Allein durch eine andere Atmung in tiefere Bewusstseinsschichten eindringen? Vielleicht sogar high werden? Genau das verspricht Psychedelic Breath® und genau das habe ich stark in Frage gestellt. Bis ich es selbst versucht habe und Dinge erlebt habe, die ich niemals für möglich gehalten habe.
Verschiedene Atemübungen sind seit Jahrhunderten Teil der Yoga- und Pilates-Praxis. Doch seit einer Weile begegnet man immer wieder dem Begriff Psychedelic Breath® und begeisterten Teilnehmer*innen der Seminare, die von einer ganz besonderen Reise sprechen. Teilweise wird von grundlegenden Transformationen, Trance-Zuständen und dem tiefen Eindringen in neue Bewusstseinsschichten berichtet – nur allein durch Atmung. Aber geht das überhaupt? Kann man ohne Drogen in einen Rauschzustand verfallen? Wir verraten dir, was sich hinter dem Trend verbirgt.
Was ist Psychedelic Breath®?
Psychedelic Breath® ist das von Diplom Psychologin Eva Kaczor entwickelte Konzept beruhend auf einer Kombi aus Atmung und Meditation. Mit Hilfe einer dynamischen Atemtechnik wird die Frequenz von Gehirnwellen verlangsamt und damit ein Zugang zu höheren Bewusstseinsebenen geschaffen. Das heißt im Genauen, dass man tiefere Meditationsebenen erreichen kann, als bei einer normalen Meditation.
In der Regel befinden sich unsere Gehirnwellen im normalen wachen und alarmbereiten Zustand im Bereich der Beta-Sequenz, bei einer Psychedelic Breath® Session können sie in den Bereich der Alpha-, teilweise sogar Thetawellen gelangen. Dadurch erreicht man einen bewusstseinsverändernden Zustand, der sich bei manchen durch eine tiefe Entspannung, eine positive Grundstimmung und einem starken Gefühl der Einheit von Körper und Geist äußert. Häufig lösen sich durch Psychedelic Breath® aber auch emotionale und mentale Blockaden, weswegen sich Teilnehmer*innen oft durchgeschüttelt, aufgewühlt und sehr emotional fühlen. In der Regel fühlen sich aber alle selbstlos, schwebend und von ihrem Körper losgelöst. Eben wie in Trance oder einem Rausch.
Einfach mal entspannen ... das scheinen wir alle irgendwie verlernt zu haben. Ständig sind wir mit dem Kopf bei unseren To-Do-Listen und hangeln uns von einer Aufgabe zur nächsten. Dabei sind Auszeiten für den Körper so wichtig.
Wie funktioniert Psychedelic Breath® und was bewirkt es?
Die Grundlage des Psychedelic Breath® bilden zwei verschiedene Atemtechniken, die im Wechsel eingesetzt werden und das vegetative Nervensystem stimulieren. Begonnen wird mit dem Box Breathing (auch Vier-Quadrat-Atmung genannt), die zunächst dein Nervensystem beruhigen soll. Es wird vier Sekunden lang eingeatmet, vier Sekunden die Luft angehalten, vier Sekunden wieder ausgeatmet und vor dem erneuten Einatmen ebenfalls vier Sekunden gewartet. Die zweite Technik heißt „Holotropes Atmen“, bei der schnell aufeinander folgende Atemzüge gemacht werden. Ähnlich einer absichtlichen Hyperventilation. Danach folgt eine Atempause, in der man versucht so lange wie möglich die Luft anzuhalten. Der Rhythmus der Atmung folgt dabei der Musik, in der Regel elektronischen schnellen Tracks.
Bei dieser Atmung wird vermehrt Kohlenstoffdioxid (CO²) aus dem Körper ausgestoßen, weswegen sich der Säure-Basen Haushalt des Körpers verschiebt. Der ph-Wert steigt und die Durchblutung im Großhirn wird verringert. In diesem Zustand kann man leichter aus gewohnten Mustern heraustreten, Alltagsgedanken bei Seite schieben und Ängste und Sorgen vergessen. Am Ende findet man sich in einem meditativen und kreativen Bewusstseinszustand wieder.
Wie läuft ein Psychedelic Breath® Workshop ab?
Psychedelic Breath® Sessions werden von zertifizierten Lehrer*innen und Coaches gehalten. In der Regel trifft man sich in Yoga Studios oder bei speziellen Events. Aber auch bei Online-Kursen kann man gemütlich von zu Hause aus die außergewöhnliche Atemtechnik lernen. Dabei sitzt man, ähnlich wie bei einer Meditation, in einer aufrechten Haltung entweder im Schneidersitz oder auf einem Kissen. Dann schließt man die Augen und beginnt unter Anleitung und in Begleitung von Musik mit der bewusstseinserweiternden Atmung.
Es wird in mehreren Zyklen geatmet, wobei die Atempausen teilweise immer länger werden. Zum Schluss folgt eine Entspannungsphase, wenn du möchtest im Liegen und einem anschließenden Abschlussgespräch, in dem alle wieder in die Gegenwart und den Raum zurückkehren.
Wird man durch die psychedelische Atmung wirklich high?
