Wertschätzung zu erfahren ist wie Nahrung für unsere Seele. Sie gibt uns das Gefühl, gesehen zu werden, wichtig zu sein und einen Platz in der Welt zu haben. Anerkennung ist ein zentraler Faktor für unsere mentale Gesundheit und unser Selbstwertgefühl. Obwohl dieses Bedürfnis so elementar ist, leiden viele Menschen unter einem Mangel an Anerkennung – sei es im Job, in der Partnerschaft oder im Freundeskreis.
Das Tückische daran: Oft haben wir uns so sehr an diesen Zustand gewöhnt, dass wir ihn als normal empfinden. Wir arrangieren uns mit der Situation und merken gar nicht mehr, wie sehr uns eigentlich die Wertschätzung fehlt. Unser Körper und unsere Psyche senden jedoch Signale, die wir als Hinweise verstehen können. Die folgenden Fragen können dir zeigen, ob du zu den Menschen gehörst, die mehr Anerkennung verdienen und unbewusst darunter leiden, dass sie zu kurz kommen.
#1
Fällt es dir schwer, Komplimente anzunehmen?
„Ach, das war doch nichts Besonderes“ – „Da übertreibst du aber“ – „Das hätte jeder gekonnt“: Wenn dich jemand lobt, winkst du ab oder suchst sofort nach Gründen, warum das Lob nicht gerechtfertigt ist? Menschen, die selten Wertschätzung erfahren, haben oft verlernt, Anerkennung überhaupt anzunehmen.
Das Kompliment passt nicht zu ihrem Selbstbild und erzeugt eine kognitive Dissonanz – ein unangenehmes Gefühl, das wir schnell auflösen wollen, indem wir das Lob entwerten oder zurückweisen. Ein typisches Beispiel: Die Kollegin lobt deine Präsentation, und statt einfach „Danke" zu sagen, erklärst du sofort, was alles noch besser hätte sein können oder dass du nur Glück hattest.
Diese Abwehrhaltung hat oft tiefe Wurzeln: Vielleicht hast du früh gelernt, dass Eigenlob unangemessen ist, oder du wurdest enttäuscht, wenn du dich über Anerkennung gefreut hast, die dann zurückgenommen wurde. Dabei wäre es wichtig, einen Moment innezuhalten und die positiven Worte wirken zu lassen – sie sind wie kleine Geschenke, die du dir selbst verweigerst, wenn du sie nicht annimmst.
#2
Erledigst du ständig mehr als deinen Anteil?
Ob im Haushalt, bei Gruppenprojekten oder im Job – übernimmst du regelmäßig mehr Aufgaben als eigentlich dein Part wären? Fühlst du dich verantwortlich, wenn etwas liegen bleibt, auch wenn es nicht deine Aufgabe ist? Denkst du oft: „Wenn ich es nicht mache, macht es keiner“?
Dieses Verhaltensmuster deutet oft darauf hin, dass du versuchst, durch Leistung die Wertschätzung zu erlangen, die dir sonst fehlt. Du hoffst unbewusst, dass jemand deinen Einsatz bemerkt und endlich anerkennt. Es ist wie bei einem Kind, das gute Noten nach Hause bringt und darauf wartet, dass die Eltern stolz sind – nur dass du dieses Muster ins Erwachsenenleben übertragen hast.
Ein typisches Szenario: In deiner WG bist du diejenige, die immer die Küche aufräumt, obwohl ihr einen Putzplan habt. Oder bei der Arbeit bleibst du regelmäßig länger, um die Präsentation noch einmal zu überarbeiten, während die Kollegen pünktlich Feierabend machen. Doch meist führt dies in einen Teufelskreis, in dem immer mehr von dir erwartet wird, ohne dass die ersehnte Anerkennung folgt. Im Gegenteil: Deine Mehrarbeit wird mit der Zeit als selbstverständlich angesehen und fällt nur noch auf, wenn du sie einmal nicht leistest.
#3
Entschuldigst du dich ständig?
„Tut mir leid, dass ich störe ...“ – „Entschuldige, dass ich nachfrage ...“ – „Sorry, ich wollte nicht ...“ Wenn du dich für deine bloße Existenz entschuldigst oder ständig das Gefühl hast, anderen zur Last zu fallen, könnte dies ein Zeichen sein. Menschen, die zu wenig Wertschätzung erfahren, neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse als weniger berechtigt anzusehen als die anderer. Sie entschuldigen sich vorsorglich, um Ablehnung zu vermeiden, und signalisieren damit unbewusst: „Ich bin es nicht wert, gesehen zu werden.“
#4
Hast du Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen?
