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„Es reicht“-Kolumne von Silvi Carlsson

Komm schon, lächel doch mal! So gefällst du mir viel besser

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„Ach, du hast so ein hübsches Gesicht. Lächel doch mal, dann würdest du noch viel besser aussehen.“ Danke, Thomas, für die Erinnerung, dass ich hier auf der Welt bin, um hübsch auszusehen. Ich hatte es doch glatt wieder vergessen. 

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Frauen müssen schön sein. Das sind sie der Welt schuldig. Das sagt uns jede Frauenzeitschrift, jede Kommentarleiste auf weiblichen Instagram-Kanälen und die gesamte Film- und Werbeindustrie. Die Wahrheit ist, dass wir einen Scheiß müssen. Zumindest in meiner Welt. Aber wie fest sitzt dieser Glaubenssatz noch in unseren Köpfen? Wie tief haben sich jahrhundertlange Machtkonstrukte in uns verankert?

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Resting Bitch Face

Schauen wir in die Kommentare auf Youtube oder Instagram, fällt auf, dass Frauen meist optisch bewertet werden. Zu dick, zu dünn, zu viel Makeup, mit blonden Haaren siehst du aber besser aus. Es kann um ein simples Papierflieger-Tutorial gehen und du wirst einen Kommentar zum vermeintlichen Attraktivitätslevel in den Kommentaren finden, wenn dort eine Frau sitzt. Top, die Wette gilt! Männer dürfen in der Regel rein optisch gesehen einfach sein. Wie schön. Ich bin ganz offen und ehrlich einfach sauneidisch darauf.

Beschäftigen wir uns mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, kommen wir nicht daran vorbei, wie die Presse anfänglich ihre Outfits kritisierte oder aber auch ihre Frisur. Wurde das jemals bei einem Gerhard Schröder oder Helmut Schmidt gemacht? Und ja, ihr ahnt es: Das hier ist eine rhetorische Frage. Die Beispiel-Liste ist noch lange nicht zu Ende. Ein paar Kostproben der Öffentlichkeit: Victoria Beckham wird seit Jahren in der Presse für ihr nicht vorhandenes Lächeln verurteilt. Weil sie nie auf Paparazzi-Fotos lacht, gibt es Artikel mit dem Titel „Das gestohlene Lachen der Victoria Beckham“ und der 2. vorgeschlagene Google-Suchbegriff nach „David Beckham“ lautet „Victoria Beckham Lachen“. Vergeblich suchen die Menschen auch bei Twilight-Schauspielerin Kristen Steward nach einem Lächeln und oh Wunder, es gibt natürlich auch einen Namen dafür: Resting Bitch Face. Jede Frau, die nicht permanent dafür sorgt mit ihrem Lächeln anderen ein gutes Gefühl zu geben, darf sich diese Bezeichnung gerne zu Eigen machen. Laut Klatschmagazinen haben wir aber auch schon den vermeintlichen Grund dafür: der „unsympathische“ Gesichtsausdruck helfe gegen Falten. Na immerhin. Dann sind wir Resting Face Bitches eben nur halb so hübsch, aber dafür doppelt so lang.

Bei Männern gibt es das übrigens auch. Weniger bekannt, aber es nennt sich Resting Asshole Face. Prominente Vertreter darunter sind zum Beispiel der Schauspieler Ed Westwick (oder eher bekannt als Chuck Bass aus Gossip Girl). Der wurde ganz aktuell vom Magazin Glam’Mag zum Sexiest Man Alive 2021 gewählt. Nicht, dass ich diesen Preis für gut heiße. Aber es zeigt mir: Männer bekommen für ein fehlendes Lächeln also einen Preis, Frauen unangenehme Aufforderungen. Genau mein Humor.