Zunächst einmal ist wichtig zu verstehen, dass jedes Individuum andere Erfahrungen bei einer Psychedelic Breath® Session macht. So unterscheiden sich auch die Berichte der Teilnehmenden enorm. Während einige von selbstlosen, vom Körper losgelösten Zuständen erzählen, beschreiben viele auch das Erleben von intensiven Gefühlen. Oft empfindet man während eines Workshops tiefe Verbundenheit, Glück, Dankbarkeit und Liebe. Andere wiederum haben eine erweiterte Wahrnehmung und verändertes Zeitempfinden. High werden wir dabei vor allem durch die veränderte Durchblutung des Gehirns. Fakt ist aber: Psychedelic Breath® wird von einer umfassenden Erschöpfung begleitet, da die Atmung für Körper als auch Geist anstrengend ist.
Oft kommt es während einer Psychedelic Breath® Session auch zu folgenden körperlichen Erscheinungen:
- leichter Schwindel
- unkontrolliertes Weinen
- Schmerz in der Nase beim schnellen Einatmen
- raue, trockene Lippen
- Kribbeln in den Gliedmaßen
- verkrampfte Hände
Für wen ist Psychedelic Breath® nichts?
Aufgrund ihrer Intensität ist die Atempraxis nicht für jedermann gedacht. Besonders Menschen, die unter Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Epilepsie leiden, sollten nicht an einer Psychedelic Breath® Session teilnehmen. Auch bei einer bestehenden Schwangerschaft, einer Angststörung oder einer klinischen Psychose nach Operationen und Knochenbrüchen wird von der Atemtechnik abgeraten. Leidest du unter hohem Augeninnendruck oder einer Netzhautablösung nimm bitte ebenfalls an keinem Workshop teil. In allen Fällen ist eine vorherige Absprache mit deinem behandelnden Arzt sehr zu empfehlen!
Meine Erfahrungen mit Psychedelic Breath®
Wie ich dank Psychedelic Breath® meinen Körper ganz neu kennengelernt habe ...
Seit Jahren schon praktiziere ich immer mal wieder Yoga und die dabei empfohlenen, verschiedenen Atemtechniken. Meist aber ohne große „Erfolge“. Deswegen war ich auch sehr skeptisch bei meiner Vorbereitung auf meine erste Psychedelic Breath® Session. Was soll ein bisschen Atmen schon verändern? Aber ich wollte mich dem Abenteuer stellen und bin ohne Erwartungen ins Studio gegangen. Nach einer ersten Begrüßung und einer kurzen Erklärung folgte schon der erste Atem-Zyklus. Noch etwas unsicher und gefangen in meinen eigenen Gedanken und Grübeleien begann nur meine Nase zu kribbeln. Doch das sollte sich schnell ändern ...
Bereits beim 2. Zyklus kribbelte es auch in meiner Stirn und das Gefühl wurde mit jedem Atemzug mehr. Es fühlte sich anstrengend, gleichzeitig aber auch irgendwie beruhigend an. Das Kribbeln in meinen Armen und Beinen wurde immer mehr und ich hatte das Gefühl, ich würde jeden Atemzug, jeden Staubkorn, jede Schwingung im Kursraum auf meiner Haut spüren. Das schnelle Atmen durch meine Nase entwickelte plötzlich einen Schmerz und ich spürte immer mehr, wie sich mein Körper gegen die Technik wehrte. Dann kam die erste Atempause und in mir die Panik hoch, einfach die Luft anzuhalten. Doch ich tat es und fühlte plötzlich so intensive und starke Empfindungen. Da war Schmerz, Trauer, Glück, Liebe – es fühlte sich an, als würde ich all meine erlebten und gelebten Gefühle in meinem Leben noch einmal erfahren. Ich begann zu weinen und hörte bis zur Abschluss-Entspannung am Ende des Kurses nicht mehr auf.
Mit jedem Zyklus fühlte ich mich mehr als würde ich meinen eigenen Körper verlassen. Ich sah ihn da sitzen, wie er krampft und zittert und wild ein- und ausatmet, aber ich fühlte mich einfach nur schwerelos und ohne Boden unter den Füßen. Die Atempausen wurden immer länger, die Gefühle immer intensiver und am Ende merkte ich richtig, wie ich am liebsten gar nicht mehr einatmen möchte. Nach 9 Zyklen beenden wir den Workshop im Liegen und statt elektronischem Beat empfangen nun sanfte Klänge meinen Geist. Ich liege wie ein Embryo zusammengerollt auf der Yogamatte, weine, berühre jede mögliche Stelle meines Körpers und komme nur langsam wieder an. An in der Gegenwart, zurück im Hier und Jetzt, zurück in meinem Körper. Ein Körper, der sich selbst jetzt, einen Tag nach der intensiven Erfahrung, immer noch ein bisschen fremd und verrückt anfühlt. Aber nicht verrückt, im Sinne von wirr und irgendwie falsch, sondern hin- und hergerückt, irgendwie aus der Bahn geworfen. Aber auf die gute Weise.
Sicher ist: Ich habe mich sehr geirrt mit all meinen Vorurteilungen und habe in meiner ersten Psychedelic Breath® Session Gefühle erlebt, die ich nie wieder vergessen werde. Ich habe meinen Körper vollkommen neu kennengelernt, ganz anders gespürt und habe bereits meinen 2. Workshop gebucht. Und das rate ich dir auch! Probiere es aus!
Bildquelle: Unsplash / Tim Goedhart / Motoki Tonn / Matteo Di Iorio