Manchmal braucht es nur ein gutes Buch, um dem Alltag zu entfliehen – und was könnte aufregender sein, als sich in eine andere Zeit zu träumen? Die Seiten aufschlagen, historische Momente hautnah erleben, den eigenen Horizont erweitern und für einen Moment in längst vergangene Zeiten eintauchen – in denen ganz andere Dinge Priorität hatten als das Smartphone oder das nächste Business-Meeting.
Diese sieben Bücher sind wie eine Zeitmaschine zwischen zwei Buchdeckeln – also schnapp dir eine Decke, mach es dir gemütlich und lass dich entführen:
#1 „Stay away from Gretchen: Eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel
Darum geht's: Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Als die Diagnose Demenz im Raum steht, ist Tom entsetzt. Bis die Krankheit seiner Mutter zu einem Geschenk wird: Erstmals erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, den geliebten Großeltern, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter und ihrer Zeit im besetzten Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.
Ein ergreifender Roman, der zwischen Gegenwart und Vergangenheit pendelt – von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Flucht aus Ostpreußen bis hin zum Nachkriegsdeutschland, einer verbotenen Liebe und den Schicksalen der „Brown Babies“. Fesselnd, historisch tiefgehend und absolut lesenswert.
#2 „Daisy Jones & The Six“ von Taylor Jenkins Reid
Darum geht's: Daisy Jones, jung, schön, von ihren Eltern vernachlässigt, hat eine klare Stimme und einen starken Willen: Sie möchte mit ihren eigenen Songs auf der Bühne stehen. Als sie zum ersten Mal gemeinsam mit THE SIX auftritt, ist das Publikum elektrisiert von ihr und Billy, dem Leadsänger der Band. Die beiden zusammen sind nicht nur auf der Bühne explosiv und führen die Band zu ihrem größten Erfolg, auch Backstage sprühen die Funken …
Ein mitreißender Roman über eine fiktive Rockband, der die wilden 70er mit all ihrem Ruhm, Exzess und kreativen Wahnsinn lebendig werden lässt. Authentisch, emotional und absolut süchtig machend – als wäre man hautnah dabei.
Ich war kritisch ...
... denn der Roman ist komplett im Interview-Stil geschrieben! Aber schon nach wenigen Seiten war ich überzeugt: Beim Lesen hat man das Gefühl hautnah in diesem Interview dabei zu sein und zu spüren, wie die unterschiedlichen Charaktere auf die Fragen reagieren – wurde hier ein wunder Punkt getroffen? Wieso möchte die Person nicht so richtig mit der Sprache rausrücken? Steckt hinter dieser Geschichte eigentlich noch mehr? Wirklich spannend! Und auch in diesem Roman hat Taylor Jenkins Reid es wieder einmal geschafft, Emotionen auf eine ganz besondere Art und Weise rüberzubringen und eine ergreifende (Liebes-)Geschichte zu erzählen, die noch lange nachwirkt. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen und kann es allen Lesebegeisterten wirklich nur ans Herz legen.
#3 „Gute Geister – The Help“ von Kathryn Stockett
Darum geht's: Mississippi, 1962: Die junge Skeeter wünscht sich nur eins: Sie will weg aus dem engen Jackson und als Journalistin in New York leben. Um etwas zu verändern, verbündet sie sich mit zwei schwarzen Dienstmädchen: Aibileen zieht die Kinder ihrer Arbeitgeber auf – das Tafelsilber darf sie aber nicht berühren. Und Minny ist auf der Suche nach einer neuen Stelle. Sie ist bekannt für ihre Kochkünste, aber sie ist auch gefürchtet: Denn Minny trägt das Herz auf der Zunge. Gemeinsam beschließen die drei Frauen, gegen die Konventionen ihrer Zeit zu verstoßen und etwas zu wagen. Denn sie alle haben das Gefühl zu ersticken und wollen etwas verändern – in ihrer Stadt und in ihrem eigenen Leben.
Ein ergreifender Roman über Rassentrennung, Ungerechtigkeit und eine Handvoll Frauen, deren Leben und Schicksale auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten, die aber durch Mut, Zusammenhalt und den Drang nach Veränderung miteinander verbunden sind. „Gute Geister“ ist eine Geschichte von Widerstand, Hoffnung und Freundschaft, die einen tief berührt.
#4 „Zwei Leben“ von Ewald Arenz
Darum geht's: 1971 in einem Dorf in Süddeutschland. Nach einer Art Schneiderlehre in der Stadt kehrt die 20-jährige Roberta auf den Hof ihrer Eltern zurück. Sie ist das einzige Kind und wird irgendwann einmal die Bäuerin sein. Hier auf dem Land sind Vergangenheitsbewältigung, Kriegsdienstverweigerung, Feminismus, Popkultur und Miniröcke nichts, womit man sich beschäftigt. Hier zählen Arbeit, Gehorsam und moralisches Verhalten. Roberta träumt davon, eigene Kleider zu entwerfen, aber sie weiß genau, dass das Träume bleiben werden. Zugleich liebt sie ihren Hof und die körperliche Arbeit in der Natur, wo sie sich ganz und gar spürt. Und sie liebt Wilhelm, den Pfarrerssohn. Wilhelm ist nicht nur für Roberta der Grund, im Dorf zu bleiben. Auch seine Mutter Gertrud bleibt wegen ihres Sohnes. Im Gegensatz zu Roberta hasst sie das Landleben und wünscht sich nichts mehr, als weggehen zu können, hinaus in die Welt. Beide Frauen werden schwanger und müssen eine Entscheidung treffen. Doch ein tragisches Unglück gibt ihrer beider Leben eine komplett neue Richtung.
