Geschenke besorgen, neue Zahnpasta kaufen, den Partner an den Geburtstag seiner Mutter erinnern, das nächste Playdate für das Kind organisieren, und dabei ruhig, liebevoll und bloß nicht gestresst sein. Fühlst du dich meistens als die eine verantwortliche Person, die an alles denken muss, weil es sonst keiner tut? Erschlagen dich diese ganzen To-do’s und der ständige Druck, jeden an alles erinnern zu müssen? Dieses Problem, von dem häufig Frauen betroffen sind, hat einen Namen: Mental Load.
Der Alltag kann ganz schön fordernd sein. Gut, wenn man da einen Partner hat, mit dem man zumindest den Haushalt aufteilen kann – oder auch nicht. Oft bleibt dann doch alles an Frauen hängen, noch fordernder werden die unsichtbaren To-do’s mit Kindern. Doch warum ist das so? Aufgrund patriarchaler Strukturen und Sozialisierung übernehmen Frauen noch immer den größten Teil der Fürsorgearbeit, erklärt Laura Fröhlich. Sie ist Mental Load-Expertin, Autorin, hält Vorträge und gibt Workshops zum Thema Mental Load und hat ein Mentoring-Programm für Frauen ins Leben gerufen. In der neuesten Folge unseres desired-Podcasts erklärt Laura, wieso Frauen immer wieder in die Mental Load-Falle geraten, wie sie diese erkennen und herauskommen – in ein gleichberechtigtes Leben und Partnerschaft.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserer Podcast-Folge anhören.
Desired: Laura, kannst du uns von einer typischen Alltagssituation erzählen, in der Mütter die ganze Wucht des Mental Loads zu spüren bekommen?
Laura Fröhlich: Die typische Frau, die in Teilzeit berufstätig ist, hat morgens schon den ersten Berg Arbeit vor sich, wenn sie überlegt was brauchen die Kinder heute in der Kita oder der Schule. An was muss ich denken? Dann werden die Brotdosen gesucht und befüllt, die Kinder in die Kita gebracht, dann schnell zum Job. Dann muss sie, ohne Mittagspause, schnell wieder zurück, währenddessen schon die Einkaufsliste im Kopf überlegen. Dann fällt ihr ein, dass Opa heute Geburtstag hat und die Kinder ihn anrufen sollten. Oh, und die Kinder haben keine passenden Herbstjacken mehr und abends ist Elternabend, da gibt’s dann gleich die nächsten To-Dos.
Frauen erwerben diese Superkraft, weil es von ihnen erwartet wird. Weil es ihnen zugemutet wird.
Und vielleicht kümmert sie sich auch zeitgleich noch um die Bedürfnisse ihres Partners oder der Partnerin. Natürlich auch um die Bedürfnisse der Kinder, sie hat auf den Schirm was die Kinder heute und in Zukunft brauchen. Ich finde, das klingt ziemlich gruselig und man fragt sich jetzt, warum sie, ist sie die Einzige? Gibt’s da eventuell noch einen Vater, was macht eigentlich der? Natürlich kennen auch einige Väter das Problem, aber es sind eben besonders oft Frauen, auch diejenigen ohne Kinder, mit dieser Masse an Denkarbeit konfrontiert.
Viele kleine Aufgaben werden zu einem ein belastendem Berg
Wäre ein Glaubenssatz, der zu Mental Load passt „wenn ich mich nicht kümmere, dann tuts keiner?“
Ganz genau, das ist eine ganz gute Bezeichnung dafür. Da heißt, diese Verantwortung liegt halt auf meinen Schultern und ich bin die, die an alles denkt und denken muss. Weil wenn ich es nicht mache, wird es eben vergessen, mit allen Konsequenzen die das für die Familie hat. Aber, das kennen natürlich auch Frauen in einer Partnerschaft, oder die in einer Wohngemeinschaft leben. Wenn ich nicht den Spülschwamm mal austausche, nicht Salz nachkaufe, wenn ich nicht mal die anderen dazu anrege, dass wir endlich mal den Müll rausbringen müssen, passiert nichts. Es ist dieses Gefühl, an alles denken zu müssen, die Wut darüber und auch die Verantwortung die schwer wiegt. Diese Kleinigkeiten sind einfach mega belastend, weil es geht vor allem um die Menge der Aufgaben.
Und du sagst, es sei ein strukturelles Problem. Wie ist das zustande gekommen?
Das patriarchale System ist da mal wieder grundlegend und das bedeutet, überall in Kulturen und Gesellschalten in denen dieses System besteht, machen Frauen Fürsorgearbeit. Frauen werden in der Gesellschaft dann als die Gebenden angesehen. Sie werden so sozialisiert und es wird von ihnen erwartet. Wir merken das auch vielleicht auch ganz konkret im Alltag: Von Mädchen erwarten wir eher, ordentlich zu sein, sich um anderen zu kümmern. Da tauchen dann Fragen auf wie: „Möchtest du nicht die Karte für die Oma malen?“ „Warum bist du immer so laut?“ Während wir bei Jungs denken, „gut, das ist halt ein Junge, die sind unordentlich, der malt nicht gerne für die Oma, der bürstet sich nicht gerne die Haare, das ist ihm alles eben nicht so wichtig.“
In ihrem Buch „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles“ erfahren Eltern unteranderem, was sie, aber auch ihre Kinder gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen. Erhältlich bei Thalia.
Schon kleinen Jungs wird weniger zugetraut als Mädchen
Ich muss ihn da als Mama oder Papa auch sehr unterstützen, Ordnung zu halten. Das heißt, es wird so ein Stückweit diese Kompetenz nicht von Jungs erwartet. Und so finden sich dann oft Frauen wieder, die in der Alltagsorganisation und auch in der Fürsorge kompetenter sind. Frauen haben gelernt, achtsam zu sein, für das, was getan werden muss. Frauen erwerben diese Superkraft, weil es von ihnen erwartet wird, weil es ihnen zugemutet wird.