„Barbie“ – oder auch „Das unerreichbare Schönheitsideal“

Das Lächeln in der Wissenschaft

Unterschiede werden auch in der Wissenschaft erkannt. Die Lächel-Forscherin Marianne La France macht als Dozentin mit ihren Student*innen immer wieder ein Experiment. Frauen dürfen den ganzen Tag nicht lächeln, sondern müssen ganz neutral durch die Welt gehen. Den ganzen Tag einfach nicht lächeln stelle ich mir persönlich schwer vor. Ich bin aber auch eine positive Person. Oder ist es doch was Anderes? Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon ein wenig Bedenken, dass sich andere dadurch schlecht fühlen könnten. Irgendwie absurd.

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Die Männer sollen bei diesem Versuch hingegen den gesamten Tag lächeln. Beim Einkaufen, beim Geld holen in der Bankfiliale, bei jeder Unterhaltung. Nicht grinsen, sondern einfach nett lächeln. Das Ergebnis stimmt mit meinen Gedanken überein: Frauen haben Angst, dass sie unfreundlich wirken. Männer, dass andere denken, mit ihnen stimme etwas nicht. Sie fühlten sich unmännlich. Alleine hier wird klar, wie unterschiedlich die Perspektive auf die Welt ist und wie sehr sie uns alle limitiert. Wie sehr wir in Erwartungshaltungen gefangen sind. Frauen leiden unter dem Druck für andere immer „schön“ sein zu müssen. Männer hingegen möchten oftmals unbedingt männlich wirken und manchmal so sehr, dass es in der altbekannten toxischen Männlichkeit endet, unter der nicht nur andere Menschen, sondern vor allem sie selbst leiden.

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Die Einstiegsdroge in den Sexismus-Zirkus

Kommen wir also zurück zum Kern des Lächel-Dilemmas. Der Satz „Komm schon lächel doch mal“ klingt wie eine Lappalie, aber ich weiß, wieviele Frauen dasitzen und wild nicken werden. Denn, dass Fremde eine Frau auffordern zu lächeln hört sich vielleicht an wie Firlefanz, aber es zeigt uns, mit welchen Erwartungshaltungen wir Menschen den Sexismus schon in den kleinsten Alltagssituationen erfolgreich leben und nicht mal bemerken. Denn es passiert ständig. Wenn ein Fremder uns sagt, was wir mit unserem Körper machen sollen, ist das übergriffig. Die Lächel-Aufforderung ist quasi die milde Variante von Belästigung. Aber es ist eben Belästigung. Quasi die Einstiegsdroge in den Sexismus-Zirkus. Deswegen starten wir doch einfach mal hier: Verlangt von Frauen in Zukunft nicht mehr, dass sie lächeln und unterstellt ihnen keine negativen Eigenschaften, nur weil sie es nicht tun.

„Die Welt wäre doch aber so viel schöner, wenn alle Lächeln würden! Wenn wir jetzt damit aufhören, wird doch alles nur noch kälter für uns.“

Das mag stimmen. Bitte, versteht mich da nicht falsch. Es ist toll, wenn jemand lächelt. Und zwar dann, wenn die Person ehrlich lächeln mag. Wir sollen ja auch nicht aufhören zu lächeln. Nur eben aufhören zu lächeln, weil wir denken, andere sehen uns dann als nicht mehr so wertvoll an, wenn wir es nicht tun. Und vor allem, das Lächeln von Anderen abzuverlangen und zu erwarten, sollte sich jeder schleunigst aus dem Kopf schlagen. Diese Machtkonstrukte akzeptiere ich nicht mehr. Augenhöhe ist das Zauberwort. Frauen sind nämlich nicht die Feelgood-Managerinnen von Hans und Franz. Schafft euch doch einfach einen Hund an, wenn ihr einen treuen Wegbegleiter wollt, der euch immer fröhlich ins Gesicht hechelt, äh lächelt. Aber keine Frau auf dieser Welt schuldet es dir, hübsch auszusehen und dich mit einem Lachen zufrieden zu stellen. Auch wenn du dich dann besser fühlen würdest. Dafür bist du (zum Glück) ganz alleine verantwortlich. Also hör bitte einfach endlich auf, Frauen zu sagen, dass sie lächeln sollen. Auch du, Thomas.

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Bildquelle: Silvi Carlsson

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