Ihr habt noch vor Kurzem regelmäßig Nachrichten ausgetauscht, gemeinsam gelacht und Pläne geschmiedet – und plötzlich scheint dein Freund oder deine Freundin wie vom Erdboden verschluckt? Dieses „Ghosting“ in Freundschaften (jep, so etwas findet nicht nur in Liebesbeziehungen statt) kann verwirrend und verdammt verletzend sein. Vor allem, wenn es bei jahrelangen Verbindungen stattfindet, die eigentlich total stabil wirkten. Doch warum brechen Freund*innen den Kontakt ab – oft sogar ohne vernünftige Erklärung? Hier kommen sechs mögliche Gründe!
#1
Sie durchleben eine persönliche Krise
Menschen, die mit eigenen Problemen kämpfen, ziehen sich häufig zurück – nicht, weil sie die Freundschaft nicht schätzen, sondern weil sie momentan keine emotionalen Ressourcen haben. Ob Depressionen, Beziehungsprobleme, berufliche Krisen oder familiäre Sorgen: In schweren Zeiten fällt es vielen schwer, präsent zu sein und sich mitzuteilen. Sie befürchten vielleicht, andere mit ihren Problemen zu belasten, oder haben schlicht keine Energie für soziale Kontakte. Besonders Menschen, die ihre Probleme lieber mit sich selbst ausmachen und schwere Zeiten nach außen kaum zeigen, neigen dazu, statt Hilfe zu suchen einfach abzutauchen.
#2
Die Lebensphasen haben sich auseinanderentwickelt
Freundschaften verändern sich, wenn sich Lebenswege trennen. Wenn aus dem gemeinsamen Studentenleben plötzlich unterschiedliche Realitäten werden – die eine macht Karriere in einer Großstadt, der andere gründet eine Familie auf dem Land – können Gemeinsamkeiten schwinden. Mit unterschiedlichen Alltags-Prioritäten und Zeitplänen wird es schwieriger, Anknüpfungspunkte zu finden. Manche Menschen ziehen sich dann zurück, weil sie das Gefühl haben, mit ihrem aktuellen Leben nicht mehr in das des anderen zu passen. Und anstatt die Veränderung offen anzusprechen, erscheint der stille Rückzug als einfacherer Weg.
#3
Sie fühlen sich in der Freundschaft nicht mehr wohl
Manchmal gibt es einen konkreten Auslöser für den Rückzug – ein Konflikt, unterschiedliche Wertvorstellungen oder ein Vertrauensbruch. Häufiger jedoch sind es schleichende Veränderungen: das Gefühl, nicht mehr gesehen oder geschätzt zu werden, eine unausgewogene Balance von Geben und Nehmen oder wiederkehrende Muster, die als belastend empfunden werden. Menschen mit geringer emotionaler Intelligenz sind oft nicht in der Lage, diese Probleme anzusprechen. Statt ein klärendes Gespräch zu suchen, wählen sie den Weg des geringsten Widerstands – und verschwinden einfach.
Und wenn wir schon über Ghosting sprechen ...
Welche miesen Trends haben sich – gerade auch auf die Dating-Welt bezogen – in den letzten Jahren so entwickelt? Die Antwort gibt's im Video.
#4
Sie haben zu hohe Erwartungen an Freundschaften
Die sozialen Medien präsentieren uns ein Idealbild von Freundschaft: stets verfügbare Menschen, die alles miteinander teilen und in jeder Lebenslage füreinander da sind. Die Realität sieht oft anders aus. Wer an diese idealisierten Vorstellungen glaubt, erlebt zwangsläufig Enttäuschungen. Statt ihre Erwartungen anzupassen, reagieren manche Menschen mit komplettem Rückzug, wenn Freund*innen ihren hohen Ansprüchen nicht gerecht werden. Sie suchen nach der „perfekten“ Freundschaft und merken nicht, dass sie damit echte, wenn auch „unvollkommene“ Verbindungen aufgeben.
#5
Sie haben Angst vor emotionaler Nähe
Paradoxerweise kann Ghosting auch ein Zeichen dafür sein, dass eine Freundschaft zu intensiv wird. Menschen mit Bindungsängsten oder früheren Verletzungen ziehen sich manchmal zurück, wenn eine Beziehung zu eng oder bedeutsam wird. Die zunehmende Nähe löst unbewusste Ängste aus – vor Abhängigkeit, Verletzlichkeit oder möglicher Zurückweisung. Der plötzliche Rückzug ist dann ein Schutzmechanismus: Lieber selbst den Kontakt abbrechen, als später verletzt zu werden. Besonders bei Menschen, die in der Vergangenheit Traumatisches erlebt haben, kann diese Angst vor Nähe tief verankert sein.
#6
Sie stehen unter dem Einfluss von Dritten
Freundschaften existieren nicht im luftleeren Raum. Neue Beziehungskonstellationen können bestehende Bindungen verändern – sei es eine romantische Beziehung, in der der Partner oder die Partnerin skeptisch gegenüber bestimmten Freund*innen ist, ein neuer Freundeskreis, der mehr Zeit in Anspruch nimmt, oder familiäre Verpflichtungen, die Prioritäten verschieben. Manchmal spielen auch Missverständnisse oder Gerüchte eine Rolle: Jemand könnte etwas über dich gehört haben, das nicht stimmt, es aber für bare Münze nehmen und sich deshalb zurückziehen. Besonders in Zeiten großer Lebensereignisse wie Hochzeiten, Geburten oder beruflichen Veränderungen werden Freundschaften oft neu sortiert – nicht immer bewusst und selten mit einer klaren Kommunikation.
Nicht alle Freundschaften halten für immer
Wenn ein*e Freund*in sich plötzlich zurückzieht, ist es wichtig, nicht sofort das Schlimmste anzunehmen oder die Schuld bei dir zu suchen. In den meisten Fällen hat der Rückzug mehr mit der anderen Person und ihrer aktuellen Lebenssituation zu tun als mit dir. Statt den Kontakt komplett aufzugeben, kannst du nach einiger Zeit einen unverbindlichen Versuch wagen, die Verbindung wieder herzustellen – ohne Vorwürfe und mit Verständnis dafür, dass jeder Mensch Phasen durchlebt, in denen er sich zurückziehen muss.
Wenn du trotz Versuch der Annäherung allerdings merkst, dass nicht wirklich etwas zurückkommt, ist es wichtig, dass du auch an dich und deine Grenzen denkst. Denn du bist nicht verantwortlich für das Verhalten anderer und musst dich nicht endlos bemühen, wenn keine Reaktion kommt. Konzentriere dich stattdessen lieber auf die Freundschaften, in denen Kommunikation und gegenseitiger Respekt selbstverständlich sind. Und denk daran: Manchmal kehren Menschen nach einer Phase des Rückzugs zurück – mit neuen Erfahrungen und der Bereitschaft, die Freundschaft auf eine neue Ebene zu heben. Und wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Denn nicht jede Freundschaft ist nun mal dafür bestimmt, ewig zu halten.