Obwohl wir heutzutage über mehr Kommunikationsmittel denn je verfügen, scheint es immer mehr Menschen zu geben, die vereinsamen – und das weltweit. In vielen Ländern wird versucht, auf unterschiedlichen Wegen dagegen vorzugehen, da Einsamkeit aus wissenschaftlicher Sicht auch ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko darstellt. Doch kann das Problem überhaupt von staatlicher Seite aus behoben werden oder ist Einsamkeit nicht oft auch selbst verschuldet?
Ein großes Problem in Deutschland
In einer aktuellen DeutschlandTrend-Umfrage im ARD-Morgenmagazin wurden 1.038
Wahlberechtigte nicht nur zu ihren Parteienpräferenzen, sondern auch zum Thema Einsamkeit befragt. Die Mehrheit der Befragten scheint sich zu sorgen: 51 Prozent bezeichneten Einsamkeit als großes Problem in Deutschland, 17 Prozent sogar als sehr großes. Lediglich 6 Prozent sehen hierin überhaupt kein Problem. Ob die Befragten dabei vor allem an vereinsamte Rentner dachten oder an ein altersunabhängiges Phänomen ist leider nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern das Problembewusstsein wächst.
Das wird weltweit gegen Einsamkeit getan
Während es in Deutschland vor allem ehrenamtliche Initiativen sind, die sich um einsame Menschen kümmern, wird anderswo sogar die Politik aktiv.
Zuhör-Kiosk in Hamburg
In Hamburg wird Menschen ein offenes Ohr in einem kleinen Kiosk in der U-Bahnstation Emilienstraße geschenkt. Diesen hat der 71-jährige Autor Christoph Busch aus Eigeninitiative heraus angemietet, um sich die Geschichten von all denjenigen anzuhören, die niemanden zum Reden haben. Sein Zuhör-Kiosk „Das Ohr“ wird dankbar angenommen, wie er Spiegel Online verrät:
Ich scheine da einen Nerv getroffen zu haben: Toll, endlich hört mal jemand zu! Das habe ich jetzt so oft gehört. Irgendwie haben wohl alle das Gefühl, dass im Leben niemand mehr zuhören mag.
Christoph Busch auf Spiegel Online
Das Ministerium für Einsamkeit in Großbritannien
So sehr es sich auch nach Science-Fiction anhört, in Großbritannien gibt es seit Anfang dieses Jahres das „Ministry of Loneliness“. Die ehemalige Staatssekretärin Tracey Crouch wird sich künftig dem Problem der Vereinsamung widmen. Im Fokus stehen dabei vor allem ältere Menschen: Eine Umfrage hatte ergeben, dass etwa 200.000 Senioren schon seit mehr als einen Monat keine Konversation mehr mit einem Freund oder einem Verwandten geführt hatten. Dagegen angegangen werde laut der Neuen Zürcher Zeitung zum Beispiel mit der Förderung von Gemeindegruppen.
Freunde zum Mieten in Japan
Es gibt wohl kaum ein Land auf der Welt, in dem das Problem mit der Einsamkeit in Großstädten derart direkt adressiert wird wie in Japan. Agenturen wie Client Partners bieten in mehreren japanischen Städten „Freunde“ an, die man sich je nach Bedarf mieten kann. Mit Escort-Service hat das allerdings nichts zu tun: Das Angebot richte sich an Einheimische, die trotz Erfolg im Job oder zahlreicher Online-Kontakte Probleme haben, Freunde zu finden. Dabei handele es sich laut dem japanischen Onlinemagazin Kotaku aber nicht um eine Massenerscheinung: Auch in Japan sei es noch nicht so weit gekommen, dass man sich ganz selbstverständlich seine Freunde mietet.
