Das Konzept des „inneres Kinds“ ist in der Psychologie weit verbreitet und beschreibt den Teil unserer Persönlichkeit, der aus unseren Kindheitserfahrungen entstanden ist. Doch wie zeigt sich das innere Kind? Und was macht mein inneres Kind mit mir, welchen Einfluss hat es auf mein Leben? Wir erklären dir fünf Verhaltensweisen mitsamt Beispielen, die darauf hindeuten, dass dein inneres Kind aktiv ist und dein Verhalten beeinflusst.
#1
Wenn du dich in bestimmten Situationen oder bei Kommentaren anderer Menschen plötzlich unverhältnismäßig stark emotional fühlst, könnte dein inneres Kind am Werk sein. Vielleicht reagierst du auf Kritik mit übermäßiger Wut oder Traurigkeit, oder fühlst dich bei Konflikten schnell überfordert. Diese intensiven Gefühlsausbrüche stammen oft aus unverarbeiteten Kindheitserlebnissen.
Beispiel: Stell dir vor, dein Boss gibt dir Feedback zu einem Projekt. Anstatt die Kritik sachlich aufzunehmen, fühlst du dich plötzlich tief verletzt und hast das Bedürfnis zu weinen oder wütend zu werden. Diese Reaktion könnte von deinem inneren Kind stammen, das vielleicht in der Kindheit gelernt hat, dass Kritik gleichbedeutend mit „nicht gut genug sein“ ist.
#2
Fällst du immer wieder in ähnliche, unbefriedigende Beziehungsmuster, sei es in Partnerschaften, Freundschaften oder am Arbeitsplatz? Dein inneres Kind könnte dafür verantwortlich sein. Es wiederholt oft die erlernten Verhaltensmuster aus der Kindheit, um sich zu schützen oder um Aufmerksamkeit zu bekommen – auch wenn diese Strategien im Erwachsenenalter nicht mehr funktional sind.
Beispiel: Wenn du in deiner Kindheit erlebt hast, dass Liebe an Bedingungen geknüpft war, könnte dein inneres Kind dich dazu bringen, in Beziehungen ständig nach Bestätigung zu suchen oder dich übermäßig anzupassen, um geliebt zu werden. Du merkst vielleicht, dass du immer wieder Partner*innen wählst, die emotional distanziert sind, weil dir dieses Muster aus der Kindheit vertraut ist.
#3
Wenn du dich dabei ertappst, dass du ständig „Ja“ sagst, obwohl du eigentlich „Nein“ sagen möchtest, könnte dein inneres Kind Angst vor Ablehnung oder dem Verlust von Liebe haben. Diese Angst stammt oft aus Kindheitserfahrungen, in denen Liebe an Bedingungen geknüpft war.
Beispiel: Eine Freundin bittet dich, ihr am Wochenende beim Umzug zu helfen. Obwohl du eigentlich erschöpft bist und Zeit für dich brauchst, sagst du zu. Dein inneres Kind hat vielleicht gelernt, dass es nur gemocht wird, wenn es immer für andere da ist. Die Angst, abgelehnt zu werden, wenn du „Nein“ sagst, kann überwältigend sein.
Im Video: So spannend und heilsam ist Journaling
Journaling ist eine tolle Möglichkeit, am Ende des Tages auf Reset im Gehirn zu klicken und das Erlebte (positiv wie negativ) zu verarbeiten. Wie du dabei am besten vorgehst, zeigen wir dir im Video.
Tipp: Und wenn du direkt selbst loslegen willst, können wir dir dieses 6-Minuten-Tagebuch ans Herz legen.
#4
Übermäßiger Perfektionismus und harte Selbstkritik sind häufig Anzeichen eines aktiven inneren Kindes. Wenn du dich ständig unter Druck setzt, alles perfekt zu machen, und dich für kleine Fehler extrem verurteilst, könnte dies auf ein inneres Kind hindeuten, das in der Vergangenheit gelernt hat, dass es nur durch Perfektion Anerkennung und Liebe verdient.
Beispiel: Du hast eine Präsentation bei der Arbeit gehalten, die von allen gelobt wurde. Trotzdem fokussierst du dich auf den einen kleinen Versprecher, den du hattest, und kannst die positiven Rückmeldungen nicht annehmen. Dein inneres Kind könnte hier die Botschaft verinnerlicht haben, dass nur absolute Perfektion gut genug ist.
#5
In stressigen oder emotional aufgeladenen Situationen kann es passieren, dass wir plötzlich in kindliche Verhaltensweisen zurückfallen. Vielleicht bemerkst du, dass du in Konflikten schmollst, trotzig wirst oder dich zurückziehst, anstatt erwachsen, bzw. reflektiert zu kommunizieren. Dies sind typische Anzeichen dafür, dass dein inneres Kind die Kontrolle übernommen hat.
Beispiel: In einer hitzigen Diskussion mit deinem Partner oder deiner Partnerin merkst du plötzlich, wie du die Arme verschränkst, den Blickkontakt vermeidest oder sogar mit einem trotzigen „Ist mir doch egal!“ reagierst. In diesem Moment hat dein inneres Kind die Oberhand gewonnen und greift auf alte Schutzmechanismen zurück, anstatt in einen konstruktiven Dialog zu treten.
So arbeitest du mit deinem inneren Kind
Das Erkennen dieser Anzeichen ist der erste Schritt zur Heilung deines inneren Kindes. Es geht darum, diese Muster bewusst wahrzunehmen und zu verstehen, woher sie kommen. Versuche, deinem inneren Kind mit Mitgefühl und Verständnis zu begegnen, anstatt es zu unterdrücken.
Eine hilfreiche Übung kann sein, dir in solchen Momenten vorzustellen, wie du dein jüngeres Selbst trösten und ihm die Unterstützung geben würdest, die es damals gebraucht hätte. Frage dich: „Was hätte ich als Kind in dieser Situation gebraucht?“, und versuche, dir das jetzt als Erwachsene zu geben.
Übungen wie Meditation, Journaling oder der imaginäre Dialog mit deinem jüngeren Selbst können helfen, eine gesunde Beziehung zu deinem inneren Kind aufzubauen. In besonders herausfordernden Fällen kann auch professionelle Unterstützung durch einen Therapeuten wertvoll sein.
Denk daran: Dein inneres Kind ist ein wichtiger Teil von dir. Es zu heilen und zu integrieren, kann dir helfen, ein erfüllteres und authentischeres Leben zu führen. Mit der Zeit und Übung kannst du lernen, die Bedürfnisse deines inneren Kindes wahrzunehmen und gleichzeitig als Erwachsener angemessen zu handeln.
Mehr über (negative) Glaubenssätze, wie sie uns beeinflussen und wir sie endlich überschreiben können, haben wir von einer Expertin hier erfahren.
Lesetipp: Stefanie Stahl - Das Kind in dir muss Heimat finden
Spätestens seit Autorin und Psychotherapeutin Stefanie Stahl hat mit ihrem Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ monatelang die Spiegel-Bestseller-Liste angeführt hat, ist die Arbeit mit dem inneren Kind populär und jedem zugänglich geworden. Denn laut Stahl lassen sich durch die Arbeit mit dem inneren Kind fast alle Probleme lösen.
Wenn dich also die Arbeit mit deinem inneren Kind interessiert und du noch mehr über dein Schattenkind, Glaubenssätze, Schutzstrategien und vieles mehr herausfinden möchtest, können wir dir das Buch von Stefanie Stahl ans Herz legen. Auch ein dazugehöriges Arbeitsbuch hat die Psychotherapeutin herausgebracht.