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Interview

Ronja von Wurmb-Seibel: „Ständiger Nachrichten­konsum macht hilflos“

ronja von wurmb seibel

Der Krieg in der Ukraine, die nicht endend wollende Corona-Krise oder die Auswirkungen des Klimawandels: Bei der aktuellen Nachrichtenlage ist es schwer, sich nicht runterziehen zu lassen und sich hoffnungslos zu fühlen. Es gibt jedoch Wege, wie wir der Allgegenwärtigkeit schlechter Nachrichten entkommen können und trotzdem informiert bleiben. Die Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel hat zu diesem Thema ein hochaktuelles Buch geschrieben und uns im Interview erklärt, warum sie aufgehört hat, täglich Nachrichten zu konsumieren.

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Dies ist die gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir im aktuellen desired-Podcast anhören!

desired: Viele Menschen haben in den letzten Jahren durch die Corona-Krise reflektiert, wie sie Nachrichten konsumieren und sich auch zeitweise für ein „Nachrichten-Detox“ entschieden. Wie kam es bei dir dazu?

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Ronja von Wurmb-Seibel: Bei mir ist das Ganze schon ein bisschen länger her. 2013 und 2014 habe ich als Reporterin in Kabul in Afghanistan gelebt und habe dort gemerkt, dass das viele Leid und die negativen Geschichten um mich herum mir total zu schaffen gemacht hat. Gar nicht so sehr beim Nachrichten konsumieren, sondern vielmehr beim Nachrichten produzieren. Dort habe ich dann beschlossen, auch bei schlimmen Geschichten immer auch zu schauen, eine Art Hoffnungsschimmer zu finden. Im Optimalfall einen Ansatz für eine Lösung, die es aber nicht immer so einfach gibt, oder aufzeigen, wer sich dafür einsetzt, dass es besser wird. Das habe ich gleich bei der ersten Geschichte so gemacht und dann auch nicht mehr damit aufgehört.

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2015, als ich dann wieder zurück in Deutschland war, habe ich gemerkt, dass selbst Nachrichten zu konsumieren mir einfach nicht guttut, ich mich ohnmächtig und hilflos dabei fühle. Ich habe dann aufgehört, klassische Nachrichtenformate zu schauen, zu hören oder zu lesen – bis heute. Ich informiere mich schon, aber ich schaue keine Tagesschau oder Brennpunkte, höre keine Radionachrichten oder lese keine Zeitungen, sondern lese eher hintergründige Sachbücher oder schaue Dokumentarfilme. Ich habe gemerkt, dass mir das wahnsinnig guttut. Es ist gar nicht so, dass ich wegschaue, sondern ich fühle mich viel mehr aktiviert, selbst etwas zu tun, mich in der Gesellschaft aktiv zu beteiligen.

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Es gibt also wirklich Tage, an denen du gar nichts von der aktuellen Nachrichtenlage erfährst?

Ja, sehr viele sogar. Irgendwann habe ich auch gemerkt, dass ein Großteil der Nachrichten keine total weltbewegenden Dinge sind, sondern meist geht es nur darum, was sich seit gestern verändert hat. Gerade im Wahlkampf geht es darum, welcher Politiker oder welche Politikerin was gesagt hat und das habe ich für mich irgendwann als nicht mehr sehr gewinnbringend gesehen. Ich lese sehr viele Bücher, zum Beispiel über die Klimakrise, Rassismus oder soziale Ungleichheiten. Das sind ja Themen, die sich nicht jede Woche komplett verändern, sondern bei denen es darum geht, grundlegende Sachen zu verstehen und anders zu machen. Am Anfang hatte ich schon die Angst, etwas zu verpassen, aber ich habe dann schnell gemerkt, dass ich so besser informiert bin.

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Was macht die aktuelle Nachrichtenlage mit dir? Um die Eindrücke zu reflektieren, helfen Gespräche mit Freund*innen und Journaling:

Für deine psychische Gesundheit: Probier’s mal mit Journaling Abonniere uns
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Kam es dann nie vor, dass du etwas Wichtiges verpasst hast und erst von anderen Leuten informiert wurdest?

Doch, klar kommt das vor, aber ich finde das auch gar nicht schlimm. Nachrichten sind sowieso nur ein Ausschnitt unserer Welt, egal, wie viel Nachrichten wir schauen. Ich bin ein sehr politischer Mensch und gerade deswegen finde ich es ganz normal, dass es unterschiedliche Themen gibt, die uns stark bewegen. Dass ich mich mehr in den Bereichen informiere, die mich stark bewege und dann in anderen Bereichen mal etwas nicht mitbekomme, finde ich ganz normal und das sage ich dann auch.

In den letzten Wochen habe ich oft von anderen Menschen gehört, dass sie oft eine Art sozialen Druck empfinden, dass sie ja auch informiert sein müssen. Das hängt auch immer vom eigenen Umfeld ab. Bei mir persönlich habe ich gemerkt, dass auch total spannende Gespräche entstehen, wenn ich das thematisiere. Mein Aufruf ist jetzt auch nicht zu sagen: „Schaut keine Nachrichten!“, aber es kann helfen, zu gucken, wie viel ich konsumiere und ob mir das guttut. Das ist sehr individuell, da gibt es keine Faustregel.

In meinem Kopf hat sich verankert, dass man als politisch informativer Mensch immer up to date bleiben muss, dabei kommt es ja eher auf die Qualität der Informationen als die Quantität an ...

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Total. Unausgesprochen gibt es oft diesen Anspruch, dass man als guter Bürger oder Bürgerin informiert sein und alles mitkriegen muss. Ich finde, das muss man sowieso überhaupt nicht. Es gibt ja auch Leute, die das gar nicht interessiert. Das ist auch ok für eine demokratische Gesellschaft, auch wenn es natürlich schon toll ist, wenn sich möglichst viele Leute informiere, interessieren und einbringen. Meine Erfahrung ist nur, dass ich beim Konsum zu vieler Nachrichten einen Abwehrreflex entwickle und mich so hilflos fühle, dass ich das Gefühl bekomme, eh nichts machen zu können.

Bei den Recherchen zu meinem Buch und auch schon davor habe ich gemerkt, dass das nicht nur mir persönlich so geht, sondern es inzwischen breit erforscht ist, dass negative Nachrichten genau diesen Effekt haben. Es entsteht der Effekt, dass wir uns ganz erschlagen fühlen und sagen: „Da kann ich eh nichts machen.“ Wenn wir darüber reden, wie wir uns als politische Menschen einbringen können, finde ich es total wichtig, neben den Problemen auch über Lösungen zu sprechen, so eine Art gesellschaftliche Gebrauchsanweisung vielleicht.

Im vollständigen Podcast-Interview erklärt Ronja, warum es so wichtig ist, trotz aller schlechter Nachrichten auf der eigenen Welt das eigene Leben zu genießen:

Exzessiver Nachrichten- und Social Media-Konsum kann schwerwiegende Folgen für deine Psyche haben. Anstatt ständig zum Smartphone zu greifen, solltest du diese kleinen Rituale in deinen Alltag einbauen:

16 Dinge, die du jeden Tag für deine Psyche tun kannst

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Bildquelle: Niklas von Wurmb-Seibel

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