Das Stuttgarter Start-up „The Female Company“ bietet Bio-Tampons im Abo an und spendet einen Teil des Gewinns an Flüchtlingsheime und Frauenhäuser in Deutschland. Doch ist es nicht etwas übertrieben, auch noch bei Tampons auf Bio-Qualität zu achten? Ich habe mir von Sinja Stadelmaier, einer der beiden Gründerinnen, erklären lassen, was so problematisch an herkömmlichen Tampons ist und außerdem einen richtig guten Karrieretipp bekommen.
desired: Bevor ich mich mit „The Female Company“ beschäftigt habe, wusste ich gar nicht, was ich mir unter Bio-Tampons vorstellen kann. Dann habe ich auf eurer Webseite gelesen, dass in herkömmlichen Tampons bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten sind. Darüber hatte ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Wann ist dir das zum ersten Mal bewusst geworden?
Sinja: Also klassischerweise bekommen Frauen ihren ersten Tampon von ihrer Mutter in die Hand gedrückt, wenn sie zum ersten Mal ihre Periode haben. Dann vertraut man dem Produkt, stellt es nicht infrage und wechselt wahrscheinlich auch die Marke nicht. Sprich, es muss erst irgendein Vorkommnis geben, damit man sich damit auseinandersetzt. Es gibt zum Beispiel Frauen, die im Laufe der Zeit eine Polyesterunverträglichkeit entwickeln. Oft wird auch durch Hormonveränderungen nach der Schwangerschaft verstärkt auf Bio-Qualität geachtet. Bei mir ist das Bewusstsein tatsächlich erst mit der Gründungsidee aufgekommen. Vorher habe ich einfach meine Standardmarke benutzt. Erst durch die Recherchen haben wir herausgefunden, wie der Markt für Damenhygiene momentan aussieht. Es besteht zum Beispiel keine Deklarationspflicht, das heißt, die Hersteller müssen auf der Verpackung nicht genau draufschreiben, was in den Tampons enthalten ist. Da haben sich bei uns die Nackenhaare aufgestellt: Wir dachten uns, dass es nicht sein kann, dass gerade bei so einem sensiblen Produkt und an so einer sensiblen Stelle nicht mehr drauf geschaut wird.
Kannst du dir erklären, warum sich die meisten Frauen nicht damit befassen, woraus ihre Tampons hergestellt werden? Ist es eher fehlende Aufklärung oder ganz einfach Desinteresse?
Ich glaube, es ist ein bisschen von beidem. Das Interesse ist schon da, das merken wir jetzt auch am Feedback. Frauen sind generell untereinander total offen, über ihre Periode zu sprechen. Wenn es dann aber um die Öffentlichkeit geht oder Männer dabei sind, ist es schon wieder etwas ganz anderes. Aber mit dem Thema Periode beschäftigt man sich ja sowieso monatlich, aber eben meist mit nicht sehr positiven Gedanken. Man möchte es lieber hinter sich bringen, oder? Man beschäftigt sich also auch nicht mit dem Produkt. Also läufst du zum Regal in der Drogerie, weißt schon, was du nimmt und dann musst du dich hoffentlich einen Monat lang wieder nicht damit beschäftigen. Ich tue zwar meinem Körper etwas Gutes damit, aber es ist anders als mit Genussmitteln, Nahrung oder Kleidung. Zum anderen ist es so, dass die Herstellung bisher noch nicht thematisiert wurde. In Deutschland gibt es nicht so viele bekannte Marken, und wenn noch nicht darüber gesprochen wurde, gibt es eben auch kein Bewusstsein dafür.
Ich habe mir bisher auch keine Gedanken darüber gemacht, woher die Rohstoffe für Tampons kommen. Eure sind ja auch GOTS-zertifiziert (Global Organic Textile Standard)...
Genau, unser Partner ist GOTS-zertifiziert. Das ist das höchste Siegel für Bio-Textilien, durch das verschiedene Aspekte, wie Löhne, soziale Standards und der Anbau ohne Pestizide sichergestellt werden. Wir sind froh, dass wir unseren Kunden diese hohe Qualität bieten können.
Wo wir gerade beim Thema Nachhaltigkeit sind: Derzeit verwenden immer mehr Frauen Menstruationstassen, weil diese weniger Müll produzieren. Warum setzt ihr dann immer noch auf Tampons? Seid ihr von Menstruationstassen nicht überzeugt?
Beides hat seine Vor- und Nachteile. Menstruationstassen liegen im Trend. Da gibt es bereits viele Unternehmen, die einen guten Standard anbieten. Es gibt aber auch viele Frauen, die Probleme damit haben – sei es beim Einführen oder, weil sie sich einfach nicht rantrauen. Es ist ein großer Bruch in der Handhabung und in der Gewohnheit. Wir haben gemerkt, dass viele Frauen nicht bereit sind, diesen Schritt zu gehen und Alternativen suchen.
Ist der Bio-Tampon denn vollkommen biologisch abbaubar? Könnte man den einfach in den Biomüll werfen?
