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Warum ich öfter dafür sorgen will, dass andere sich unwohl fühlen

Kommentar Unwohl fühlen

Zugegeben, die Überschrift klingt ein wenig hart – und doch ist das ein Vorsatz, den ich mir schon vor einiger Zeit gesetzt habe. Nicht, weil ich ein schlechter Mensch bin, der andere gerne leiden sieht, eher im Gegenteil. Ich bin zu harmoniebedürftig. Selbst wenn sich jemand mir gegenüber unmöglich verhält, versuche ich alles, um die Stimmung nicht zu kippen. Ganz nach dem Motto: Reicht ja, wenn ich mich unwohl fühle. Das Problem dürfte vielen nicht fremd sein. Geht es aber um Themen wie Sexismus, Rassismus oder Homophobie, muss damit Schluss sein. Es ist Zeit, sich zu wehren. Und das heißt eben auch dafür zu sorgen, dass andere sich manchmal unwohl fühlen.

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Vor einigen Jahren habe ich in einer Agentur gearbeitet. Dort gab es einen Kunden, der mich bei nahezu jedem Treffen „Kleines“ oder „Sonnenschein“ nannte. Das war mir aus mehreren Gründen unangenehm. Es war respektlos mir gegenüber und ich schämte mich vor meinen Kolleg*innen. Geschwiegen habe ich trotzdem und redete mir das auch noch schön, legte mir Argumente zurecht. Er meint das noch nur nett; er ist ja schon älter; in seiner Generation ist das ganz normal. Ganz vorne mit dabei: Sage ich etwas, mache ich die Situation für alle unangenehm. Besser ich ertrage es alleine, als andere mit reinzuziehen. Doch genau da liegt der Denkfehler, sie stecken schon längst mit drin. Nicht ich mache die Situation unangenehm, sondern er.

Wer anfängt, ist schuld

Das ist nur eines von vielen Beispielen, die immer ähnlich ablaufen und häufig Frauen betreffen. Sie ist sogar noch harmlos im Gegensatz zu anderen Erlebnissen, die mir widerfahren sind oder von denen mir Freundinnen erzählt haben: Aufdringliche Typen, denen man auf einer Party nicht klar sagt, dass sie einen in Ruhe lassen sollen, weil man ja nicht die Stimmung ruinieren will. Unangebrachte Fragen nach dem Freund oder dem Kinderwunsch, die man auf Familienfeiern erträgt, weil man sonst wieder die ist, die unnötiges Drama macht. Doch unnötig ist dieses Drama keinesfalls. Alleine, dass diese Situationen immer wieder vorkommen, zeigt, dass wir Grenzen setzen müssen. Dazu gehört auch klarzustellen: Wer anfängt, ist schuld. Und das ist nicht die Person, die einen Missstand anspricht, sondern die Person, die diesen Missstand auslöst.

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Niemand muss etwas ertragen, mit dem er oder sie sich unwohl fühlt, nur um andere nicht zu verletzen oder nicht anzuecken. Es ist okay, persönliche Grenzen zu setzen und andere darauf aufmerksam zu machen, wenn sie sie überschreiten. Hat jemand damit ein Problem, braucht er nicht auf Rücksicht zu hoffen. Er verzichtet ebenfalls darauf.

Dass Frauen für sich einstehen ist wichtig. Im Video zeigen wir dir, was Female Empowerment bedeutet:

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Wir müssen nichts sagen

Das alles klingt jetzt sehr leicht, ist es aber nicht. Auch wenn ich mir diesen Vorsatz schon vor einer Weile gesetzt habe, gibt es noch immer häufig Situationen, in denen ich dann doch lieber ruhig bleibe, meine Wut runterschlucke und so tue, als sei alles in Ordnung. Es ist okay, so zu reagieren. Ansonsten kommen wir ganz schnell ins andere Extrem, in dem es heißt: Na ja, aber wenn du nichts gesagt hast, dann darfst du dich hinterher auch nicht beschweren. Als ich einem männlichen (!) Kumpel damals etwa von der Situation mit unserem Kunden erzählte, hielt er mir vor, dass ich mich nicht beschwert hatte. Ich würde dazu beitragen, dass der Typ sich immer weiter so verhält. Als jemand, der selbst wahrscheinlich nie von solchen sexistischen Kommentaren betroffen sein wird, macht er es sich damit sehr leicht. Natürlich ist mir bewusst, dass ich etwas sagen müsste, um etwas zu ändern. Nur ist das oft eben leichter gesagt, als getan. Insbesondere, wenn man bereits weiß, dass auf solche Zurechtweisungen selten Verständnis folgt. Dann heißt es „Aber das war doch nicht böse gemeint“, „Du übertreibst“ oder „Heute darf man aber auch gar nichts mehr sagen“ – auf solche Diskussion keine Lust zu haben, ist verständlich.

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Johanna Böhnke

Mit kleinen Schritten hin zum Umdenken

Ich kann mittlerweile stolz behaupten, dass ich immer häufiger etwas sage, wenn ich eine Aussage als sexistisch oder rassistisch empfinde oder wenn sich jemand mir gegenüber einfach nur respektlos oder übergriffig verhält – es kommt aber immer noch mindestens genauso oft vor, dass ich mich das nicht traue. Letztendlich ist es auch immer ein Abwägen. Wie schlimm war das Verhalten meines Gegenübers gerade? Wie einsichtig schätze ich die Person ein? Hat die Person sich gerade einfach nur blöd ausgedrückt oder steckt da eine tiefergehende Einstellung hinter? Und letztendlich auch: Wie konfliktbereit bin ich gerade?

Am leichtesten ist es meist, jemanden freundlich auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Vielleicht auch mit einem kleinen Witz. Im besten Fall ist die Person dann kurz unangenehm berührt, aber lernt daraus. Denn genau darum sollte es gehen. Wir alle machen mal Fehler und sagen etwas Dummes. Wenn jemand dich darauf hinweist, ist es nicht das Ziel dieser Person, dass du dich unwohl fühlst, sie will dir nur erklären, warum dein Verhalten dafür sorgt, dass sie sich unwohl fühlt.

Johanna Böhnke
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