Laut Umfragen erleben Frauen das eigene Zuhause oft als Arbeitsort, während Männer das eigene Zuhause eher als Ort der Entspannung sehen.
Das Problem ist aber, dass das alles sehr viel Arbeit bedeutet, die zumeist unsichtbar ist. Uns ist als Gesellschaft gar nicht klar, wie wichtig und wertvoll Fürsorgearbeit ist. Und das zu verändern ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Aber wir Frauen können dann auch oft nicht auf den großen Umbruch warten, weil wir den Kopf voll haben und denken, es muss JETZT etwas passieren.
Loslassen kann man lernen!
Und du bist selbst in die Mental Load-Falle getappt. Wie hast du das erkennt und wie hast du das dann kommuniziert?
Erkannt habe ich es eben durch das Konzept, deswegen ist es so gut, dass es einen Namen hat: Mental Load. Das gab es natürlich schon immer, aber jetzt können wir es wirklich ansprechen. Ich war schon ziemlich verzweifelt, weil ich so viel auf dem Schirm hatte, gar keine Pause mehr machen konnte und mich selbst unter Druck gesetzt habe. Und gleichzeitig landete aber auch alles bei mir: Ich war in jeder Whatsapp-Gruppe, musste zu jedem Termin, kannte die Namen der Eltern und so weiter. Als ich das Konzept kennengelernt habe, wusste ich sofort: „Ja, das ist genau wie bei mir! Ok und jetzt möchte ich was verändern.“
Ein ganz wichtiger erster Schritt war, dass ich erkannt habe: Ich möchte nicht mehr für alles zuständig sein. Und der nächste Schritt ist die richtige Kommunikation – gerade in der Partnerschaft. Denn es signalisiert dem anderen ja meist, „ich trage die Verantwortungen, denke an alles und du nicht.“ Es kann sehr verletzend werden. Deswegen ist es wichtig, von sich selbst zu reden.
Ich habe zum Beispiel gesagt: „Ich habe das Gefühl, ich muss den ganzen Alltag koordinieren und an alles denken. Das führt dazu, dass ich so gestresst bin und den Kopf immer voll habe und ich wünsche mir, dass wir da gemeinsam was verändern.“ Ich habe klar gemacht, dass ich Unterstützung brauche und möchte, dass wir uns diese Denkarbeit teilen. Der Partner oder die Partnerin braucht dann aber genau den gleichen Raum, seine Sicht zu teilen. Da kann dann beispielsweise das gemeinsame Aufschreiben der Aufgaben, die jeder still übernommen hat sehr sinnvoll sein.
Das Streben nach Perfektionismus und warum du nichts dafür kannst
Und hast du schonmal darüber fantasiert was passiert, wenn du dich einfach mal nicht kümmerst? Um eben zu verdeutlichen, was du alles an unsichtbaren Aufgaben tagtäglich hast?
Ja, das habe ich gemacht, ich wüsste nur schon gleich: Das größte Hindernis wäre ich selbst. Ich wäre wahrscheinlich gar nicht in der Lage, nur dazuliegen. Das heißt, eigentlich muss ich raus. Das ist auch krass: Laut Umfragen erleben Frauen das eigene Zuhause oft als Arbeitsort, während Männer das eigene Zuhause eher als Ort der Entspannung sehen.
Wenn man so etwas zuhause anspricht, dann ist ja schonmal ganz klar, dass hier irgendetwas in eine komische Richtung läuft. Deswegen ist das Aufteilen der Aufgaben wichtig, wofür aber viele lernen müssen, abzugeben und loszulassen. Und es braucht natürlich auch die Ambition der Männer, diese Fürsorgearbeit zu übernehmen und die Bedeutung dieser Arbeit wertzuschätzen.
Hat Mental Load auch etwas mit dem Verlangen nach Perfektionismus zu tun?
Das ist ganz wichtig. Ich möchte aber noch einen Schritt zurücktreten: Warum haben viele Frauen oft das Gefühl, perfekt sein zu müssen? Da müssen wir uns anschauen, welche Erwartungshaltungen es Frauen gegenüber gibt. Früher, in den 50er-, 60er-Jahren sollten Frauen ordentlich sein, den Haushalt führen und sich um die Kinder kümmern. Heutzutage dürfen Frauen, Gott sei Dank wie nett, auch Berufstätig sein. Zeitgleich ist die Erwartung aber immer noch, dass sie den Haushalt im Griff hat. Dass sie sich liebevoll, nach dem Job, um die Kinder kümmert. Dass sie nicht zu früh arbeiten geht, aber auch bloß nicht zu spät. Von Frauen wird einfach die Quadratur des Kreises erwartet und um das zu schaffen, was gar nicht zu schaffen ist, sind viele eben perfektionistisch.
Und dann Frauen wiederum zu sagen, sie könnten einfach nicht loslassen und das das Problem sei, ist ungerecht. Die Gesellschaft hat da einen großen Anteil dran.
Wie Laura es geschafft hat, ihren Mental Load abzulegen, welche wertvollen Tipps sie gegen das Streben nach Perfektionismus hat und wem sie gerne mal „in den Hintern treten würde“, hört ihr hier in der neuen desired-Podcast-Folge.
In dieser Bilderstrecke erzählen Frauen von ihrem ganz persönlichen Erfahrungen mit Mental Load, welche Gedanken überschlagen sich wenn Besuch kommt, der Urlaub ansteht oder es verdächtig still im Kinderzimmer ist?
Bildquelle: Laura Fröhlich