Sogenannte „Superspreader“ werden in der Corona-Forschung immer wichtiger. Experten gehen davon aus, dass zehn Prozent der Fälle 80 Prozent der Ausbreitung bewirken, wie der Londoner Epidemiologe Adam Kucharski gegenüber Focus Online erklärt. Während die meisten Menschen eine weitere Person oder gar niemanden anstecken, infizieren diese zehn Prozent gleich eine ganze Reihe von Menschen. Doch was haben die „Superspreader“ gemeinsam und wo kommt es am ehesten zu Masseninfektionen? Diese Fragen versucht eine japanische Studie jetzt zu beantworten.
Insgesamt wurden für die Studie über 3.000 Corona-Fälle untersucht, die sich in 61 Entstehungs-Cluster unterteilen ließen. Ein Cluster beschreibt eine soziale Verbindung zwischen den Infizierten. Wenn sich mehrere Menschen bei einem Konzert, einer Familienfeier oder in einem Großraumbüro anstecken, spricht man von einem sozialen Cluster. Die Ansteckung gleich mehrerer Menschen in dieser Situation geht dann meist auf einen Superspreader zurück.
In 22 der 61 Cluster konnte dieser Superspreader identifiziert werden. Die Forscher rund um den japanischen Chef-Virologen Hitoshi Oshitani schauten sich bei diesen Menschen Alter, Geschlecht und Symptome während des Ausbruchs an.
Sind Frauen unter 30 die häufigsten Superspreader?
In der Untersuchung kamen sie zu folgendem Ergebnis: 27 Prozent der Superspreader waren zwischen 20 und 30 Jahre alt, weitere 23 Prozent zwischen 30 und 39 Jahren. Diese beiden Altersgruppen enthalten damit die größte Anzahl an Superspreadern. 41 Prozent der Superspreader waren zudem weiblich und 59 Prozent männlich. Nun liest man immer wieder, dass Frauen unter 30 die häufigsten Superspreader seien, dabei war in der Studie ein größerer Anteil der Superspreader männlich. Zu erklären ist das durch die Kombination von Alter und Geschlecht. Denn hier machen Frauen unter 30 insgesamt die größte Gruppe aus.
Die Ergebnisse müssen aber natürlich mit Vorsicht genossen werden, denn 22 Fälle sind keine repräsentative Größe, die auf die Gesamtbevölkerung schließen lassen. Die Studie gibt lediglich erste Anhaltspunkte.
Warum sind gerade junge Leute so ansteckend?
Ausgehend von diesen Daten kann man sich nun also zum Beispiel fragen, warum gerade junge Menschen so ansteckend zu sein scheinen. Das liegt unter anderem an den Orten, an denen sie sich (ohne Schutzmaßnahmen) aufhalten. Laut der Studie zählten Clubs, Bars oder Kneipen, aber auch Konzerthallen oder Fitnessstudios zu besonders riskanten Orten für eine Cluster-Übertragung. Alles Orte, wo sich vor allem jüngere Menschen aufhalten.
Zudem ergab die Studie auch, dass die identifizierten Superspreader das Virus weitergaben, als sie noch keine Symptome hatten oder der Verlauf bei ihnen komplett asymptomatisch verlief. Da gerade junge Leute oft keine starken Symptome entwickeln, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie trotz Krankheit unter Menschen gehen.
Was bedeuten die Daten für die Eindämmung des Virus?
Japans Strategie das Virus einzudämmen sieht vor, vermehrt Cluster-Übertragungen zu identifizieren und die Mitglieder eines sozialen Clusters, in dem eine Infektion auftrat, vorsorglich für wenige Tage unter Quarantäne zu stellen. Mit dieser Methode konnte das Land einen Lockdown bisher vermeiden. Auch Virologe Christian Drosten hält diese Strategie für sinnvoll, um einen zweiten Lockdown in Deutschland trotz steigender Fallzahlen zu umgehen.
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