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Im Interview

Gründerin Isabel Henschen über bessere Hilfe bei häuslicher Gewalt

Isabel Henschen louandyou

Durch die Corona-Pandemie ist das Problem häusliche Gewalt zwar verstärkt medial in den Fokus gerückt worden, Lösungen und innovative Hilfsangebote sind jedoch nach wie vor Mangelware. Isabel Henschen, CEO und Gründerin von „Lou&You“ will das ändern: Das digitale Tool soll Betroffenen von sexualisierter und häuslicher Gewalt neben psychologischer Hilfe auch Unterstützung bieten, um mehr solcher Fälle zur Anzeige zu bringen. Im Interview hat uns Isabel erklärt, was „Lou&You“ von bereits bestehenden Hilfsangeboten unterscheidet und warum eine digitale Lösung längst überfällig war.

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Dies ist die gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir im aktuellen desired-Podcast anhören!

desired: Du kommst eigentlich aus einem ganz anderen Bereich. Was ist dein Bezug zum Thema häusliche und sexualisierte Gewalt?

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Isabel Henschen: Ja, ich komme eigentlich aus der Kunstgeschichte und vom Kunstmarkt und wollte mich dem eigentlich auch beruflich weiter widmen. Dann hatte ich aber während meines Studiums in meinem Umfeld mehrere Fälle von sexualisierter Gewalt gehabt, die super heftig waren und mich sehr beschäftigt haben. Das hat mich nicht mehr losgelassen und ich habe versucht, meinen Freundinnen zu helfen, für sie Informationen und Hilfsorganisationen zu finden. Es fiel mir aber sehr schwer, Infos zu finden. Diese persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema war der Grund, warum ich mich mehr darin vertieft habe.

Dann habe ich angefangen zu recherchieren und gemerkt, dass es hier ein paar Lücken gibt, also ungenutzte Potenziale, die von niemandem bisher wirklich genutzt wurden. Ich hatte vorher in ein paar Startups gearbeitet und dachte mir: Hier ist eine Lücke, da kann ich tatsächlich etwas tun. Dann habe ich erstmal den Kunstmarkt hinten angestellt und mir gesagt: Dann werde ich jetzt versuchen, hier selbst etwas zu verändern, damit sich die Situation für alle Betroffenen endlich mal wirklich ändern kann.

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Was waren die ersten Hürden, auf die du gestoßen bist, als du deinen Freundinnen helfen wolltest?

Das war von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei einigen war die Hürde, dass es psychisch super belastend war, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ich musste vorsichtig sein, wie, ob und wann ich es anspreche. Das war schon allein in der Kommunikation belastend. Es ging aber dann damit weiter, dass ich gegoogelt und Informationen gesucht habe. Ich habe häufig gute Artikel und Internetseiten gefunden, die aber sehr generell waren, wo aus guten Gründen immer auf persönliche Beratungsangebote mit Expert*innen am Telefon oder in Person verwiesen wurde. Das war aber zu dem Zeitpunkt für die jeweilige Freundin nicht möglich – ob zeitlich oder psychisch. Hinzu kommen Faktoren wie die Sprache oder die Öffnungszeiten innerhalb der eigenen Arbeitszeiten.

Ich habe gemerkt, dass es keine Möglichkeit gibt, die Angebote zu filtern und nicht nur die ganz generellen Informationen zu bekommen. Fragen wie „Wie läuft das ab, wenn ich anzeigen möchte?” oder „Wo kann ich rechtliche Beratung bekommen, wenn ich mir die gar nicht leisten kann?” blieben unbeantwortet. Es ging mir also viel um die praktischen Dinge, die konkret im Alltag relevant wurden.

Das Problem bei den bestehenden Angeboten ist also, dass es keine Anlaufstelle gibt, sowohl für psychotherapeutische als auch juristische Hilfe, während man bei „Lou&You“ diese Informationen gebündelt findet?

Genau, mit „Lou&You“ habe ich ein Projekt gestartet, mit dem man sich schon auf einer Seite einen guten Überblick schaffen kann, zu psychologischen, medizinischen und juristischen Beratungsangeboten. Alles bekommt man so erklärt, dass man es auch wirklich versteht, also so, dass man sich nicht krass konzentrieren muss, um einen Text zu verstehen, der Fachsprache beinhaltet. Es ist nicht besonders realistisch, sich gut konzentrieren zu können, wenn es einem wirklich schlecht geht. Wir wollen aufzeigen, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, je nachdem, was man machen möchte.

Aktuell (Stand Januar 2022) ist „Lou&You“ noch nicht ganz fertig gestellt. Wenn das Angebot dann aber soweit steht, kann ich mir das dann als eine Art Hilfe-Chat vorstellen oder ist es eher eine Informationsplattform?

Wir haben gerade mit der Entwicklung angefangen. Wir wurden vom Deutschen Wirtschaftsministerium gefördert und „Lou&You“ soll bis Ende August 2022 fertig werden. Du kannst dir das so vorstellen, dass du auf die Seite kommst und dann werden dir erst mal ein paar Fragen gestellt, zum Beispiel „Welche Form von Gewalt hast du erfahren?”, „Wie lange ist das her?” oder „In welchem Bundesland lebst du” – später wird es sogar die Postleitzahl sein. Je nachdem, was du da angibst, bekommst du eine Übersicht über die Themen, die relevant sind. Diese haben wir zeitlich geordnet. Es gibt einige Themen, die super dringend sind, wenn du zum Beispiel Spuren sichern lassen möchtest, werden diese zuerst angezeigt. Du bekommst kurze Texte und kannst dich dann immer weiter reinklicken und selbst entscheiden, was relevant ist.

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Das Prinzip, dass man nicht sofort mit jemandem telefonieren muss, ist auch gar nicht so unwichtig. So ein Anruf ist für mich selbst und viele Menschen in meiner Generation eine große Hürde – selbst bei viel nichtigeren Belangen ...

Ja, da sprichst du etwas an, dass ganz viele junge Leute kennen, weil sie eher über Chats oder Mails kommunizieren. Das ist bei diesen emotionalen Themen echt eine Hürde, das überhaupt jemandem zu sagen. Selbst wenn man gar nicht weiß, wer da hinter dem Computer oder dem Telefon sitzt und der Person nie begegnen wird, das alleine für sich selbst zu wissen, ist für Betroffene schon ein großer Schritt, der lange dauert. Es setzt auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst voraus. Nicht jede Person, die betroffen ist, weiß in dem Moment, in dem es passiert ist, dass das eine Straftat war. Das auszusprechen, ist noch mal ein ganz anderer Schritt. Deswegen ist es super, dass es telefonische Angebote gibt, für viele Leute sind sie auch genau das Richtige, aber für andere, vor allem für Jüngere, die ungern telefonieren, ist das nochmal eine Hürde, die man überwinden muss.

Im vollständigen Podcast-Interview erfährst du, welche Fehlannahmen über sexualisierte Gewalt laut Isabel weit verbreitet sind und wie du „Lou&You“ aktiv unterstützen kannst:

Neben sexualisierter Gewalt im familiären oder partnerschaftlichen Bereich ist leider auch Sexismus am Arbeitsplatz für Frauen ein alltägliches Problem:

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Bildquelle: Fotograf: Lionel Gustave, Bearbeitung: Isabel Henschen

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