Wachbrettbrauch, Covermodel auf Fitness-Magazinen und schon zu Schulzeiten Body Builderin: Sophia Thiel machte schon früh ihren Namen zur erfolgreichen Fitnessmarke und galt für viele als das Vorbild in Sachen Sport und Ernährung. Nach ihrem Rückzug 2019 wurde aber klar, dass die Fitness-Influencerin dafür ihre mentale und physische Gesundheit aufs Spiel gesetzt hatte. Mit ihrem diesjährigen Comeback zeigt sie sich jetzt so offen und ungefiltert wie noch nie. Im Interview offenbart Sophia Thiel, wie streng sie früher auf ihren eigenen Körper geblickt und wie sich ihre Followerschaft verändert hat.
Dies ist die gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir im aktuellen desired-Podcast anhören!
desired: Würdest du dich heute nach deinem Comeback immer noch als Fitness-Influencerin bezeichnen?
Sophia Thiel: So ganz krass als Fitness-Influencerin würde ich mich heute nicht bezeichnen, obwohl Fitness immer noch ein Teil meines Lebens ist. Vor allem der Kraftsport hat es mir angetan und schenkt mir Lebensqualität. Sport und eine gesunde Ernährung gehören für mich immer noch dazu. Aber ich habe eben auch gemerkt, was das für einen Druck damals bei mir ausgelöst hat. Auf Social Media bin ich jetzt lieber einfach nur die Sophia, die viele verschiedene Interessen hat und würde mich einfach nur als Influencerin bezeichnen.
Sophia Thiel erzählt in ihrem aktuellen Buch „Come Back stronger: Meine lange Suche nach mir selbst“ schonungslos ehrlich die Geschichte ihres steilen Aufstiegs bis zu ihrem Zusammenbruch 2019:
Seit diesem Jahr postest du wieder auf Instagram, wo nach wie vor auch deine alten Posts vor deinem „Breakdown“ 2019 zu sehen sind. Warum hast du dich dafür entschieden, diese nicht zu löschen?
Weil das immer noch ein Teil von mir ist und ich meine Vergangenheit nicht löschen will. Ich bereue auch nichts von dem, was ich getan habe. Anhand der Fotos kann man auch sehen, wie extrem ich teilweise war. Extreme, die man seinem Körper antut, sei es durch Sport oder Ernährung, rächen sich dann auch irgendwann. Ich möchte zeigen, wie ich damals drauf war, deswegen existieren auch noch alle alten Youtube-Videos von mir, um zu zeigen, dass ich das alles wirklich gelebt und gefühlt habe. So kann man sehen, was sich heute bei mir verändert hat.
Da hast du recht, man muss schließlich nicht alles löschen, sobald es nicht mehr zum aktuellen Image passt ...
Es gibt vor allem auch gar nicht „das Image”. Jeder Mensch verändert sich, es ist ja nicht so, dass man von seiner Geburt bis zum Ende seines Lebens gleich bleibt. Das wäre auch ziemlich schade. Das Leben besteht ja auch aus Entfaltung und Entwicklung. Dieser Schritt war für mich enorm wichtig. Ich hätte niemals gedacht, dass ich ihn je schaffen würde, hin zu einem freieren, selbstbestimmteren Leben. Deswegen blicke ich eigentlich auch gerne zurück, weil ich weiß, was ich alles auch geschafft habe und wo ich mich auch wieder herausgekämpft habe – egal, wie schwierig es war.
Wenn du dir andere Fitness-Influencer*innen heutzutage anschaust, glaubst du, vielen geht es jetzt so, wie dir damals? Gibt es deiner Einschätzung zufolge eine hohe Dunkelziffer in diesem Bereich was Essstörungen oder exzessives Training angeht?
Das kann ich schwer sagen. Man kann auch nicht behaupten, dass ein Follower zum Beispiel aufgrund eines bestimmten Influencers eine Essstörung entwickelt. Eine Essstörung bekommt man nicht von heute auf morgen, das ist ein schleichender Prozess und hängt meist von vielen verschiedenen Faktoren ab: Von mangelndem Selbstbewusstsein, vielleicht auch Mobbing-Erfahrungen oder einem toxischen Umfeld. Bei mir war es damals auch so, dass ich mit anderen viel nachsichtiger umgegangen bin, als mit mir selbst. Ich wusste, dass ich an der Front stehe und dachte: Mein Körper ist eben ein Arschloch und braucht diese Strenge und Gewalt – irrtümlicherweise, wie ich inzwischen weiß. Aber ich habe eben gedacht, nur so funktioniert's.
Ich habe an einem bestehendem System festgehalten, aus Angst, wenn ich jetzt herumexperimentiere und Zeit verliere, entspreche ich nicht mehr dem gewünschten Bild. Ich dachte, Leute verlangen das von mir, dass ich so aussehe und mich so verhalte. Damit habe ich mich aber immer mehr von der Person entfernt, die ich eigentlich bin und die ich sein möchte. Ich weiß nicht, wie das bei anderen Fitness-Influencer*innen ist. Bei mir war es aber so: Ich bin nicht schlank auf die Welt gekommen und hatte immer mit meinem Gewicht zu kämpfen.