Fällt es dir schwer, „Nein“ zu sagen, auch wenn du eigentlich keine Kapazitäten mehr hast? Menschen mit einem Mangel an Wertschätzung fürchten oft, dass sie nur durch ihre Verfügbarkeit und Hilfsbereitschaft einen Platz im Leben anderer haben. Die Angst, abgelehnt zu werden, wenn man einmal nicht funktioniert wie erwartet, ist groß. Doch gerade diese fehlende Abgrenzung führt dazu, dass die eigenen Bedürfnisse chronisch zu kurz kommen – und andere es als selbstverständlich ansehen, dass du immer zur Verfügung stehst.
#5
Fällt es dir schwer, um Hilfe zu bitten?
„Ich schaffe das schon alleine“ – dieser Gedanke ist dir vermutlich sehr vertraut. Vielleicht schleppst du lieber alle Einkaufstüten auf einmal nach Hause, anstatt jemanden um Unterstützung zu bitten. Oder du quälst dich wochenlang mit einem Problem, anstatt einen Kollegen oder eine Kollegin um Rat zu fragen.
Menschen, die selten Wertschätzung erfahren, haben oft gelernt, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Sie glauben unbewusst, dass ihre Bedürfnisse anderen nicht wichtig sind, und vermeiden es daher, überhaupt darum zu bitten, dass diese erfüllt werden. Die Angst vor Ablehnung oder davor, als inkompetent zu gelten, spielt dabei eine große Rolle.
Ein weiterer Aspekt: Wer nicht gelernt hat, dass seine Bedürfnisse wichtig sind, entwickelt oft ein übermäßiges Verantwortungsgefühl für andere. „Ich will niemandem zur Last fallen“ ist ein Satz, der tief sitzt und selbst dann wirkt, wenn andere dir gerne helfen würden. Du möchtest zwar für andere da sein, erlaubst ihnen aber nicht, dasselbe für dich zu tun. Paradoxerweise entsteht durch das Bitten um Hilfe oft Nähe und gegenseitige Wertschätzung, da du dem anderen zeigst, dass du ihm vertraust und seine Fähigkeiten schätzt.
Unser Ratschlag:
Wertschätzung ist keine Einbahnstraße – sie beginnt bei dir selbst. Nimm dir Zeit, um zu reflektieren, wo du mehr Anerkennung verdienst und wie du diese einfordern kannst. Oft hilft es, kleine Schritte zu machen: Lerne, Komplimente anzunehmen, ohne sie abzuwerten. Ein einfaches „Danke“ kann der erste Schritt sein, selbst wenn es sich zunächst ungewohnt anfühlt.
Versuche, deine Erfolge sichtbar zu machen, ohne dich dafür zu entschuldigen. Führe ein „Erfolgs-Tagebuch“, in dem du auch kleine Fortschritte und positive Erlebnisse festhältst. Diese Sammlung kann dir an schlechten Tagen helfen, deine eigenen Qualitäten wieder wahrzunehmen.
Umgib dich mit Menschen, die deine Qualitäten sehen und schätzen. Achte bewusst darauf, wie du dich nach Begegnungen mit bestimmten Personen fühlst: Gibt es Menschen, nach deren Treffen du dich regelmäßig kleiner, erschöpfter oder weniger wertvoll fühlst? Manchmal ist es notwendig, Beziehungen – beruflich wie privat – zu überdenken, wenn sie dauerhaft von mangelnder Wertschätzung geprägt sind.
Und vor allem: Übe dich in Selbstwertschätzung. Behandle dich selbst mit derselben Freundlichkeit und Geduld, die du guten Freund*innen entgegenbringen würdest. Erkenne deine eigenen Stärken und Leistungen an, ohne auf Bestätigung von außen zu warten. Statt „Ich hätte das besser machen können“ versuche „Ich habe mein Bestes gegeben unter den gegebenen Umständen.“ Denn die Art, wie wir mit uns selbst umgehen, prägt maßgeblich, wie andere uns behandeln. Es mag ein längerer Prozess sein, aber jeder Schritt in Richtung gesunder Selbstwertschätzung lohnt sich – für dein Wohlbefinden und für die Qualität deiner Beziehungen.
Diese Alltagsmomente lassen dich erkennen, wer dich wirklich wertschätzt
Oft sind es die kleinen Gesten im Alltag, die zeigen, wie sehr dich jemand als Mensch wertschätzt. Welche dazu gehören, liest du hier.