Ist es nur eine Erkältung oder habe ich doch Corona? Diese Frage stellen sich derzeit wohl die meisten, wenn sich Schnupfen, Husten und andere Symptome zeigen. Abschließende Sicherheit bietet nur ein Test. Doch auch, wenn es sich nur um eine gewöhnliche Erkältung handelt, könnte das vor einer späteren Corona-Infektion schützen. Darauf weisen immer mehr Studienergebnisse hin. Aber Vorsicht: Nicht jede Erkältung bedeutet automatisch Corona-Immunität!
Schon früh wurden Corona-Antikörpertests kritisiert. Der Grund: Die Tests, die nachträglich zeigen sollen, ob jemand mit Sars-Cov2 infiziert war und Antikörper gegen das Virus gebildet hat, könnten auch auf Antikörper gegen andere Coronaviren reagieren. Die seien hierzulande immerhin für bis zu 15 Prozent der Erkältungen verantwortlich.
Diese Tatsache führt zu einer naheliegenden Frage: Wenn die Antikörper so ähnlich sind, dass Tests darauf anspringen, könnten sie dem Körper dann nicht auch im Kampf gegen das neuartige Virus helfen? Schon im Frühjahr deuteten die Ergebnisse einer Studie der Charité und Beobachtungen aus China daraufhin. Nun stellten auch Forscher des Francis Crick Institute in London eine Kreuzimmunität in Hinblick auf Antikörper fest.
Erkältungs-Antikörper reagierten auf Sars-Cov2
Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler Blutproben aus den Jahren zwischen 2011 und 2018 – also aus einer Zeit, in der es Sars-Cov2 bei Menschen noch gar nicht gab. Trotzdem fanden die Forscher in einigen Blutproben Antikörper, die auf das Virus reagierten. Besonders hoch war die Trefferquote in Blutproben von Kindern. In 62 Prozent der untersuchten reagierten die Antikörper auf Sars-Cov2. Eine mögliche Erklärung dafür, warum Kinder seltener starke Corona-Symptome entwickeln.
Die Studie gibt jedoch keine Rückschlüsse darauf, dass man nach einer Erkältung, ausgelöst durch andere Coronaviren tatsächlich immun gegen Sars-Cov2 ist. Sie gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Antikörperreaktion tatsächlich zu einer Immunität führt. Die Antikörper könnten auch lediglich zu einem schwächeren Verlauf der Krankheit führen. Außerdem ist nicht klar, welche Viren genau die Antikörper bilden. Die wenigsten Menschen wissen schließlich, welches Virus ihre letzte Erkältung ausgelöst hat. Auch wie lang nach einer Infektion die Antikörper auf Sars-Cov2 reagieren, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Noch ist schließlich unklar, ob eine Infektion mit Sars-Cov2 selbst überhaupt zu einer langfristigen Immunität führt.
Studie aus China: Ansteckungsgefahr bei vorher Erkälteten geringer?
Dennoch ist die Studie nicht die erste, die für einen milderen Verlauf oder eine Immunität nach einer Erkältung spricht. Erste Hinweise hierauf lieferte eine Studie aus China. Für diese wurden Haushalte, in denen ein Infizierter lebte, genau beobachtet. Normalerweise würde man davon ausgehen, dass die Ansteckungsgefahr ziemlich hoch ist, wenn man mit einem Infizierten unter einem Dach lebt. Kommt man sich doch unweigerlich sehr nah. Doch das Überraschende: Es steckten sich nur 12 bis 13 Prozent der Haushaltsangehörigen mit dem Virus an. Die naheliegende Erklärung könnte darin liegen, dass es tatsächlich bereits eine Art unbemerkte Immunität gegen das Virus in der Bevölkerung gibt.
„Es ist durchaus so, dass wir damit rechnen, dass es möglicherweise eine unbemerkte Hintergrundimmunität gibt“, erklärte auch Virologe Christian Drosten in einer Folge des NDR-Podcasts „Coronavirus Update“. Demnach könnten Menschen, die in den letzten ein bis zwei Jahren an einer Erkältung, ausgelöst durch Coronaviren litten, tatsächlich bereits geschützt sein.
Beobachtungen von Charité-Forscherteam stützen diese Annahmen
Untersuchungsergebnisse, die die Thesen der chinesischen Forscher stützen, gab es später von einem Forscherteam der Charité in Berlin. Die Wissenschaftler im von Professor Drosten geleiteten Fachbereich untersuchten sogenannte T-Zellen. Die sind im Blut für die Immunabwehr zuständig. Das überraschende Ergebnis: 34 Prozent der Patienten, die nie Kontakt mit Sars-Cov2 hatten, besaßen trotzdem entsprechende T-Zellen. Christian Drosten warnte jedoch zugleich davor, aus diesen Ergebnissen automatisch zu schließen, 34 Prozent der Bevölkerung seien bereits immun gegen das Virus.
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