Ein einfühlsamer Roman über zwei Frauen im Dorfleben der 1970er Jahre – über Sehnsucht, Liebe, Lebenswege und die leisen Kämpfe, die im Verborgenen geführt werden.
Einfach authentisch!
Ich liebe die Romane von Ewald Arenz! Er schafft es einfach immer wieder nicht nur die Emotionen seiner Figuren meisterhaft einzufangen, sondern auch die Landschaft, die sie umgibt. In „Zwei Leben“ hat man beinahe das Gefühl, es wehe einem die frische Landluft um die Nase und man würde zusammen mit Roberta auf dem Feld schuften. Und auch sonst habe ich mich Roberta sehr verbunden gefühlt: Habe ihre Zerrissenheit gespürt, auf der einen Seite für die Familie da sein zu wollen und auf der anderen Seite ihren eigenen Träumen nachzugehen, habe sie durch die glücklichen und die schweren Momente begleitet und als ich das Buch zugeschlagen habe gehofft, dass ihr Leben so verlaufen wird, wie sie es verdient hat. Ein wunderbarer Roman mit ganz viel Gefühl!
#5 „Und dahinter das Meer“ von Laura Spence-Ash
Darum geht's: London 1940: Um ihre elfjährige Tochter vor Luftangriffen zu schützen, beschließen die Thompsons schweren Herzens, Beatrix für ungewisse Zeit zu einer Gastfamilie in die USA zu schicken. Nach der langen Schiffspassage trifft Bea wütend und verängstigt in Boston ein, aber schon bald fühlt sie sich bei den Gregorys zu Hause, während ihre Erinnerungen an das Leben in England langsam verblassen. Mit ihren Gasteltern und deren Söhnen William und Gerald teilt Bea nicht nur ihren neuen Alltag, sondern verbringt auch unvergessliche Sommer im Ferienhaus der Familie in Maine. Doch ausgerechnet als Bea sich zu fragen beginnt, ob William mehr für sie sein könnte als ein Bruder, kommt der Tag, an dem sie nach London zurückkehren muss ...
Laura Spence-Ash nimmt uns mit auf eine emotionale Reise durch die turbulente Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Jahre danach. Ein berührendes und packendes Buch über Familie, Zerrissenheit und das Finden von Heimat inmitten von Schmerz und Veränderung.
#6 „The Girls“ von Emma Cline
Darum geht's: Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und möchte unbedingt gesehen werden – aber weder die frisch geschiedenen Eltern noch ihre einzige Freundin beachten sie. Doch dann, an einem der endlosen Sommertage, begegnet sie ihnen: den „Girls“. Das Haar, lang und unfrisiert. Die ausgefransten Kleider. Ihr lautes, freies Lachen. Unter ihnen ist auch die ältere Suzanne, der Evie verfällt. Mit ihnen zieht sie zu Russell, einem Typ wie Charles Manson, dessen Ranch tief in den Hügeln liegt. Gerüchte von Sex, wilden Partys, Einzelne, die plötzlich ausreißen. Evie gibt sich der Vision grenzenloser Liebe hin und merkt nicht, wie der Moment naht, der ihr Leben mit Gewalt für immer zerstören könnte.
Emma Cline entführt die Leser*innen in die Zeit der späten 1960er Jahre – einer Zeit des sozialen Umbruchs und der Gegenkultur, als die Hippie-Bewegung auf ihrem Höhepunkt war und wirft mit ihrem Roman die Frage auf, wie weit wir bereit sind zu gehen, um dazuzugehören und Anerkennung zu finden.
#7 „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak
Darum geht's: Molching bei München. Hans und Rosa Hubermann nehmen die kleine Liesel Meminger bei sich auf – für eine bescheidene Beihilfe, die ihnen die ersten Kriegsjahre kaum erträglicher macht. Für Liesel jedoch bricht eine Zeit voller Hoffnung, voll schieren Glücks an – in dem Augenblick, als sie zu stehlen beginnt. Anfangs ist es nur ein Buch, das im Schnee liegen geblieben ist. Dann eines, das sie aus dem Feuer rettet. Eine Diebin zu beherbergen, wäre halb so wild, sind die Zeiten doch ohnehin barbarischer denn je. Doch eines Tages betritt ein jüdischer Faustkämpfer die Küche der Hubermanns …
Eine ganz besondere Erzählung aus Sicht des personifizierten Todes, die zugleich tragisch und witzig, zugleich wütend und zutiefst lebensbejahend ist – wirklich berührend und ein kraftvolles Stück Geschichte, das einen nicht so schnell loslässt und bei dem es sich lohnt, es immer wieder zu lesen.