Kann man mehrere Frauen in einen Raum sperren und davon ausgehen, dass sich alle vertragen? Zumindest wenn man sich an popkulturellen Darstellungen orientiert, nicht. Egal, ob beim Bachelor, GNTM oder in Filmen wie „Mean Girls“: Stets stehen Frauen im ständigen Konkurrenzkampf zueinander. Handelt es sich dabei nur um ein Klischee oder ist nicht doch etwas dran an der These, dass sich Frauen ständig miteinander vergleichen? Ich muss zumindest gestehen, dass ich diese Denkweise einfach nicht ablegen kann.
Wem steht's besser?
Man braucht nur ein x-beliebiges Klatschmagazin aufzuschlagen und wird sofort Beispiele dafür finden, wie Frauen miteinander verglichen werden. Besonders deutlich wird das in „Wer trägt es besser?“-Kolumnen, wo Leserinnen förmlich dazu aufgefordert werden, zu entscheiden, wer die bessere Figur abgibt. Blättert man weiter, wird man sicherlich auch eine Story über den Konflikt von zwei Promi-Damen finden, die im Konkurrenzkampf stehen oder einander den Erfolg nicht gönnen. Erst kürzlich mussten die Schauspielerinnen Jennifer Lawrence und Jessica Chastain öffentlich dementieren, dass – anders als in Boulevardmedien verbreitet wurde – keine Rivalität zwischen ihnen herrscht.
Dennoch scheinen es viele zu lieben, sich von dem vermeintlichen Gerangel unter Frauen unterhalten zu lassen. Anders würden wohl Reality-TV-Formate wie der Bachelor oder GNTM auch kaum funktionieren. Meiner Meinung nach sind neidische Blicke und gehässige Kommentare unter Frauen allerdings keine Erfindung von Klatschmagazinen und Trash-TV, sondern existieren auch im echten Leben.
Wenn Frauen Slut Shaming betreiben
Ich würde von mir behaupten, dass ich kein totales „Mean Girl“ bin. Eigentlich halte ich nichts von Slut Shaming, sich also über andere Frauen, die sich sehr freizügig kleiden, aufgepumpte Brüste oder viele wechselnde Sexualpartner haben, das Maul zu zerreißen. Das Gleiche würde ich auch von den meisten Frauen in meinem Umfeld behaupten. Tatsächlich kommt es dann aber doch des Öfteren vor, dass besonders über attraktive Frauen gelästert wird, die vermeintlich nur sexuelle Reize zu bieten haben. All die Jahre Gender Studies und feministischer Lektüre scheinen dagegen nichts ausrichten zu können: Wird eine attraktive Kollegin, die stets mit tiefem Dekolleté ins Büro kommt, befördert, ist es auf einmal doch da, das Konkurrenzdenken.
Ohne es offen auszusprechen, scheinen sich schließlich alle einig zu sein: Die hat den Job nur wegen ihres Aussehens bekommen. Anstatt aber anerkennend ihre Schönheit zu bewundern, scheinen sich Frauen automatisch mit dieser Person zu vergleichen und nach Makeln zu suchen. Auch wenn dieser Prozess bei vielen Frauen unbewusst stattfindet, scheint dahinter eine gewisse Rivalität zu stecken: Man registriert eine Frau, die schöner ist als man selbst, und versucht sie mit Kritik an ihrer Persönlichkeit oder Intelligenz auszustechen. Dass attraktive Frauen besonders stark davon betroffen sind, haben auch kanadische Forscherinnen herausgefunden. In einem Test stellten sie Probandinnen zwei unterschiedliche Kolleginnen vor: eine in Jeans und T-Shirt, die andere in aufreizender Kleidung. Wie auch andere Studien zuvor nahegelegt hatten, kooperierten die Frauen schlechter mit der als attraktiv wahrgenommenen Kollegin und kritisierten sie stärker.
Juhu, sie sieht schlechter aus als ich!
Nun könnten sich Frauen natürlich herausreden und behaupten, dass dahinter ganz sicher kein Konkurrenzdenken steckt. Doch woran macht man denn bitteschön die Attraktivität von anderen Frauen fest? Misst man diese nicht auch an seinem eigenen Aussehen? So schäbig es auch klingt, bei mir ist das auf jeden Fall so. Besonders stark merke ich das, wenn ein Abwärtsvergleich vollzogen wird. Ein Beispiel, das die meisten kennen werden: Man hofft inständig darauf, dass die Neue vom Ex unattraktiver ist als man selbst. Hier nimmt man sich ganz klar als Gradmesser und ist froh, wenn sie dicker ist, kleinere Brüste oder irgendein anderes Merkmal nicht hat, auf das der Exfreund so sehr stand.
In diesem Fall ist es allzu verständlich, wenn man die neue Partnerin vom Ex noch als direkte Konkurrentin begreift. Wenn ich ganz ehrlich bin, finden solche Abwärtsvergleiche in meinem Kopf aber auch mit Frauen statt, mit denen ich nicht um einen Mann konkurriere. Es kam durchaus schon vor, dass ich auch auf WG-Partys, beim Kennenlernen neuer Freundeskreise oder Familienfeiern die anderen Frauen unterbewusst abgecheckt habe und erleichtert war, wenn ich mich selbst zu den attraktiveren Frauen zählen konnte.
Wie wird man das Konkurrenzdenken los?
Zumindest wenn es ums Thema Körpergewicht geht, arbeite ich daran, das Konkurrenzdenken wirklich los zu werden. Obwohl sich die Frauen in meiner Familie ständig miteinander vergleichen, habe ich für mich immerhin realisiert, dass mich eine kleinere Kleidergröße nicht glücklich macht. Außerdem versuche ich Frauen, die ich für ihre Schönheit oder ihr Können bewundere, nicht zu beneiden, sondern einfach anzuerkennen. Um zu zeigen, dass das unter Frauen wirklich möglich ist, habe in der folgenden Galerie meine persönlichen Girl Crushes und die meiner Kolleginnen gesammelt:
Ich kann es nicht ganz lassen
In den letzten Jahren versuchen feministische Bewegungen wie der Women's March und Body Positivity-Initiativen die Solidarität unter Frauen zu betonen. Das amerikanische Frauenmagazin Bustle stellt sogar die These auf, dass das Konkurrenzdenken unter Frauen lediglich ein Mythos sei. Ich kann das jedoch nicht glauben, denn ich merke ja selbst, wie tief diese Denkweise in mir steckt. Ich bewerte Frauen in meinem Umfeld einfach anders als Männer, und ob ich es will oder nicht, vergleiche ich mich auch mit ihnen.
Man kann das vorschnell als ein Anzeichen von einem geringen Selbstbewusstsein interpretieren. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass das Vergleichen mit anderen Frauen einfach in uns steckt, wenn wir wirklich ehrlich sind. So sehr, dass ich dahinter eher evolutionsbiologische Gründe als die Prägung durch sexistische TV-Formate oder „Wer trägt es besser?“-Kolumnen vermute.
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