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Kommentar

„Ist Corona jetzt eigentlich vorbei...?“

blacklivesmatter-berlin

Sämtliche Veranstaltungen sind wegen Corona abgesagt, doch öffentliche Demonstrationen größer als je zuvor. Wie passt das eigentlich zusammen? Und wer ist hier im Recht? Ein Kommentar.

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Die letzten Wochen wurden beherrscht von nur einem Thema: Corona! Zeitweise bekam man den Eindruck, das Jahr 2020 würde dem Virus komplett erliegen. Veranstaltungen? Abgesagt! Urlaub? Abgesagt! Das Leben? Abgesagt! Endzeitstimmung im April, an jeder Ecke lauerte scheinbar das Virus. Panisches Händewaschen, man wollte am liebsten keinem anderen Menschen mehr zu nah kommen. Der Mundschutz wurde gezwungenermaßen zum meist gehassten It-Piece der Saison.

Und heute – knapp zwei Monate später? Da sehe ich Bilder, wie tausende Menschen dicht an dicht gedrängt auf dem Alexanderplatz demonstrieren. Die Masse an Menschen wirkt auf mich ungewohnt. Ein Bild aus längst vergangenen Zeiten. „Ist Corona jetzt eigentlich vorbei?“ frage ich mich selbst. Doch einen Tag später wird mir die Frage bei einem Cafébesuch beantwortet. Die genervten Kellner mit Mundschutz hetzen an mir vorbei. „Noch nicht hier hinsetzen bitte!“ rufen sie, als ich einen gerade freigewordenen Platz ansteuere. „Der Tisch muss erst noch desinfiziert werden!“ Als ich auf die Toilette gehen will, werde ich wieder zurückgeschickt, um meine Maske zu holen. Drinnen ist weit und breit kein Gast, aber Mundschutz auf dem Klo ist halt Pflicht. Vor dem Restaurant parkt ein Wagen vom Ordnungsamt. Corona ist nicht vorbei, die Regeln nach wie vor Gesetz.

Abstand halten ist auf Großdemos kaum noch möglich.

Wie passt das zusammen?

Ich kann mir nicht helfen, aber in mir wächst das dumpfe Gefühl, dass die Relationen gerade irgendwie nicht mehr stimmen. Ich beschwere mich nicht über die strengen Corona-Regeln. Und ich möchte niemanden verurteilen, der mit guten Absichten auf eine Demo geht. Insbesondere zum Thema Rassismus, welches so wichtig ist – diese Meinung teile ich zu 100 Prozent. Hier wird für Gerechtigkeit demonstriert und für die Menschen, die ihr ganzes Leben lang unter Rassismus leiden und deren Leben dadurch zerstört werden.

Doch wie mag sich jetzt der Barbesitzer fühlen, der seinen Laden seit vier Monaten nicht öffnen darf und vor dem Ruin steht? Wie fühlen sich die tausenden Eventveranstalter, die gerade Pleite gehen, weil alle Veranstaltungen abgesagt wurden? Und die alleinerziehende Mutter, die kurz vor dem Burnout ist, weil Schulen und Kitas seit Monaten zu sind. Ganz zu schweigen von denen, die Angehörige aufgrund von Corona verloren haben.

Nadine Jungbluth

Es gibt hier kein Richtig und Falsch

Die Fronten verhärten sich im Netz schnell. Menschen beschweren sich auf Social Media über die ignoranten Demonstranten, die uns alle in Gefahr bringen! Die #BlackLivesMatter-Anhänger wiederum beschweren sich, dass das Thema heruntergespielt wird. Und dabei vergessen beide Seiten, dass sie tief im Inneren eigentlich das gleiche Ziel haben: Das Wohlergehen der Menschen. Es gibt kein wichtig oder unwichtig. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch.

Den Weg aus dieser Zwickmühle kenne ich nicht. Den kennt keiner von uns. Vermutlich würde uns – statt der gegenseitigen Schuldzuweisungen – ein bisschen mehr Verständnis füreinander und Rücksicht aufeinander gut tun. Aber sicher ist, dass Generationen nach uns irgendwann auf dieses geschichtsträchtige Jahr 2020 zurückblicken und die Frage stellen werden: Warum haben die sich damals so verhalten? Hoffentlich haben wir bis dahin eine gute Erklärung. Und eine Lösung, sowohl für das Corona– als auch für das Rassismus-Problem. Denn viel zu oft gab es die gute Lösung in der Geschichte leider nicht...

Nadine Jungbluth
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Bildquelle: Imago-Images/Stefan Zeitz, Image-Images/Seeliger