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Kommentar

Frauen sind nicht schlimmer als Männer, wir verzeihen ihnen nur weniger

Frauen hassen Hass auf Frauen

Die Meinung, Frauen seien hintertriebener und bösartiger als Männer, ist weit verbreitet. Kein Wunder: Zahlreiche Reality-TV-Formate wie „Der Bachelor” oder „Selling Sunset“ leben davon, dass sich Frauen gegenseitig zerfleischen. Und während uns männliche Serienmörder faszinieren und sie auch im Knast Fan-Post bekommen, sind wir immer ein bisschen mehr entsetzt von Gewaltverbrecherinnen. Auch wenn Kriminalstatistiken eine ganz andere Sprache sprechen, scheinen uns „böse Frauen“ mehr aufzufallen. Haben wir einfach schon akzeptiert, dass Männer sich daneben benehmen? Und verzeihen wir ihnen daher mehr als anderen Frauen?

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„Ich bin nicht so wie die anderen Mädchen“

Vor allem Frauen, die mit Männern kumpelhaft befreundet sein wollen, verbreiten gerne den Mythos von den bösen Frauen – sich selbst natürlich immer ausgenommen. Dieses Szenario habe ich selbst zuletzt auf einer Party erlebt: Das Gespräch in einer Runde unter Männern und einer Frau drehte sich um komplizierte Liebesbeziehungen. Die Männer teilten ihre schmerzhaften Erfahrungen und die Frau pflichtete ihnen bei: „Frauen sind ja viel schlimmer als Männer!“ Um mich am Gespräch zu beteiligen, erwägte ich, auch ein Beispiel einer Frau zu nennen, die sich einem Freund gegenüber mies verhalten hat. Doch dann hielt ich zum Glück noch mal inne. Was passierte hier eigentlich gerade!? Möchte ich als Frau wirklich pauschalisierend mit dem Finger auf mein eigenes Geschlecht zeigen und Männern beipflichten, dass Frauen niederträchtige Wesen sind? Und warum ist die andere Frau in der Runde so überzeugt von der Bösartigkeit anderer Frauen?

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Leider kann ich nur allzu gut nachvollziehen, woher diese negative Haltung anderen Frauen gegenüber kommt. Auch ich habe in meiner Jugend zu den Mädchen gehört, die von sich behaupten, besser mit Jungs klarzukommen. Geprägt von negativen Erfahrungen auf einer Mädchenschule hatte ich mir ein stereotypes Bild von zickigen, oberflächlichen und hinterhältigen Frauen angeeignet. Freundschaften mit Jungs kamen mir unkomplizierter und auch irgendwie cooler vor. Dass meine männlichen Freunde mir sagten, ich sei nicht so wie die anderen Mädchen, war für mich damals die größte Auszeichnung. Inzwischen merke ich erst, wie zutiefst frauenfeindlich diese Denkweise ist. Wenn junge Mädchen und auch Frauen noch im späteren Alter denken, sie müssten andere Frauen vor Männern abwerten, um selbst besser dazustehen, ist das eine erschreckende Auswirkung von verinnerlichtem Frauenhass.

Hass unter Frauen hat Tradition

Tatsächlich ist das Phänomen, dass Frauen anderen Frauen zu ihrem eigenen Vorteil abwerten, nicht neu. Schon der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer schrieb 1851: „Zwischen Männern ist von Natur bloß Gleichgültigkeit; aber zwischen Weibern ist schon von Natur Feindschaft. (...) Auch treten zwei Weiber, bei erster Bekanntschaft, einander sichtbarlich mit mehr Gezwungenheit und Verstellung entgegen, als zwei Männer in gleichem Fall.“ Feindseligkeiten unter Frauen gibt es also nicht erst seit „GNTM“ oder „Der Bachelor“. Darüber, was die Ursache der kritischeren Betrachtung unter Frauen ist, lässt sich streiten. Ich vermute anstelle eines biologisch begründeten Konkurrenzkampfes aber vielmehr, dass wir in einer Gesellschaft heranwachsen, die uns lehrt, dass der Großteil der Frauen zickig, hinterhältig und kompliziert ist. Frauen, die sich verständlicherweise damit nicht gemein machen wollen, haben scheinbar keine andere Wahl, als sich als leuchtendes Gegenbeispiel darzustellen. So ist es auch kein Wunder, dass inbesondere Frauen Gemeinheiten bis hin zu Gewaltverbrechen durch Frauen auch viel mehr auffallen. In der Psychologie spricht man hier von einem Bestätigungsfehler: Wir selektieren diese Vorfälle und Taten, um unser verinnerlichtes Vorurteil zu bestätigen.

Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache

Dass auch Frauen zu Gewalttaten fähig sind, möchte ich auf keinen Fall bestreiten. Es soll hier auch nicht darum gehen, festzustellen, ob Männer oder Frauen die besseren Menschen sind. Diese Jungs vs. Mädchen-Mentalität sollte man spätestens in der Grundschule abgelegt haben. Doch leider werden die meisten sie auch im Erwachsenenalter nicht los. Um das Argument, Frauen seien im Grunde viel bösartiger als Männer zu entkräften, reicht aber eigentlich schon ein Blick auf sämtliche Kriminalitätsstatistiken.

Häusliche Gewalt Frauen

Ja, auch Männer werden Opfer von Gewaltverbrechen, auch hier sind die Täter aber in den seltensten Fällen Frauen. Dass manche den Eindruck haben, dass viel weniger über Verbrechen durch Frauen gesprochen wird, liegt nicht an einem gesellschaftlichem Tabu, sondern daran, dass sie schlicht und ergreifend viel seltener passieren: Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2019 in Deutschland über 43.000 Männer und nur ca. 2.800 Frauen inhaftiert. Wer mit diesem Wissen dennoch behauptet, dass Frauen hintertriebener und gemeiner sind, scheint Männern sehr viel mehr durchgehen zu lassen. Selbst wenn Frauen nur einen Bruchteil der Gewaltverbrechen begehen, scheinen diese schwerer zu wiegen, weil Männer mit ihrem vermeintlich natürlich angeborenen Aggressionspotenzial „nicht anders können". Frauen hingegen, die trotz anerzogener Zurückhaltung auffällig werden, bleiben uns daher oft viel mehr im Gedächtnis.

Nina Everwin

Wie schaden uns selbst, wenn wir andere Frauen bashen

Selbst wenn wir wissen, dass Frauen in vielen Bereichen des Lebens nach wie vor diskriminiert werden, verhalten wir uns leider manchmal unsolidarisch. Sich durch Abgrenzen von anderen Frauen selbst aufzuwerten, ist leider ein sehr einfaches Mittel, um Sympathiepunkte bei Männern oder anderen Frauen zu sammeln, die auch von der Sorte „ich komme besser mit Männern klar“ sind. Dabei schneiden wir uns allerdings ganz schön ins eigene Fleisch. Indem wir auf unsere Geschlechtsgenossinnen hinabsehen und Verbrechen durch Frauen übermäßig hervorheben, bestätigen wir nicht nur Männer darin, dass sie das stärkere und ehrenwertere Geschlecht sind, wir verharmlosen auch Gewalttaten an Frauen. Lasst uns also endlich aufhören, uns von „den anderen Frauen“ zu distanzieren, denn aus der Sicht anderer gehören auch du und ich zu dieser Gruppe, die neben ein paar Zicken und Verbrecherinnen doch auch so viele großartige Frauen beinhaltet.

Nina Everwin

Bildquelle: Getty Images/Cecilie_Arcurs, Statista