Aktuell sind unsere Tampons zu 95 Prozent biologisch abbaubar, weil zwischen den Fasern noch ein natürlicher Klebstoff benutzt wird, damit diese zusammenhalten. Dieser ist ganz natürlich. Aber langfristig wollen wir die Tampons so weiterentwickeln, dass sie zu 100 Prozent abbaubar sind. Schon jetzt sind wir allerdings im Vergleich zu herkömmlichen Tampons ökologischer. Die brauchen teilweise mehrere hundert Jahre, bis sie verrotten, während unsere etwa ein Jahr brauchen. Das ist ein Riesenunterschied.
Wenn ich mit meinen Freundinnen über Periodenprodukte rede, merke ich, wie erstaunlich markenbewusst viele bei Tampons sind. Viele empfinden die Oberfläche von Eigenmarken-Tampons als zu rau, während die teuren eine Spezialbeschichtung haben, mit der es besser flutscht. Ich hatte von euch noch keins in der Hand, aber ich habe gelesen, dass eure auch richtig glatt sein sollen. Wie habt ihr das hinbekommen ohne auf Kunstfasern zu setzen?
Bei den bekanntesten deutsche Tamponmarken werden zum Beispiel Polyesterfasern eingearbeitet, damit sie besser gleiten. Wir verzichten darauf, aber man kann die Baumwollfasern auch so verweben, dass der Tampon nicht rau ist. (lacht und packt ein Tampon aus, um es mir zu zeigen) Kannst ja einfach mal anfassen.
Er ist natürlich nicht ganz so gleitend wie ein beschichteter Tampon. Aber tatsächlich bekommen wir zur Qualität der Tampons das beste Feedback. Wir haben auch gemerkt, dass es nichts bringt, ein freches Branding aufzubauen oder eine offensivere Marketingstrategie zu haben, wenn das Produkt keine astreine Qualität bietet. Dementsprechend haben wir auch lange nach unserem Produktionspartner gesucht und sind jetzt sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Eure Tampons kann man im Abo kaufen, außerdem werden sie unter besseren Bedingungen hergestellt und zusätzlich wird auch noch ein Teil des Verkaufspreises gespendet. Da hätte ich erwartet, dass das bestimmt ganz schön teuer sein würde. Auf eurer Seite sah ich dann aber, dass eure Preise gar nicht so hoch sind. Reguläre Markentampons sind schließlich auch nicht günstig. Sind diese also dann völlig überteuert?
Grundsätzlich sind wir minimal teurer, weil allein Bio-Baumwolle im Einkauf teurer ist als herkömmliche Baumwolle. Wir liegen jetzt bei einem Lieferpreis im Abo von 9,90 Euro, das man sich im Paket alle drei Monate liefern lassen kann. Damit kann man sich dann immer seine Box auffüllen, die man bei der ersten Lieferung bekommt. Das sind auf den Monat gerechnet 3,30 Euro für 14 Tampons. Damit liegen wir minimal über „O.b.“ aber mit jedem abgeschlossenen Abo gehen eben noch Spenden an Frauen, die sich keine Tampons leisten können.
Wir haben den Preis absichtlich nicht so hoch gesetzt, weil wir die Tampons für eine breitere Masse zugänglich machen wollten. Wenn man sich seine Box alle vier Monate auffüllen lässt, zahlt man umgerechnet monatlich sogar nur 2,50 Euro. Die kriegt man immer verpackungsfrei, damit wir nur einmal eine nachhaltige Box liefern.
Die Lieferung landet dann also einfach im Briefkasten?
Genau, das ist so ein kleiner Briefkarton. Die Lieferung landet dann also auch nicht beim Nachbarn oder so, sondern man bekommt immer pünktlich seine Lieferung nach Hause und kann dann die Tampons in die Box füllen.
Ihr seid ja nicht die Einzigen, die das Prinzip „Buy One Give One“ verfolgen. Neulich haben wir zum Beispiel mit Mitarbeitern von „Share“ und „Ruby Cup“ gesprochen. Anders als der Menstruationstassen-Hersteller„Ruby Cup“ habt ihr euch dafür entschieden, dass ihr an Flüchtlings- und Frauenhäuser hier in Deutschland spendet und nicht nach Afrika oder in andere Regionen. Wie kam es dazu?
Der Gedanke war am Anfang schon da, weil die Gründungsidee entstand, als wir beide in Indien rumgereist sind. Auch in anderen Ländern gibt es viele große Probleme. Wir kamen aber damals zurück nach Deutschland und haben gemerkt, dass die Periode selbst hier bei uns ein Tabuthema ist und viele Frauen auch hier im Umgang damit Probleme haben. Erstmal haben wir uns entscheiden, das Ganze in Deutschland anzugehen, um überwachen zu können, was gebraucht wird und was ankommt. Aktuell kooperieren wir mit dem Stuttgarter Verein „GirlsForGirls Community e.V.“. Langfristig sind wir aber auch gewillt, das in die Welt hinaus zu tragen.