Glaubst du also, dass man eine Essstörung allein von Fotos oder dem Insta-Feed niemandem ansehen kann?
Nein, man keiner Person eine psychische Erkrankung ansehen, sei es eine Depression, Angststörung oder Essstörung. Das kann man von Außen nicht sehen, denn diese Menschen können nach Außen hin Positives empfehlen, aber mit sich selbst einen inneren Kampf führen.
Wenn man sich deine Fotos von früher ansieht, würde man ja auch denken, dass so eine sehr fitte und gesunde Frau aussieht. Da merkt man ja auch, wie trügerisch solche Bilder sein können ...
Was heißt trügerisch, auch damals war ja nicht alles schlimm oder traurig. Ich war ja trotzdem felsenfest davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist, auch wenn ich einen hohen Preis dafür zahlen musste. Ich habe gedacht, dass ich jeden Tag Diät halten muss, ist eben der Preis, den ich dafür zahle: Der Preis für Anerkennung, Respekt und Erfolg. Deswegen habe ich das auch nicht für schlimm erachtet, aber bei mir kamen viele Dinge noch hinzu. Mein Perfektionismus und Kontrollwahn haben mich in diese Extreme hineingetrieben. Ich hätte das Ganze natürlich auch lockerer angehen können. Ich habe eine loyale Followerschaft, die mich auch mag, weil ich die Sophia bin und nicht nur, weil ich einen Körper habe. Das musste ich erstmal lernen. Damals hätte ich mehr Freude und Leichtigkeit empfinden können, aber ich wusste eben keinen anderen Ausweg. Ich habe mich immer an das geklammert, was mir Erfolge gebracht hat – vermeintliche Erfolge.
Apropos loyale Followerschaft: Glaubst du, es sind zum Großteil noch die gleichen Follower*innen wie früher, oder hat die sich komplett gewandelt?
Ich denke, es ist eine Mischung, einmal aus meiner alten Community, die diese Entwicklung mitgemacht hat, aber auch neuen Leute, die mehr mit der Message der „neuen alten Sophia“ – ich habe mich ja nicht komplett verändert – anfangen können. Viele haben mir auch geschrieben, dass für sie die „alte Sophia” nur diejenige war, die immer im Fitnessstudio war, trainiert und gesund gekocht hat. Jetzt sind viel mehr Facetten dazu gekommen. Viele, die schon 2014 angefangen habenmir zu folgen, sind natürlich auch älter geworden und haben diesen Prozess mitverfolgen können. Die Coronakrise hat auch nochmal ihren Teil im Bewusstsein der Leute beigetragen, dass sich die Werte verlagert haben: Es geht nicht mehr um mein Haus, meine perfekte Reise, mein perfekter Freund, mein perfektes Haustier, sondern um wahre Werte wie Gesundheit, mental als auch körperlich. Es geht mehr um Liebe, soziale Kontakte, Familie und Freunde. Da hat sich auch nochmal einiges getan.
Dein Rückzug aus Social Media hat knapp zwei Jahre angedauert, was für YouTube- oder Instagram-Verhältnisse sicher lang ist, in Anbetracht deines Zustands aber nicht unbedingt. Hattest du die ganze Zeit die Angst im Nacken, bei einer zu langen Pause in Vergessenheit zu geraten?
Die Gedanken waren definitiv da, aber nur am Anfang meiner Auszeit, wo ich quasi nach Los Angeles geflüchtet bin. Da habe ich auch über meinen Plan B nachgedacht, wenn das Ganze mit Social Media nicht mehr hinhauen sollte, weil ich selbst nicht wusste, wann und ob ich je zurückkommen könnte. Ich wollte diesen Kampf, den ich mit mir ausgetragen habe, nicht mehr in der Öffentlichkeit austragen. Ich hatte mit mir selbst und der Essstörung so große Probleme, dass das zu viel gewesen wäre, das auch auf Social Media weiterzuführen. Vor allem negative Kommentare zu meinem Äußeren hätte ich mir in der Zeit nicht auch noch antun wollen.
Später habe ich meine wahren Stärken herausgefunden und gemerkt: Hey, eigentlich macht dir das doch so viel Spaß! Du bist vor der Kamera gar nicht so falsch und hast auch so viel zu sagen. Ich musste mich nur erst dahin entwickeln, um herauszufinden, über was ich reden möchte: Welche Influencerin möchte ich sein? Für was möchte ich mich einsetzen? Ende 2020 hat sich das schnell herauskristallisiert und dank der Therapie sind meine Entwicklungsschritte so groß geworden, dass ich gesagt habe: Ich möchte diesen Punkt jetzt einfach ansprechen und reinen Tisch machen. Wenn das nicht klappt, fang ich wieder mit dem Studium an oder mache irgendetwas im Sportbereich und hänge Social Media an den Nagel, aber ich wollte es unbedingt nochmal probieren.
Im vollständigen Podcast-Interview mit Sophia erfährst du, wie sich Sophias Verhältnis zu Ernährung und ihr Blick auf ihren Körper inzwischen gewandelt haben:
Regelmäßige positive Bestätigung tut jedem gut. Diese Sätze solltest du dir viel öfter selbst sagen:
Bildquelle: Dan Carabas/Shape Republic GmbH