Im ersten Moment klingen Videokonferenzen über Zoom und Co. ziemlich entspannt. Einfach in Jogginghose vor dem Bildschirm sitzen und dem lauschen, was die Kolleg*innen zu erzählen haben. Ab und zu selbst mal etwas sagen und dann zurück auf die Couch. So die Theorie, doch tatsächlich empfinden viele Menschen die digitalen Meetings als körperlich extrem ermüdend. Das ist nicht nur Einbildung, wie Forschende der Stanford University nun rausfanden. Wir erklären, woher die „Zoom Fatigue“ kommt und warum vor allem Frauen betroffen sind.
Videomeetings sind in Zeiten der Pandemie ein wichtiges Hilfsmittel, um persönliche Treffen zu ersetzen. Auch in Zukunft könnten sie genutzt werden, um teure und umweltschädliche Geschäftsreisen zu umgehen. Doch für Körper und Geist können sie ziemlich ermüdend sein. Das zeigte jetzt eine Studie im Virtual Human Interaction Lab der Stanford University. Dafür wurden über 10.000 Menschen zu ihren Erlebnissen mit Videokonferenzen befragt. Besonders interessant: Die sogenannte „Zoom Fatigue“ traf Frauen deutlich öfter als Männer. Während eine von sieben Frauen angab, nach Zoom Meetings sehr erschöpft zu sein, war es nur einer von 20 Männern.
Wieso sind Frauen stärker von „Zoom Fatigue“ betroffen?
Prof. Jeremy Bailson, der hinter der Studie steckt, sieht gleich mehrere Gründe dafür, warum Frauen Videokonferenzen als anstrengender empfinden. Frauen seien während der Meetings stärker fokussiert und würden non-verbale Aktionen ihrer Kolleg*innen eher wahrnehmen. Die Befragungen zeigten auch, dass Frauen weniger Pausen zwischen Calls nehmen und ihre Meetings häufig länger dauern.
Der Hauptgrund dafür, dass Frauen häufiger unter „Zoom Fatigue“ leiden, könnte jedoch die sogenannte „Mirror Anxiety“ sein. Während einer Videokonferenz sehen wir uns konstant selbst, was negative Effekte auf die Psyche haben kann. Studien zeigen, dass es negative Gefühle auslöst, wenn wir uns längere Zeit im Spiegel betrachten. Frauen trifft dieses Phänomen offenbar stärker. In der Befragung zeigten sie deutlich häufiger negative Gefühle bei Fragen, die auf das ständige Selbstbeobachten ausgelegt waren. Tatsächlich fanden Forschende schon früher heraus, dass wir in Videokonferenzen oft nicht auf die anderen, sondern in erster Linie auf uns selbst schauen. Gleichzeitig haben wir jedoch das Gefühl, ständig von den anderen Teilnehmer*innen beobachtet zu werden.
4 Gründe für „Zoom Fatigue“ – und was du dagegen tun kannst
„Mirror Anxiety“ ist einer von vier Gründen, die Jeremy Bailson für die „Zoom Fatigue“ herausstellt. Und für die es oft einfache Lösungen gibt.
#1 Nahen und langen Augenkontakt vermeiden
Gerade in Calls mit nur wenigen Teilnehmern sitzen wir unserem Gegenüber oft ungewohnt nah und haben langen und intensiven Augenkontakt. Wir haben das Gefühl, alle Augen seien auf uns gerichtet, was die Angst vorm Sprechen in der Öffentlichkeit noch einmal verstärken kann und den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Professor Bailson empfiehlt deshalb, die Videofenster zu verkleinern und eine externe Tastatur zu nutzen, um den Abstand zu anderen Teilnehmern zu verringern.
#2 Eigenes Videofenster nicht einblenden
Um „Mirror Anxiety“ und die damit einhergehenden Gefühle zu vermeiden, kann es helfen, das eigene Videofenster gar nicht oder nur klein anzeigen zu lassen, sodass unsere Aufmerksamkeit voll auf dem Sprecher oder der Sprecherin liegt und nicht auf uns selbst. Auch kann es helfen, bei längeren Meetings die Kamera auszuschalten, wenn wir selbst nicht sprechen.
#3 Bewegungsradius erhöhen
Während Telefonaten laufen wir gern mal durch die Wohnung, kochen uns nebenbei einen Kaffee oder machen die Wäsche. Bei einem Videocall sind wir hingegen an den Schreibtischstuhl und das Aufnahmefeld unserer Kamera gebunden. Durch das Homeoffice mangelt es vielen ohnehin an Bewegung, während eines Videomeetings werden aber zusätzlich oft auch kleine natürliche Bewegungen unterdrückt. Dabei arbeiten wir Studien zufolge konzentrierter, wenn wir uns bewegen. Auch hier kann es helfen, durch eine externe Tastatur Abstand zum Bildschirm und somit mehr Raum zu gewinnen und die Kamera bei längeren Meetings ab und an auszuschalten, um uns ein wenig durch den Raum zu bewegen.
#4 Eine „Audio Only“-Phase einlegen
Nicht nur sich selbst zu sehen oder sich von anderen beobachtet zu fühlen, kann ermüdend sein. Für Videochats müssen wir uns insgesamt stärker konzentrieren als für Telefonate. Wir lesen non-verbale Signale der anderen Teilnehmer und müssen noch dazu darauf achten, welche Zeichen wir selbst senden. So unterdrücken wir etwa ein Gähnen oder den Drang uns zu kratzen. Bailson empfiehlt deshalb, in längeren Calls eine „Audio Only“-Phase einzulegen, in der alle Teilnehmer*innen ihre Videos ausschalten. Diese Zeit sollte genutzt werden, um die Sitzposition zu ändern und sich bewusst vom Bildschirm abzuwenden.
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