Bei und ist es inzwischen aber kein „Buy One Give One“ -Prinzip mehr, weil wir mit jedem abgeschlossenen Abo einen gewissen Betrag an Hygienemitteln spenden. In Flüchtlingsheimen zum Beispiel werden nicht unbedingt Tampons gebraucht, sondern auch andere Produkte, schon aus religiösen Gründen. Deswegen werden da oft eher Binden oder Slipeinlagen benötigt. Um diesen Frauen grundsätzlich mit dem Thema Periode zu helfen, spenden wir den anteiligen Gegenwert des Produkts. Die Gründerin von „Share“ kenne ich übrigens, die sind auch super!
Genau das hatte ich mich gefragt, ob Frauen in Flüchtlingsheimen aus anderen Kulturen überhaupt so viel mit Tampons anfangen können…
Richtig, wir heißen ja auch „The Female Company“, weil es sich bei uns ums Frausein und um nachhaltige Lösungen für den Alltag von modernen Frauen dreht. Wir sind nicht nur auf den Tampon fokussiert. Unsere Zukunftsvision ist eigentlich, dass wir langfristig noch weitere Produkte hinzunehmen. Alles, was den Alltag von Frauen erleichtert und positiver gestaltet, mit einem schönen Branding. Wir haben auf Instagram schon Nachrichten bekommen wie: „Ich hab jetzt bei euch bestellt, jetzt freu ich mich sogar schon auf meine Tage!“ Das ist unser Ziel: Die Periode mit etwas Schönem verbinden zu wollen und das schließt langfristig gesehen nicht nur den Tampon ein, sondern auch andere Produkte.
Ihr seid auch auf Instagram recht aktiv und habt einen Blog, auf dem ihr euch nicht nur mit der Periode, sondern zum Beispiel auch mit Body Positivity auseinandersetzt…
Es geht bei uns eben nicht nur um Tampons und die Periode, sondern auch darum, was uns Frauen sonst noch so beschäftigt. Auf unserer „Boob’s Box“ sieht man auch ganz viele verschiedene Brüste, weil es darum geht, Frauen dadurch ein neues Selbstbewusstsein zu vermitteln. Jetzt nicht die Feministin raushängen zu lassen, sondern einfach stolz darauf zu sein, was man kann, was man geleistet hat. Wir featuren auch einige andere Gründerinnen bei uns im Blog, weil wir finden, dass inspirierende Frauen und Frauen allgemein zusammenhalten und sich gegenseitig stärken sollten. Was uns eben alle vereint, ist nun mal die Periode. Das halten wir für die schönste Brücke für diese Botschaft.
Ihr seid ja auch zwei junge Gründerinnen und konntet sicher schon einige Erfahrungen in der Start-up-Szene sammeln. Werdet ihr für das, was ihr macht, manchmal von Männern belächelt?
Jein. Grundsätzlich sind Tampons und Periode schon mal für einen Schmunzler gut. Man ist auch als Frau auf diesen Start-up-Veranstaltungen relativ einsam, weil in Deutschland nur etwa 14,6 Prozent der Gründerinnen Frauen sind. Auf den ganzen Events rennen also auch relativ wenige rum. Wenn du da dann natürlich mit einer rosafarbenen Box etwas von Tampons erzählst, dann hast du einerseits die Aufmerksamkeit auf deiner Seite, was cool ist, weil das Thema dann Gehör findet. Andererseits gibt es natürlich immer irgendwelche Leute, die die Nase rümpfen. Aber das sind wirklich Ausnahmen. Die große Mehrheit findet es total cool und mutig. Das ist eben etwas, das es nicht so oft gibt, dass sich zwei Frauen hinstellen und frei raus über Periode, Menstruationsbeschwerden und Tampons sprechen.
Jetzt, wo du dich die vergangenen Jahre selbst mit Unternehmertum beschäftigt und eine Firma gegründet hast: Hast du einen Ratschlag, denen du anderen Frauen geben würdest, die auch mit der Idee spielen?
Ich würde allen den Tipp geben, nicht aufzugeben nach etwas zu suchen, was einen interessiert, wofür man brennt. Ich brenne jetzt nicht unbedingt für meine Periode jeden Monat (lacht), aber eben für das Thema, den Alltag für Frauen nachhaltiger zu gestalten.
Ich glaube, wenn du einfach nicht aufgibst, irgendetwas zu finden, auch wenn der Bereich noch so absurd oder unmöglich klingt – einfach trotzdem machen! Und möglichst früh damit anfangen! Das habe ich gelernt: Je früher du das machst, desto besser. Am besten auch schon im Studium, wenn du wenig andere Verpflichtungen und geringere Kosten hast. Das heißt: Wenn du die Idee hast und den Mut, dann solltest du einfach direkt damit anfangen, ohne groß Zeit zu verschwenden. Wenn du dich immer nur fragst, was wäre gewesen, wenn ich das damals doch verfolgt hätte, ärgerst du sich später nur. Dann lieber zwei, drei Mal auf die Nase fallen und was draus gelernt haben, als es nie versucht zu haben. Das ist gerade mein Lebensmotto.
Das ist doch ein schönes Schlusswort! Vielen Dank Sinja für das interessante Interview!
Bildquelle: Mario Schattner, The Female Company