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Erzählungen mit Wirkung

„Narrativ“: Das bedeutet das Modewort wirklich – und darum ist es mächtig

narrativ

Das Wort „Narrativ“ hast du bestimmt schon einmal gehört. Eigentlich stammt es aus der Geisteswissenschaft, ist aber inzwischen zu einem Modewort geworden, das auch häufig in der Politik auftaucht. Was das Wort bedeutet und wieso Narrative es eine große Macht auf Menschen haben können, erklären wir dir hier.

Ursprung und Bedeutung von Narrativ

Der Begriff Narrativ stammt von lateinisch „narrare“ ab, was „erzählen“ bedeutet. Der französische Philosoph Jean-François Lyotard erklärte 1979 in seiner Studie „Das Wissen der Postmoderne“ den Begriff Narrativ als „große Erzählung“, womit er das Wort und dessen neue Bedeutung in der Geisteswissenschaft maßgeblich prägte. Das Oxford English Dictionary nennt Lyotard sogar explizit als Urheber der neuesten englischen Bedeutung von narrative und definiert diese: „eine Erzählung oder Darstellung, die benutzt wird, um eine Gesellschaft oder historische Periode zu erklären oder zu rechtfertigen“. Im Duden findet sich die Erklärung „[verbindende] sinnstiftende Erzählung, Geschichte.“ Einfach übersetzt bedeutet das Wort „narrativ“ also „erzählend“. Es geht bei diesem Begriff jedoch nicht um die Erzählung selbst, sondern darum, wie etwas erzählt wird.

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Demnach hat ein Narrativ einen großen Einfluss darauf, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen. Ein Narrativ transportiert auch immer Werte und Emotionen, ist in der Regel auf einen bestimmten Kulturkreis bezogen und unterliegt dem zeitlichen Wandel. Es erzählt aber keine historischen Fakten, sondern vermittelt ein bestimmtes Bild, das zum Beispiel eine Nation, eine Kulturgemeinde oder eine andere Art von Wertegemeinschaft miteinander teilt. „In diesem Sinne sind Narrative keine beliebigen Geschichten, sondern etablierte Erzählungen, die mit einer Legitimität versehen sind“, erklärt Wiktionary.

Beispiele für Narrative

Ein geläufiges Beispiel für ein Narrativ ist der amerikanische Traum, der besagt, dass man vom Tellerwäscher zum Millionär werden könne. Der Mythos, dass man nur hart genug arbeiten muss, hält sich bis heute in den Köpfen vieler Menschen – schlichtweg, weil die Geschichte oft genug erzählt wurde. Ein Beispiel, das zeigt, wie groß der Einfluss von Erzählungen ist, denn eben jene glänzende, einleuchtende Erfolgsgeschichte wiegt größer als die der Tausenden gescheiterten Existenzen.

Narrative in der Werbung

Auch in der Werbung wird vermehrt auf Erzählungen gesetzt: Die gestresste Mutter, die sich zur Erholung einen Schokoriegel auf der Gartenbank gönnt. Der wohl rührseligste Werbespot eines alten Mannes zur Weihnachtszeit, der seinen eigenen Tod vortäuscht, weil die Familie ja sonst nicht zusammengekommen wäre. Die Form der Darstellung ist entscheidend dafür, wie der erzählte Inhalt verstanden wird und was er bei den Menschen bewirkt und das ist in diesem Fall: Konsumieren, um diesen Stand ebenfalls zu erreichen.

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Narrative in der Politik

In der Politik werden Narrative seit jeher genutzt um Wählerstimmen zu gewinnen und gegnerische Parteien auszustechen. Zum Beispiel mit emotionalen Reden, die sich an verängstigte Menschen oder unzufriedene Arbeit*nehmerinnen richten und dem Schaffen gemeinsamer Werte, im Sinne von: „Ich bin einer von euch.“

Narrative sind einflussreich und wirkungsmächtig

Da Narrative durch ihre erzählerische Form und dem Transport von Emotionen und Werten eine Orientierung bieten können, sind sie sehr mächtig und einflussreich. Ein gutes Narrativ kann somit motivierend sein, gemeinsam zu handeln.
Genau aus dem Grund werden Narrative verstärkt in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen genutzt. Auch Impf- oder Klimawandelskeptiker setzen – ob gewollt oder nicht – auf Narrative, in dem beispielsweise von „damals“ erzählt wird. Das Impfen war „damals“ schon schädlich, „damals“ gab es auch schon einen Klimawandel. Dabei sollen Bilder entstehen, die zur Durchsetzung der eigenen Ideologie genutzt werden können und Menschen zum gemeinsamen Handeln motivieren.

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Kritik am Wort Narrativ

Dass der Begriff zu einem Modewort verkommen ist, halten vor allem Geistes- und Sprachwissenschaftler*innen für problematisch. So sei narrativ lediglich ein schickeres Wort für Mythen, Stories und Geschichten, die hier und da anders erzählt werden können. Da er so allumfassend ist, bräuchte es eine schärfere Definition.

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Bildquelle: Getty Images/everything bagel

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