Umarmungen von Stühlen und Alzheimer-Roboter in Japan
Die Freunde zum Mieten sind nicht das Absurdeste, was Japan in Sachen Einsamkeitsbekämpfung zu bieten hat. Neben einem Seehundroboter für Alzheimerpatienten gibt es auch den „Tranquility Chair“, von dem man sich umarmen lassen kann sowie ein Fertiggericht, das inklusive DVD geliefert wird: Schaut man sich diese beim Essen an, sieht man darin eine junge hübsche Frau, mit der man vermeintlich zusammen isst.
Ist Einsamkeit Privatsache?
Wenn nun eine Mehrheit in Deutschland Einsamkeit als ernstes Problem wahrnimmt, müsste dann auch die Politik aktiv werden? Erstaunlicherweise sehen das die Befragten der DeutschlandTrend-Umfrage nicht so. 57 Prozent finden, dass Einsamkeit ein persönliches Problem ist, das nicht auf die politische Agenda gehöre. Der Zeit-Journalist Jens Jessen findet schon allein den Gedanken an ein Ministerium für Einsamkeit gruselig:
Was überhaupt hat den Staat die innerseelische Befindlichkeit seiner Bürger anzugehen? Muss er jetzt neben Steuerehrlichkeit auch die Geselligkeit der Menschen überprüfen, auf ein behördlich erwünschtes Niveau heben? Liegen nicht Zahl, Dichte und Pflege sozialer Beziehungen allein in des Einzelmenschen Verantwortung oder Schicksal?
Jens Jessen, Journalist bei Zeit Online
Ich bin erleichtert, dass nicht nur ich diese Bedenken habe. Natürlich ist es wirklich traurig zu hören, dass sich so viele Menschen in Deutschland einsam fühlen. Ich denke jedoch nicht, dass dieses Problem mit der Förderung von Gemeinschaftsgruppen und Aufklärungskampagnen so einfach von staatlicher Seite aus zu beheben ist. Denn vielerorts gibt es solche Angebote durchaus, sie bekämpfen aber das Problem nicht, wenn sie von den Betroffenen nicht genutzt werden.
Es gibt sicherlich auch tragische Fälle, in denen einsame Menschen aufgrund von Todesfällen von Angehörigen in die Einsamkeit gerutscht sind. Diese müssen jedoch auch aus eigenem Antrieb aktiv werden, wie zum Beispiel dieser einsame Rentner, der letztes Jahr eine Familie suchte, mit der er Weihnachten verbringen kann. Die überwältigende Resonanz bewies: Wenn einsame Personen Anschluss suchen, gibt es viele Menschen, die ein offenes Ohr haben.
Ohne Eigeninitiative läuft nichts
Was mich an der Debatte über Einsamkeit stört, ist, dass die Betroffenen immer als Opfer dargestellt werden, die in Zeiten von Facebook-Freunden und der Anonymität in Großstädten den Anschluss verloren haben. Mir ist bewusst, dass das hart klingt und es sicher auch Ausnahmen gibt. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass viele Menschen auch selbst schuld an ihrer Einsamkeit sind. Es ist ja nicht so, als würden allen anderen Partnerschaften und Freunde einfach so zu fallen. Beziehungen zu pflegen erfordert Arbeit.
Wenn ich mir aber so manchen griesgrämigen Rentner oder auch deutlich jüngere Familienmitglieder von mir anschaue, wundert es mich nicht, dass sie nur wenige soziale Kontakte haben. Bei ihnen habe ich immer das Gefühl, dass sie andere Menschen als Last empfinden, ihnen Telefonate mit alten Bekannten zu anstrengend sind und es darüber hinaus auch keine Ambitionen gibt, neue Freunde kennenzulernen. Hinzu kommt noch, dass genau diese Menschen mit vielen ehemaligen Freunden wegen Streitereien gebrochen haben. Anstatt sich aber zu versöhnen, sind sie viel zu stolz und bleiben lieber alleine. Mein Mitleid hält sich hier in Grenzen und kein Einsamkeitsministerium der Welt wird solchen Menschen helfen können.
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