hat einen Schnurrbart und ist kreativ. Ein Hipster eben, werden nun viele denken.
Und genau hier wird der Unterschied zwischen einem Yuccie und einem Hipster deutlich: Im Gegenteil zum Hipster macht der Yuccie nämlich etwas aus seinem Insiderwissen. Er ist mit dem Gedanken groß geworden, dass sein vielfältiger, äußerst individueller Ideenstrom Anerkennung und Entlohnung verdient hat.
Die Zusammenkunft von Hipster und Yuppie
Der Yuccie hat beides miterlebt, den Yuppie („Young Urban Professional“), das egoistische und reiche Monster der 90er-Jahre, und den irgendwie erfolglosen, aber durchaus kreativen und ambitionierten Hipster. Yuccies sahen, wie gut aussehende Hipster in Hinterhof-Idylle Flohmärkte organisierten, Club Mate tranken und dabei von Songs unbekannter Musiker begleitet wurden. Sie sahen aber auch, wie ganz normale Persönchen auf einmal dank des Bloggen millionenschwer wurden. Und jetzt wollen sie beides: Den Erfolg der Yuppies und die Verwirklichung kreativer Ergüsse, wie es sich Hipster wünschen. Beide Sachen vereinen Yuccies jedoch in einem sinnvollen Job.
Dabei steht dem Yuccie jedoch nicht seine eigene Individualität im Vordergrund, sondern der Gedanke, den realen Kapitalismus für den Erfolg seiner Ideen zu nutzen. Er will Eindruck hinterlassen und sucht Bestätigung. Im Endeffekt ist er sehr egoistisch, verfolgt utopische Vorstellungen und greift nach unerreichbaren Zielen. Yuccies sind Menschen, die sich selbst sehr wichtig sind und noch nie wirklich in finanzieller Not steckten. Sie gehen ins Restaurant und essen dort ihr Tofu, weil es eben dort schmeckt und sie viel Geld ausgeben können. Das bringt Bestätigung, die man durch Plattformen wie Instagram bestenfalls verdreifacht, indem man sein teures, super-gesundes Essen fotografiert und teilt.
Hipster würden die Yuccies hassen
Eigentlich würden Hipster Yuccies hassen und das, obwohl sie ihnen rein äußerlich zum Verwechseln ähnlich sind. Hipster würden es hassen, dass Yuccies mit ihrer Kreativität massig Geld verdienen und in ihrem eigenen, schnieken Büro sitzen. Hipster würden Yuccies mit hasserfülltem Blick hinterherschauen, wenn sie das Indie-Festival verlassen, um im schicken Nobelhotel zu nächtigen. Und sie würden es verachten, dass die Klamotten der Yuccies ebenso cool sind, von High-Fashion-Darlings designt, jedoch locker das Fünffache der Hipster-Mode kosten. Tätowiert wie Hipster sind Yuccies allerdings nicht, zumindest nicht sichtbar, denn das würde sie in manchen Karrieresparten am Erfolg hindern. Ein weiterer Hasspunkt.
Was tatsächlich aus David Infantes neuer Wortschöpfung wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass dem Autor schon jetzt allerhand Aufmerksamkeit vergönnt ist, sein Artikel weltweit die Runde macht und sich sicher auch ein paar Leser begeisternd nickend der neuen Trendgruppe „Yuccie“ anschließen. Irgendwie scheint der Yuccie allerdings real zu sein, schließlich ist es schier unmöglich, dem Drang der erfolgreichen Selbstverwirklichung nicht nachzugehen, wenn man doch all diese Nobody-Millionäre hat groß werden sehen. Auch Hipster werden eben einmal erwachsen.