Für viele Menschen mag es unvorstellbar klingen, doch für manche ist der ständige Drang nach noch mehr Sport Realität. Das Thema Sportsucht wird in Deutschland bislang eher als Ausnahmefall angesehen, doch immer mehr Menschen finden sich in diesem Zwang wieder und kämpfen mit psychischen, aber auch körperlichen Problemen, die das enorme Sportpensum zu einer echten Gefahrenquelle werden lassen.
Was müssen wir tun, um unseren Körper fit und gesund zu halten? Diese Frage beschäftigt die Fitnessmagazine und Talkshows seit geraumer Zeit. Neben einer ausgewogenen und möglichst kalorienarmen Nahrung taucht auch eine ausreichende Bewegung wiederkehrend als Baustein auf, der für unser körperliches Wohlbefinden nötig ist. Ein gewisses Pensum an Sport ist also Pflicht und wer sich seinem Workout regelmäßig hingibt, gelangt nicht nur schnell zu seiner Traumfigur, sondern auch zu allgemeiner gesellschaftlicher Bewunderung. Doch was passiert, wenn Sport den Alltag bestimmt und der Körper zunehmend unter der ständigen Belastung leidet, anstatt von ihr zu profitieren? Sportsucht ist in den USA schon seit den 90er Jahren ein Thema, das nicht nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird und auch hierzulande wird langsam deutlich, dass der Körperkult mehr Schattenseiten mit sich bringt, als bisher wohl vermutet wurde. Doch hat eine Sportsucht wirklich etwas damit zu tun, möglichst schlank und durchtrainiert sein zu wollen, oder verbergen sich vielleicht sogar ganz andere Gründe hinter dem Drang, den Körper immer mehr zu fordern – sogar bis über das Limit hinaus?
Symptome: Woran lässt sich eine Sportsucht erkennen?
Schlanker, fitter, gesünder – diese drei Worte bestimmen den Alltag vieler Frauen, denn wer sich nicht intensiv mit dem eigenen Körper beschäftigt, wird schnell als nachlässig und unmotiviert abgestempelt. Ohne Sport geht es also nicht und gerade, wer den Großteil des Tages im Sitzen verbringt, sollte sich hin und wieder einem ausgiebigen Workout widmen und die eingeschlafenen Muskeln in Bewegung setzen – zumindest dann, wenn die körperliche Betätigung in Grenzen bleibt und nicht den Tag bestimmt. Genau dann sprechen Experten nämlich von einer Sportsucht. Sie äußert sich in einem ständigen Drang nach der physischen Erschöpfung und Betroffene trainieren täglich mehrere Stunden, ohne jegliche Wettkampfambitionen zu haben. Der Großteil der Gedanken dreht sich nur noch um den Sport, was sogar dazu führen kann, dass das soziale Leben vollständig aufgegeben wird. Treffen mit Freunden werden abgesagt, um die Zeit im Fitnessstudio verbringen zu können und auch die Arbeit im Büro kann unter der Sportsucht leiden, da der einzige Fokus auf dem nächsten Workout liegt. Planst Du Deinen Tagesablauf also um den Sport herum auf, und ist die körperliche Erschöpfung das einzige Ziel, das unter allen Umständen und zu jeder Uhrzeit erreicht werden muss, liegt der Verdacht einer Sportsucht nahe. Überraschend ist allerdings, dass diese Sucht in ihrer primären Form nichts damit zu tun hat, möglichst gut in Form zu sein oder die sexy Jeans in einer kleineren Größe kaufen zu können. Doch welche Gründe führen dann dazu, dass sich jeder Gedanke um das nächste Workout dreht?
Ursachen: Wie kommt es zu einer Sportsucht?
