Es ist etwa 16 Jahre her, dass ich das letzte Mal Käse gegessen habe. Als ich 14 Jahre alt war, entschied ich mich – vom einen auf den anderen Tag – vegan zu leben. Dass ich es so lange durchziehen würde, hätte ich nie gedacht, denn eigentlich hatte ich keinen Plan von Veganismus. Weder ein aufrüttelnder Film noch eine inspirierende Bloggerin hatten mich überzeugt, sondern eine ganz banale Wette. Was ich daraus gelernt habe? Wenn du willst, kannst du ab morgen vegan leben!
Vegan zu leben ist für mich mittlerweile zu einer Gewohnheit geworden. Ich liebe es, zu essen, trotzdem trauere ich einst heiß geliebten Lebensmitteln wie Mozzarella oder Omelette nicht hinterher. Auf tierische Produkte zu verzichten ist für mich ganz selbstverständlich geworden, fast so, als wären Fleisch, Milch und Eier nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt.
Vegan = Verzicht?
Dass mir das so leicht fällt, verwundert mich manchmal selbst, denn ich lebe alles andere als enthaltsam: Ich würde niemals eine Diät machen, liebe Kohlenhydrate und finde, dass das Leben zu kurz ist, um fettarme Pommes aus der Heißluftfritteuse zu essen.
Wie man es auch dreht und wendet, muss man als Veganerin aber auf zahlreiche Dinge verzichten. Dieser Gedanke, dieses „Ich darf jetzt nie wieder Käse essen!“ wirkt sicherlich für jeden, der mit dem Gedanken spielt, Veganer zu werden, abschreckend. Aus meiner Erfahrung habe ich aber gelernt, dass man die Macht der Gewohnheit nicht unterschätzen sollte.
Das Buch, das mich zur Vegetarierin gemacht hat
Um deutlich zu machen, dass es gar nicht so schwer ist, vegan zu leben, muss ich kurz meinen vegetarisch-veganen Werdegang skizzieren. Keine Angst, ich werde dich nicht mit Bildern zerschredderter Küken oder traurig dreinblickenden Milchkälbern bombardieren. Obwohl ich schon im Grundschulalter mit dem einen oder anderen Tierschutz-Thema vertraut war, war es ein Pferderoman, der mich mit 11 Jahren zur Vegetarierin gemacht hat.
In „Reiterhof Birkenhain“* gab es nämlich ein rebellisches Mädchen, das ungefähr so alt war wie ich damals und schon Vegetarierin war. Damit war ich vorher noch nie konfrontiert worden, denn ich dachte, dass man solch eine Entscheidung als Kind noch gar nicht treffen könnte. Ganz schüchtern fragte ich also meine Mutter, ob ich Vegetarierin werden könnte und zu meiner großen Überraschung war sie einverstanden. Das war ja einfach!
Vom Vegetarismus zum Veganismus
Mit meinem Verzicht auf Fleisch war ich in meiner Familie und in meinem Freundeskreis allein, bis ich in der 5. Klasse eine Freundin fand, die auch Vegetarierin war. Wir wurden bald beste Freundinnen und entdeckten gemeinsam die Goth-, Punk- und Hardcoreszene, in der es nicht nur viele Vegetarier, sondern auch Veganer gab. Uns erschien das zwar konsequent und bewundernswert, aber auch ganz schön extrem: Was bitte kann man denn dann noch essen? Wohl gemerkt war das auch noch in einer Zeit, in der es bei Aldi noch keine Sojamilch und veganen Aufstriche oder vegane Tiefkühlpizza bei Lidl gab.
Spezielle vegane Produkte gab es in unserem hessischen Kaff ausschließlich im Reformhaus. Gerade deswegen reizte es uns, eine Wette abzuschließen (heute nennt man so etwas wohl „Vegan Challenge“): Wer von uns schafft es, eine Woche lang vegan zu leben? Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern, was der Wetteinsatz war, das ist aber eh egal, da wir beide problemlos eine Woche lang vegan leben konnten.
Wir ernährten uns zwar anfangs viel von Vollkornbrot mit Tomatenmark (was wirklich besser schmeckt, als es klingt), aber lernten mit der Zeit, dass es sehr viel mehr vegane Gerichte gibt, als wir dachten. Es erschien uns sogar so einfach, dass wir einfach weiter machten: Meine Freundin einige Jahre, ich bis zum heutigen Tag.
Vor 16 Jahren gab es nur wenige Produkte in Supermärkten, die explizit vegan vermarktet wurden. Viele Süßigkeiten enthalten aber ohnehin keine tierischen Produkte:
Vegan werden ist nicht schwer
Auf die Gefahr hin, wie ein Motivations-Coach zu klingen: Wir denken allzu oft, dass etwas schwer oder unmöglich wäre, ohne es überhaupt auszuprobieren. Vielleicht fiel es mir so leicht, vegan zu leben, weil ich mir erst mal ein kleines Ziel gesteckt hatte. Nachdem die erste Woche „überstanden“ war, schien es plötzlich gar nicht mehr so schwierig, einfach weiterzumachen.
Es braucht zwar Zeit, seinen Geschmackssinn zu trainieren, aber irgendwann verspürt man tatsächlich keine Lust mehr auf tierische Produkte: Beim Geruch von heißer Milch oder angebratenem Hackfleisch wird mir schlecht, obwohl ich früher bestimmt einen halben Liter Kuhmilch am Tag getrunken habe und wie jedes Kind Spaghetti Bolognese mochte. Und wenn ich doch Lust auf ein Omelette oder Kinder Bueno verspüre, rufe ich mir einfach ins Gedächtnis, warum ich in erster Linie Veganerin geworden bin: Aus Empathie zu den Tieren. Wer diesen Denkprozess verinnerlicht und wirklich vegan leben will, kann schon morgen damit anfangen.
Bildquelle: Anna Düe, iStock/Aleksandra Baranova