Warum lästern Menschen? Und worüber eigentlich? Entgegen der weitläufigen Auffassung sind es nicht nur wir Frauen, die über Mitmenschen herziehen. Ebenso viele Männer gehen dem Hobby der üblen Nachrede regelmäßig und mit Genuss nach. Lästern am Arbeitsplatz, im Büro oder über Nachbarn ist weit verbreitet. Wissenschaftlern zufolge priorisieren wir Inhalte über Untreue und Lügen und merken sie uns auch besser. Denn hinter dem Lästern steckt tiefe Psychologie.
Die meisten Menschen lästern über soziale Kontakte, über gemeinsame Bekannte. Am häufigsten sind dies Nachbarn und Arbeitskollegen. Insbesondere Männer tratschen über ihr Liebesleben und Fehltritte von Gleichaltrigen, Frauen dagegen am liebsten über den Style oder die Figur sowie über Fehltritte von Berühmtheiten.
Moralische Fehltritte sind beliebte Themen zum Lästern
Besonders moralische Fehltritte erfreuen sich deshalb besonderer Beliebtheit. Häufig geht es beim Klatsch und Tratsch darum, dass jemand die ungeschriebenen Regeln der Gemeinschaft übertreten hat. Aber auch über Ästhetik lässt sich lästern, wenn diese den eigenen Vorstellungen oder denen der Gesellschaft widerspricht.
Vielleicht hast Du Dir schon immer mal vorgenommen, Dir das Lästern abzugewöhnen. Hinter dem Rücken Anderer zu lästern ist eben keine sehr nette Eigenschaft. Vielleicht bist Du sogar schon mal arg auf dem Allerwertesten gelandet, wurdest beim Lästern erwischt und sogar wegen der Lästerei abgemahnt, gekündigt oder hast eine Anzeige wegen übler Nachrede bekommen.
Wer viel lästert, ist unzufrieden
Manchmal geht Lästern schleichend ins Mobbing über oder wird krank- oder zwanghaft. Vielleicht bist Du der Meinung, Du lästerst gar nicht, sondern beobachtest und analysierst. Wichtig dabei ist, zu verstehen, dass Lästern eine Form verbaler Aggression ist, die die Macht ungleich verteilt. In extremen Formen kann es jemanden sozial isolieren.
Wie Menschen über andere sprechen, sagt laut Forschern auch Einiges darüber aus, wie zufrieden, mental gesund und sozial verträglich sie sind. Je schlechter jemand über seine Mitmenschen spricht, desto narzisstischer, unsozialer und depressiver ist er. Denn eigene Charaktereigenschaften projiziert man auf sein Gegenüber. Stellst Du selbst also häufig die Nachteile Deiner Mitmenschen in den Mittelpunkt, solltest Du genauer hinterfragen, warum Du das tust.
Warum lästern wir?
Die Vorstellung, dass hinter unserem Rücken über uns getratscht wird, ist verunsichernd und unangenehm. Besonders wenn wir schüchtern sind, fürchten wir die bösen Zungen Anderer. Trotzdem tratschen wir selbst hinter dem Rücken anderer Leute. Mehr als ein Drittel unserer Zeit reden wir über Personen, die nicht selbst anwesend sind, so Psychologen der University of Liverpool. Geschlecht und Alter spielen dabei keine Rolle. Und Gespräche über andere Menschen, also Klatsch und Tratsch, sind häufig negativ. Warum also machen wir das?
- Wer negativ auffällt, dem schenken wir Aufmerksamkeit – das haben Forschern der amerikanischen Northeastern University herausgefunden. Das ist auch gut so, denn so können wir schnellstmöglich das für uns Relevante über andere Menschen lernen, ohne viel Zeit investieren zu müssen. Das Forscherteam hält das sogar für lebensnotwendig. Sie bezeichnen Klatsch als soziales Warnsystem. Denn jemanden, dem der Ruf eines unzuverlässigen und hinterhältigen Bösewichts vorauseilt, halten wir lieber auf Abstand – aus reinem Selbstschutz, ähnlich eines natürlichen Selektionsmechanismus'. Lästern ist also viel mehr als nur boshaftes Streuen von Werturteilen: Über Klatsch und Tratsch erfahren wir, wen wir meiden.
- Daneben lässt sich über üble Nachrede eine soziale Kontrolle ausüben: Wir überprüfen unsere eigenen Wertvorstellungen und orientieren unser Handeln daran. Wir erfahren, was wir tun müssen, um in unserem sozialen Umfeld anerkannt zu sein und was wir tunlichst unterlassen sollten, damit wir keine Ausgrenzung erfahren.
- Finden wir unsere Wertevorstellungen bestätigt, wächst das Gemeinschaftsgefühl.
- Der Einzelne, unabhängig von der Gemeinschaft, kann sich durch Lästern eine eigene Befriedigung holen: Er kann sich mit anderen vergleichen beziehungsweise als besser empfinden. Damit kann er eigene Minderwertigkeitskomplexe kurzfristig ausgleichen.
- Und er kann Dampf ablassen – in einem „respektablen“ Rahmen.
Interessant ist, dass in kleinen Gemeinschaften mehr gelästert wird. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid lästern in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern immerhin 35 Prozent der Bewohner täglich oder mehrmals wöchentlich über den Garten des Nachbarn oder das neue Auto des Kollegen. In Großstädten waren es nur 24 Prozent. Die soziale Kontrolle ist hier stärker, die Anonymität der Großstadt trägt dazu bei, den Klatsch und Tratsch auf niedrigem Niveau zu halten.
Hinter unserer Lästereien steckt also ein Warnsystem, das wir uns zunutze machen. Fakt ist aber auch: Je mehr wir lästern, desto unzufriedener sind wir mit uns selbst. Es gilt also, ein gesundes Maß an Klatsch und Tratsch hinter den Rücken anderer zu wahren. Schließlich möchte niemand selbst zum Außenseiter werden, das sollte man auch niemand anderem wünschen.
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