Dass „Impf-Nebenwirkungen“ wie Unfruchtbarkeit oder Magnetismus (ja, einige Menschen glauben das wirklich), eher Hirngespinste als ernsthafte Bedrohungen sind, dürfte mittlerweile den meisten klar sein. Doch darüber, dass nach der Impfung ein paar unschöne, aber harmlose Reaktionen wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber auftreten, darüber herrschte bisher Konsens. Falsch ist das nicht, allerdings müssen diese Nebenwirkungen gar nicht unbedingt vom Impfstoff ausgelöst werden. Der Nocebo-Effekt könnte schuld sein.
Der Placebo-Effekt dürfte den meisten ein Begriff sein: Wir nehmen an, dass ein Medikament oder eine Behandlung hilft und fühlen uns schon alleine dadurch besser. Der Nocebo-Effekt beschreibt quasi das Gegenteil: Wir hören von den Nebenwirkungen einer Behandlung und nehmen diese anschließend auch bei uns selbst wahr. Gerade, wenn es um die Corona-Impfung geht, waren die potenziellen Nebenwirkungen in den Medien omnipräsent. Ist es möglich, dass gerade das ihr Auftreten noch verstärkt hat?
Harvard-Studie zeigt enormen Einfluss des Nocebo-Effekt
Eine Studie der Harvard-Medical-School und der Philips-Universität Marburg untersuchte jetzt genau das. Die Forschenden werteten die gemeldeten Nebenwirkungen in zwölf klinischen Studien zu unterschiedlichen Corona-Impfstoffen aus. Dabei hatten jeweils mehr als 22.000 Menschen entweder den tatsächlichen Impfstoff oder ein Placebo erhalten. In beiden Gruppen wurden Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit gemeldet. Nach der ersten Impfdosis meldeten diese 35 Prozent der Teilnehmenden in der Test-Gruppe und 46 Prozent in der Impfstoff-Gruppe. Nach der zweiten Dosis meldeten in der Test-Gruppe 32 Prozent Nebenwirkungen, in der Impfstoff-Gruppe stieg der Anteil auf 61 Prozent. Daraus lässt sich ableiten, dass bis zu 76 Prozent der Nebenwirkungen nach der ersten Dosis und bis zu 52 Prozent derer nach der zweiten auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind.
Nimmt dir der Nocebo-Effekt ein wenig die Angst vorm Impfen? Im Video haben wir noch weitere Tipps, um sie zu überwinden:
Sind Impf-Nebenwirkungen nur eingebildet?
Dass der Studie zufolge ein Großteil der Impf-Nebenwirkungen auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind, bedeutet nicht, dass diese nur eingebildet sind. „Es gibt Hinweise darauf, dass diese Art von Information dazu führen kann, dass Menschen übliche tägliche Hintergrundempfindungen dann fälschlicherweise auf die Impfung zurückführen, oder Sorgen und Nervosität auslösen, die die Menschen hypersensibel im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen machen", erklärte Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School. Zudem weisen die Forschenden darauf hin, dass die Ergebnisse unter dem Vorbehalt betrachtet werden müssen, dass nur eine geringe Zahl von Studien betrachtet wurde, die sehr heterogen aufgebaut war. Grundsätzlich wurde der Nocebo-Effekt jedoch auch schon in anderen Studien nachgewiesen. Einige Forschende gehen davon aus, dass der die im Frontalhirn entstehenden Erwartungen die Verarbeitung von schmerzhaften Reizen beeinflussen. Eine Möglichkeit dies zu verhindern, könnte eine Aufklärung vor der Impfung nicht nur über die möglichen Impfreaktionen, sondern auch über den Nocebo-Effekt sein.
Bildquelle: istock/Halfpoint