Im Gegensatz zur sekundären Sportsucht, die oft mit einer Essstörung verbunden ist, entsteht die primäre Form nicht aus dem Wunsch heraus, möglichst viele Kalorien zu verbrennen. Der bisherige Wissensstand lässt leider nur vermuten, welche Faktoren für den Drang nach immer mehr Sport verantwortlich sind, denn selbst die Experten sind sich nicht ganz einig, was Menschen in die Sportsucht treibt. Ein möglicher Erklärungsansatz der Forscher bezieht sich auf die Flucht vor Alltagsproblemen und stressigen Situationen: Der Sportpsychologe Professor Oliver Stoll vom Institut für Sportwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg geht davon aus, dass die körperliche Anstrengung dazu führt, dass Schwierigkeiten im Job oder auch im Privatleben in den Hintergrund geraten und die ganze Konzentration auf den Sport gerichtet wird. Ähnlich wie eine Droge könnte der Sport also dazu führen, dass dieser Zustand der Befreiung und Entlastung immer wieder hergestellt werden möchte, sodass eine Sucht entsteht, die irgendwann nicht mehr kontrolliert werden kann. Doch was soll eigentlich so schlimm daran sein, ein schier unbändiges Verlangen nach Sport zu haben?
Es ist wichtig, die richtige Balance zwischen Sport und Alltag zu finden. Idealerweise lassen sich sportliche Aktivitäten super ins Leben integrieren. Im Video zeigen wir dir die besten Ideen für Outdoor-Sport:
Sportsucht kann gefährlich werden
Vielleicht klingt es für Dich im ersten Moment wie ein großes Glück, in einer Sportsucht gefangen zu sein, denn wer sich viel bewegt, verbrennt auch mehr Kalorien und einen inneren Schweinehund kennen die auch Betroffenen nicht. Allerdings hat das Verlangen, seinen Körper bis über das Maximum hinaus zu fordern, nur auf den ersten Blick eine positive Seite. Dr. Ziemainz erforscht dieses Themenfeld an der Universität Erlangen und berichtet sogar von einem Fall, der sich dem Sport so sehr hingegeben hat, dass er sich die Ferse bis auf den Knochen abgelaufen hatte. Die ständige Sucht nach noch mehr Sport ist also, wie auch die meisten anderen Suchtformen, kein Glücksfall, sondern gleicht eher einem Fluch, der zu schweren körperlichen Folgen führen kann. Oft ignorieren die Trainierenden jeglichen Schmerz oder Erschöpfungszustand und machen so lange weiter, bis es zu Verschleißerscheinungen an Bändern, Sehnen, Knochen und auch an der Muskulatur kommt. Doch nicht nur der Körper leidet unter einer Sportsucht, auch die Psyche kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Sportfanatiker organisieren nämlich ihren ganzen Tagesablauf um das nächste Workout, sodass das eigene Sozialleben kaum noch eine Rolle spielt und sich Betroffene schnell mit ihrem Problem allein gelassen fühlen können.
So kann die Sportsucht besiegt werden
Ähnlich wie bei einer Drogen- oder Alkoholsucht fällt es auch Sportsüchtigen oft schwer, ihren Zwang ohne professionelle Hilfe zu bekämpfen. Schließlich kann der Entzug vom Joggen oder Radfahren zu Schlafstörungen, einem aggressiven Verhalten, starken Kopfschmerzen oder einer großen innerlichen Nervosität führen, sodass sich der Drang nach einer Sporteinheit noch mehr verstärkt – und das auch nachts. Wer also an einer Sportsucht leidet, sollte sich in therapeutische Beratung begeben, denn nur, wenn die Wurzel der Sucht erkannt wird, kann dem Problem auch entgegengesteuert werden.
Wer den Sport liebt, kann sich glücklich schätzen, denn regelmäßige Bewegung tut dem Körper gut und wirkt sich zudem auch positiv auf die Figur aus. Wenn die Leidenschaft jedoch zu einem Zwang wird, den Du kaum noch unter Kontrolle hast, liegt womöglich eine Sportsucht vor, der Du Dich nicht alleine stellen musst. Auf Sport sollte niemand verzichten, doch wie so oft im Leben, ist auch hier das Maß entscheidend – powere Dich also aus, doch lasse Dein Workout nicht über Deinen Körper bestimmen.
Bildquelle: istock/Inside Creative House