Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Frauen verhandeln seltener über ihr Gehalt und akzeptieren häufiger niedrigere Angebote als Männer. Eine WeltSparen-Studie zeigt: 41 Prozent der Frauen haben noch nie ihr Gehalt verhandelt. Nur 6 Prozent tun dies regelmäßig – bei Männern sind es fast doppelt so viele.
Zudem stellte die Hochschule Pforzheim schon in der Vergangenheit fest, dass Frauen deutlich öfter mit einer Gehaltsforderung ins Gespräch gehen, die unter ihren eigentlichen Vorstellungen liegt – und sich dann auch noch häufiger mit einem Angebot zufriedengeben, das deutlich unter ihren Forderungen liegt.
Doch was steckt hinter diesem Verhalten? Welche psychologischen Mechanismen führen dazu, dass Frauen häufiger auf einen angemessenen finanziellen Ausgleich für ihre Arbeit verzichten? Und vor allem: Wie lässt sich das ändern?
#1 Soziale Konditionierung und frühe Prägung
„Frauen wird schon in der Kindheit beigebracht, dass Bescheidenheit eine Tugend ist, dass sie sich anpassen und nicht zu viel verlangen sollen“, erklärt Gehaltscoachin Diana Juric in unserem Podcast. Von klein auf lernen viele Mädchen, sich zurückzunehmen. Diese frühe Prägung wirkt bis ins Berufsleben hinein und schafft Glaubenssätze, die Frauen später bei Gehaltsverhandlungen hemmen. Während von Männern oft erwartet wird, dass sie selbstbewusst auftreten und ihre Interessen vertreten, werden Frauen, die dasselbe tun, häufiger als „fordernd“ oder „schwierig“ wahrgenommen.
#2 Das Imposter-Syndrom wiegt schwerer
Das Gefühl, die eigenen Erfolge nicht verdient zu haben und jederzeit als „Betrügerin“ enttarnt werden zu können, ist unter Frauen weiter verbreitet als unter Männern. Das zeigt unter anderem eine KPMG-Studie aus 2020. Dieses sogenannte Imposter-Syndrom führt dazu, dass viele Frauen ihre eigenen Fähigkeiten und Leistungen unterbewerten. In Gehaltsverhandlungen kann das fatal sein: Wer nicht wirklich davon überzeugt ist, einen höheren Lohn zu verdienen, wird kaum selbstbewusst dafür eintreten.
#3 Die Angst vor negativen Reaktionen
Viele Frauen befürchten, dass das Verhandeln über Gehalt negative Konsequenzen haben könnte – und diese Sorge ist nicht unbegründet. Studien zeigen, dass Frauen, die in Verhandlungen selbstbewusst auftreten, tatsächlich häufiger negative soziale Reaktionen erfahren als Männer mit gleichem Verhalten. Die Sorge, als gierig oder undankbar wahrgenommen zu werden, führt dazu, dass Frauen lieber ein zu niedriges Angebot akzeptieren, als weiterzuverhandeln und möglicherweise Beziehungen zu belasten.
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#4 Das Fokussieren auf andere Faktoren
Für viele Frauen stehen bei der Berufswahl und -ausübung andere Faktoren als das Gehalt im Vordergrund: flexible Arbeitszeiten, ein angenehmes Arbeitsklima, die Vereinbarkeit mit Familienaufgaben oder sinnstiftende Tätigkeiten. Diese Prioritätensetzung ist an sich nicht problematisch – sie kann aber dazu führen, dass das Thema Gehalt in den Hintergrund rückt und Verhandlungspotenzial ungenutzt bleibt.
#5 Fehlende Erfahrung mit Gehaltsverhandlungen
Verhandeln ist eine Fähigkeit, die geübt werden will. Wer selten verhandelt, entwickelt weder Routine noch ein Gespür dafür, welche Strategien erfolgreich sind. Da Frauen statistisch gesehen seltener verhandeln, fehlt ihnen oft diese praktische Erfahrung. Die WeltSparen-Studie zeigt, dass 5 Prozent der Frauen angeben, dass sie ihr Gehalt gern verhandeln möchten, aber nicht wissen, wie sie das tun sollten. Zudem werden Verhandlungsstrategien häufig in männlich geprägten Netzwerken weitergegeben – zu denen Frauen weniger Zugang haben. So entsteht ein Teufelskreis: Ohne Erfahrung fühlen sich viele Frauen in Verhandlungssituationen unwohl, was wiederum dazu führt, dass sie Verhandlungen möglichst vermeiden.
#6 Übermäßiges Nachdenken und Angst vor Ablehnung
„Frauen überdenken Gehaltsverhandlungen schnell zu sehr und haben zu viele Ängste“, beobachtet Diana Juric. „Sie haben das Gefühl, noch nicht genug für die Gehaltserhöhung geleistet zu haben oder dass sie doch eigentlich dankbar für das, was sie haben, sein sollten. Hinzu kommt die Angst vor Ablehnung.“ Diese intensive Selbstreflexion und die Sorge, negativ aufzufallen, lähmt viele Frauen regelrecht. Laut der Gehaltscoachin sind „Männer in diesen Punkten oft direkter und zerdenken das Thema nicht so sehr.“ Die WeltSparen-Studie bestätigt dies indirekt: 28 Prozent der Frauen haben ihre Gehaltsverhandlungen noch nie mit einem Gehaltsplus abgeschlossen – oft auch, weil die Verhandlung gar nicht erst stattfand.
Was können Frauen dagegen tun?
Das Bewusstsein für die eigenen psychologischen Barrieren ist der erste Schritt zur Veränderung. Informiere dich über branchenübliche Gehälter und sei dir deines Marktwertes bewusst. Übe Verhandlungsgespräche vorher mit Freund*innen oder Mentor*innen und nutze konkrete Beispiele deiner Leistungen als Argumente.
Versuche, das Verhandeln nicht als Konfrontation, sondern als gemeinsame Problemlösung zu betrachten. Lege dir Formulierungen zurecht, mit denen du selbstbewusst, aber kooperativ auftreten kannst. Beispiel: „Ich bin überzeugt, dass meine Qualifikationen und Erfahrungen eine Vergütung von X rechtfertigen. Wie können wir gemeinsam zu einer Lösung kommen, die das widerspiegelt?“
Und nicht zuletzt: Sprich mit Kolleg*innen über Gehälter, soweit das möglich ist. Transparenz hilft allen – und besonders Frauen. Denn nur wer weiß, was andere verdienen, kann auch einschätzen, was die eigene Arbeit wert ist.