„Du bist Veganer? Machst du das, weil das jetzt trendy ist?“, „Wann genau ist aus Sex, Drugs & Rock n Roll eigentlich Laktoseintoleranz, Veganismus und Helene Fischer geworden?” und „Woran erkennt man einen Veganer? Gar nicht. Er wird es dir sagen.“ Neunmalkluge Sprüche, die vielen Vegetariern und Veganern aus den Ohren raushängen. Mir auch. Ich frage mich (und euch alle): Wann und warum ist es eigentlich cool geworden, über Veganer abzuhaten?
„Mimimi... Veganer reden ständig über ihre Ernährung und verstehen keinen Spaß!“
Kurz zu mir: Ich lebe seit 16 Jahren vegetarisch und habe vor Kurzem eine einmonatige Vegan-Challenge beendet (Das Wort „Challenge“ trifft es gut, denn ich liiiebe Käse!). Während ich als Vegetarier im Alltag kaum noch auffalle, kam ich als Veganer nicht darum herum, meine Ernährung ab und an zum Thema zu machen.
Im Restaurant musste ich zum Beispiel nachfragen, ob es auch veganes Salat-Dressing gibt. Die Kellnerin verdrehte nur die Augen und ließ sich zweimal bitten, beim Koch nachzuhaken. Beim spontanen Essen unterwegs musste ich die Freunde fragen, ob wir uns einen Imbiss suchen können, bei dem es mindestens eine vegane Speise gibt. Das ist natürlich ätzend, wenn gerade alle hangry sind. Und wenn die Kollegin zum Geburtstag Muffins mitbringt, möchte ich ihr erklären dürfen, dass ich nicht ihre Backkunst an sich, sondern nur non-vegane Produkte verschmähe. Und so musste ich meinen Mitmenschen meinen vorübergehenden Veganismus immer mal wieder auf die Nase binden. Schlimm, sowas... Oder?
Und dann darf man noch nicht mal Witze über Veganer machen! Das wird zumindest gerne behauptet.Angeblich können die nämlich keinen Scherz auf ihre Kosten vertragen. Verbittertes Volk... Auch dieser Artikel deutet ja irgendwie darauf hin, könnte man meinen. Allerdings: Witze wie das unten gezeigte Meme, finde ich schon lustig. Solange sie wirklich nur im Scherz gebraucht werden.
Veganer-Shaming ist so 2018!
Dieses fake-spaßige Veganer-Shaming nervt mich dann, wenn es von Leuten gestartet wird, die eine Möglichkeit suchen, pflanzliche Ernährung lächerlich dastehen zu lassen, um selbst kein schlechtes Gewissen zu haben. Meine Theorie ist: Auch wenn die meisten Menschen keine Experten für Tier- und Umweltschutz sind (das bin ich im Übrigen auch null!), wissen sie ganz genau, dass Veganismus nicht nur hip und nervig, sondern auch eine gute Sache ist.
Im aktuellen Diskurs um den Klimawandel und dem Hype um die „Fridays for Future“-Bewegung haben die meisten zumindest den Hauch einer Ahnung davon, wie Massentierhaltung und unsere schlechte CO2-Bilanz zusammenhängen. Und wie verheerend deren Auswirkungen für unseren Planeten und alle Generationen nach uns sind. Alle, die das nicht mitbekommen haben, sollten meiner Meinung nach endlich mal im Jahr 2019 ankommen.
Mach dein Problem bitte nicht zu meinem
Warum stört es dich also, dass ich (oder irgendwer) auf Fleisch verzichte, um meinen kleinen Teil zum Klima- oder Tierschutz beizutragen? Ich glaube, dass mir und anderen Fleisch-Verzichtern mit solchen angeblich witzigen, aber dann doch abfälligen gemeinten Kommentaren, suggeriert werden soll, dass wir, nun ja, halt irgendwie lächerlich sind. Denn wer will schon jemandem nacheifern, der nur noch Hirse und Bio-Bratlinge runterwürgt? Und warum sollte man jemanden erst nehmen, der einfach nur vegan lebt, weil es gerade trendy ist? Oder jemandem, der keinen Scherz auf seine Kosten vertragen kann?
Veganer nicht ernst zu nehmen hat den großen Vorteil, dass es bequemer ist. Wenn man alles wegwinkt, belächelt und kleinredet, fällt es auf jeden Fall leichter, weiterhin mit Genuss in den geilen Burger zu beißen. Denn so muss man sich nicht damit beschäftigen, dass auch man selbst eigentlich mehr tun könnte, aber keine Lust hat, das Wohl der Allgemeinheit über sein persönliches Wohlbefinden zu stellen.
Ein Kompromissvorschlag:
Das klingt jetzt natürlich genau nach dem nervigen erhobenen Zeigefinger, den man Veganern immer vorwirft – das möchte ich allerdings gar nicht bezwecken. Stattdessen wünsche ich mir nur, dass die Menschen sich selbst hinterfragen, wenn ihnen meine Ernährungsweise ein ungutes Gefühl gibt.
Du schaffst es einfach nicht, auf Fleisch, Käse und Co. zu verzichten, auch wenn du das eigentlich lobenswert und wichtig findest? Ist doch okay und völlig menschlich! Habe ich vollstes Verständnis für. Oder du hast schlicht und einfach keinen Bock, deine Ernährung zu ändern? Nicht optimal, aber auch das ist (leider) menschlich. Ich kann mich auch nicht überwinden, statt menschenunwürdig produzierter Modeketten-Klamotten mal Fair-Fashion zu kaufen. Worauf ich nur nicht klarkomme, ist, wenn du Unverständnis vortäuschst, um kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Lass uns einfach darauf einigen, dass jeder viel weniger macht, als er eigentlich könnte. Und eben so viel Gutes zu unserer Gesellschaft beiträgt, wie er schafft.
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