Wie sehr ist unsere Persönlichkeit von unseren Genen abhängig und wie sehr wird sie durch Erfahrungen beeinflusst? Diese Frage umtreibt Psycholog*innen schon eh und je. Dass Erlebnisse in der Kindheit uns nachhaltig prägen können, ist mittlerweile allen bekannt. Doch wie sieht es mit Ereignissen im Erwachsenenalter aus? Laut einer Studie des Institute of Labor Economics gibt es vor allem acht solcher Lebensereignisse, die unsere Persönlichkeitsstruktur langfristig verändern können. Bei Männern und Frauen haben diese Ereignisse teilweise unterschiedlich starke Auswirkungen.
Die Studie
Für die Studie schauten die Forschenden sich über mehrere Jahre Daten von 35.000 Menschen aus der jährlich stattfinden Erhebung „Household, Income and Labour Dynamics in Australia“ an. In der Umfrage werden sowohl Lebensereignisse als auch Persönlichkeitsmerkmale wie der Locus of Control (Der Glaube, selbst die Hauptverantwortung für Lebensereignisse zu haben vs. der Glaube, durch externe Ereignisse und Glück geleitet zu sein) und die Big Five (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität) erfasst. So konnten Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie die Persönlichkeit sich nach einschneidenden Lebensereignissen verändert. Dabei wurde deutlich, dass Persönlichkeitsmerkmale keinesfalls so stabil sind, wie man oft glaubt. Es braucht allerdings größere Einschneidungen, um sie signifikant zu ändern.
#1 Finanzielle Schwierigkeiten
Finanzielle Schwierigkeiten sind sowohl bei Frauen als auch bei Männern eines der prägendsten Lebensereignisse. Sie sorgen dafür, dass Menschen glauben, weniger Kontrolle über ihr eigenes Leben haben und weniger gewissenhaft sind. Bei Männern bringen sie zudem die emotionale Stabilität ins Wanken, bei Frauen sorgen sie dafür, dass sie tendenziell weniger extrovertiert sind.
#2 Schwere Krankheit oder Verletzung
Eine schwere Krankheit oder Verletzung kann bei beiden Geschlechtern zu einer Veränderung der Persönlichkeit führen. Bei Frauen sind die Auswirkungen im Schnitt aber deutlich größer. Sie führen zu einer starken Verringerung des Locus of Control (LoC), sorgen also dafür, dass Betroffene weniger das Gefühl haben, die Kontrolle über ihr Leben zu haben. Außerdem können sie für eine Verringerung von Extraversion und Gewissenhaftigkeit sorgen.
#3 Tod des Ehepartners oder Kindes
Leider sind es vor allem negative Ereignisse, die die Persönlichkeit mit den Jahren verändern. So auch der Tod eines geliebten Menschen, vor allem von Partner*innen oder Kindern. Ein solcher Trauerfall kann bei beiden Geschlechtern zu signifikanten Änderungen des Charakters führen. Bei Frauen sind die Auswirkungen im Schnitt jedoch besonders tiefgreifend. Sie erleben eine starke Verringerung des Locus of Control (LoC). Zudem führt dieser Verlust bei Frauen zu einer signifikanten Abnahme der Extraversion, was auf eine geringere Neigung hinweist, gesellig und aktiv zu sein. Bei Männern hingegen zeigt der Tod von Partner*in oder Kind weniger drastische Veränderungen in den Persönlichkeitsmerkmalen, obwohl auch sie eine gewisse emotionale Belastung und Anpassung erfahren.
#4 Geburt oder Adoption eines Kindes
Der Tod eines Kindes ist zum Glück etwas, das nur den wenigsten Menschen widerfährt. Kinder zu bekommen, ist hingegen im Leben vieler Menschen ein wichtiges Ereignis – und natürlich kann sich auch hier die Persönlichkeit noch einmal deutlich verändern. Vor allem Frauen werden durch die Mutterschaft geprägt. Bei beiden Geschlechtern geht das Elternsein oft mit einer verringerten Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit einher. Die neuen Verantwortlichkeiten führen dazu, dass wir Dinge schneller – und daher vielleicht weniger ordentlich – erledigen müssen. Zudem müssen Eltern plötzlich nicht mehr nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder einstehen, was dazu führen könnte, dass sie weniger kooperativ werden und sich mehr auf die Bedürfnisse ihrer Familie als die anderer Menschen konzentrieren. Frauen werden durch Kinder zudem oft emotional unstabiler. Eine Geburt wirkt sich auch bei beiden Geschlechtern auf die Offenheit aus, allerdings in unterschiedliche Richtungen. Frauen werden dadurch tendenziell offener, Männer weniger offen.
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#5 Heirat
„Ach Quatsch, durch die Hochzeit hat sich bei uns nichts verändert“, würden wohl die meisten Paare sagen. Tatsächlich ist eine Hochzeit jedoch ein signifikantes Ereignis, das vor allem bei Frauen die Persönlichkeit langfristig verändern kann – und das nicht unbedingt zum positiven. Ihre emotionale Stabilität und ihre Offenheit können unter der neuen Rolle als Ehefrau leiden. Bei Männern hingegen gibt es durch die Heirat keine großen Änderungen in der Persönlichkeit.
#6 Scheidung
Umso größer ist dafür der Effekt einer Scheidung auf die Persönlichkeit eines Mannes. Dieses Ereignis hat bei beiden Geschlechtern überraschenderweise meist positive Effekte auf ihren Charakter. Bei Männern führt eine Scheidung oft zu einer Erhöhung der Verträglichkeit und Offenheit, was darauf hindeutet, dass sie nach der Trennung tendenziell kooperativer und offener für neue Erfahrungen werden. Frauen zeigen ebenfalls eine Zunahme der Verträglichkeit und erleben zudem eine Verbesserung der emotionalen Stabilität.
#7 Opfer einer Gewalttat
Opfer einer Gewalttat zu werden, zählt vor allem im Leben von Männern zu einem der einschneidendsten Erlebnisse, hat aber auf beide Geschlechter einen signifikanten Einfluss. Bei Männern führt dieses traumatische Erlebnis zu einer signifikanten Verringerung des Locus of Control (LoC). Bei Frauen hingegen zeigt sich eine deutliche Zunahme der Extraversion und Verträglichkeit, was darauf hinweist, dass sie möglicherweise aktiver und kooperativer im Umgang mit anderen werden, um Unterstützung zu suchen und sich zu schützen.
#8 Ruhestand
Bei Männern führt der Übergang in den Ruhestand oft zu einer Verringerung des Locus of Control (LoC) und der Verträglichkeit, was darauf hinweist, dass sie sich weniger in der Lage fühlen, ihr Leben zu kontrollieren, und weniger kooperativ werden. Diese Effekte können im Laufe der Zeit sogar stärker werden. Je älter sie werden, desto eher erfüllen sie also das Klischee vom Grumpy Old Man. Frauen hingegen zeigen nach dem Eintritt in den Ruhestand keine signifikanten Veränderungen in ihren Persönlichkeitsmerkmalen, was darauf hindeutet, dass ihre Persönlichkeit durch diesen Lebensabschnitt weitgehend unbeeinflusst bleibt.
Durch Selbstreflexion an dir arbeiten
All diese Ereignisse können die genannten Effekte auf uns haben, müssen es aber nicht. Wenn du an dir arbeitest, kannst du auch unabhängig davon deine Persönlichkeit entwickeln.