Model Vivian Cole hat schon während ihrer Teilnahme bei „Germany's Next Topmodel“ 2020 offen über ihre persönlichen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen gesprochen. Schon als Kind wurde der heute 23-Jährigen eine Depression diagnostiziert, später zusätzlich eine Borderline-Störung. Mittlerweile hat Vivian ihr Leben zum Positiven gewandelt und möchte bald auch anderen als Mental Health Coach helfen. Im Interview hat sie uns erklärt, wie es sich angefühlt hat, schon so früh eine Depression diagnostiziert zu bekommen.
Dies ist die gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir im aktuellen desired-Podcast anhören!
desired: Dir wurde schon im Alter von nur 9 Jahren eine Depression diagnostiziert. Wie hat sich das damals geäußert?
Vivian: Ich muss sagen, dass ich schon sehr früh Probleme mit der Psyche hatte. Das hatte verschiedene Gründe. Zum Teil ist bei mir eine Veranlagung da, aber es ist schwierig zu sagen, dass das der einzige Grund war. Es müssen auch verschiedene Stressfaktoren gegeben sein, damit sich eine Depression entwickelt. Natürlich waren verschiedene traumatische Erfahrungen die Ursache. Ich habe noch nie extrem spezifisch über meine Kindheit gesprochen, weil es dabei nicht nur um mich geht. Ich muss auch die Privatsphäre von anderen Menschen wahren. Ich spreche aber sehr offen darüber, wie sich die Depression geäußert hat.
Ich war schon in der Schule immer die Vivi, die nie gesehen wurde. Ich war immer ein bisschen anders und komisch – so hat man mich bezeichnet. Ich war sehr zurückgezogen. ich hatte nicht diese sozialen Kontakte und wusste gar nicht, wie man auf andere Menschen zugeht. Zu Hause war ich sehr alleine. Ich erinnere mich noch, dass ich als Kind immer in einer bestimmten Ecke hinter der Couch saß. Das war mein Abschotten von der Realität. Ich habe versucht, mir eine eigene Welt zu kreieren, in der ich mich sehr sicher fühle. Da war sehr viel Traurigkeit und ich wusste auch nicht wer ich bin. Ich kannte das Glück nicht, das viele Lachen, was viele Kinder hatten. Bei mir war das alles anders.
Im Alter von 12 Jahren wurde dir dann zusätzlich eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Was unterscheidet diese von einer Depression?
Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung, die mit sehr extremen schwankenden Stimmungen, Verhaltensweisen und Denkweisen einhergeht. Normalerweise wird diese erst ab einem Alter von etwa 16 Jahren diagnostiziert. Bei mir kam diese Diagnose sehr erschreckend früh, dadurch dass ich jahrelang professionell betreut wurde. Ich weiß noch, dass ich gar kein Identitätsgefühl hatte. Ich hab in einem Moment mir beispielsweise die Haare komplett Rot gefärbt, weil mir alles gleichgültig war. Ich hatte diese extremen Impulse, das unterscheidet sich auch nochmal von einer Depression.
Es war so, dass ich in einem Moment total fröhlich war, und im anderem von einem Berg herunterspringen wollte, weil mir das so einen Adrenalinschub gegeben hätte. Die Erkrankung war für mich sehr extrem. Dazu kam die Depression, in der ich sehr kraftlos und antriebslos war. Ich wusste nicht, wo ich was einordnen konnte. In Kombination war das extrem belastend. Man sagt auch, das Depressionen mit Borderline schwerer zu behandeln sind. Trotzdem bin ich sehr froh, dass ich sehr früh diese Namen dafür hatte. Es war dann meine Aufgabe zu differenzieren, was meine Depression ist und was die Trigger für meine Borderline-Symptome waren. Das war ein langer und schwieriger Prozess.
Auch Tattoo-Model Victoria van Violence hatte mit schlimmen Depressionen zu kämpfen. Im Interview hat sie uns offenbart, wann sie gemerkt hat, dass sie professionelle Hilfe benötigt:
Waren diese Diagnosen für dich dann also eine Erleichterung, weil du deinen Gefühlen einen Namen geben konntest oder hat es sich so angefühlt, als würde dir ein Stempel aufgedrückt werden?
Es war irgendwo beides. Zum einen habe ich mich nicht viel mit Depressionen und Borderline als Diagnose auseinandergesetzt, aber zum anderen habe ich mich auch über die Erkrankungen identifiziert, als Mensch. Ich habe gesagt: Ich bin halt diese Depression, diese Borderline-Erkrankung. Ich bin das, was mir passiert ist. Das war immer ein sehr schwankendes Verhältnis. Gerade in meiner Schulzeit im Alter von 13-14 Jahren habe ich gesagt: Ich bin halt so, ich kann mich gar nicht mehr verändern. Ich habe mich so sehr damit identifiziert, was mir als Stempel aufgedrückt wurde. Mit der Zeit wurde das ein bisschen besser und ich habe gesagt: Ich habe diese Erkrankung, aber sie macht mich nicht aus. Dafür musste ich erst mal einen Schritt in meiner Heilung gehen.
Eine Borderline-Störung kann, wie bei dir, mit selbstverletzendem Verhalten einhergehen. Nur wenige reden darüber so offen wie du, obwohl insbesondere viele junge Mädchen davon betroffen sind und man die Narben auch im Erwachsenenalter noch sieht. Es ist allerdings auch nicht leicht, dieses Thema anzusprechen. Empfindest du es als übergriffig, auf deine Narben angesprochen zu werden?
Ich finde es auf jeden Fall sehr wichtig, darüber zu sprechen. Das Thema wird aber noch sehr stigmatisiert. Die meisten Menschen wissen aber auch nicht, wie sie es ansprechen können. Ich gehe in den Raum eines anderen Menschen hinein, und entweder dieser lässt mich hinein oder nicht. Aber es kommt immer auf die Art und Weise an, wie man fragt. Ich wurde früher sehr lange und extrem ausgelacht und ausgegrenzt, weil ich „anders“ war – besonders wegen meiner Narben. Ich wurde als krank angesehen und viele Menschen hätten Angst gehabt, mit mir Zeit zu verbringen, weil sie die Hintergründe nicht kannten. Sie haben nur einen Menschen gesehen, der in der Heilungsphase ist. Ich möchte damit niemanden triggern, aber wenn Wunden verheilen, siehst du das. Ich spreche offen darüber, aber ich muss erkennen können, dass mein Gegenüber versucht, mich zu verstehen. Auf Instagram kommt es sehr oft vor, dass Menschen irgendwelche Kommentare abgeben, die zwar nicht böse gemeint sind, bei denen ich mich aber nicht öffnen würde. Das ist mein Safe Space zu entscheiden, wie und was ich erzähle.
Im vollständigen Podcast-Interview erfährst du, welches Mindset Vivian auf ihrem Weg der Besserung geholfen hat und welche Pläne sie als angehender Mental Coach für die Zukunft hat:
Ob mit oder ohne diagnostizierter Depression: Jeder sollte auf seine psychische Gesundheit achten. Wir zeigen dir, welche Kleinigkeiten im Alltag helfen können:
Solltest du oder eine dir nahe stehende Person an einer Depression leiden oder Suizidgedanken äußern, kannst du dich für einen ersten Rat anonym, kostenlos und rund um die Uhr an die Telefonseelsorge unter 0800/1110111 und 0800/1110222 wenden. Weitere hilfreiche Informationen findest du auf https://www.telefonseelsorge.de/.
Bildquelle: Fab4Media/Vivian Cole