Im Januar nehmen sich wieder zahlreiche Menschen vor, ein paar Pfunde zu verlieren. Doch laut den Ernährungswissenschaftlerinnen Dr. Antonie Post und Petra Schleifer sind mehr als 95 Prozent der Diäten zum Scheitern verurteilt. Die beiden haben gemeinsam das Buch „Gesundheit kennt kein Gewicht" geschrieben. Darin erklären sie, warum wir uns mit Diäten oft mehr schaden als guttun.
Die Anti-Diät-Bewegung ist in den USA bereits weit verbreitet. In Deutschland hingegen sind Dr. Antonie Post und Petra Schleifer einige der ersten, die ein Buch über die Tücken der Diätkultur schreiben und Klient*innen ganz bewusst von Diäten abraten. Stattdessen setzen sie sich für Körperakzeptanz und intuitives Essen ein. Im Podcast haben wir mit ihnen darüber gesprochen, wie das funktionieren kann und warum mehrgewichtige Menschen in unserer Gesellschaft noch immer so stark diskriminiert werden.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserer aktuellen Podcast-Folge anhören.
desired: In eurem Buch heißt es, dass Studien zufolge 95 Prozent der Diäten scheitern. Gibt es keinen Weg, gesund und langfristig abzunehmen oder sollten wir uns von diesem Gedanken ganz frei machen?
Petra Schleifer: Als Ernährungswissenschaftlerinnen stellen wir uns immer die Frage: Muss jemand wirklich abnehmen? Viele Mediziner*innen sind da immer noch der Meinung, ja. Unser Ansatz ist etwas anders. Wir gucken nicht in erster Linie auf das Gewicht, sondern auf ungesunde Verhaltensweisen wie zu wenig Schlaf oder zu viel psychischer Druck. Wir können nicht von außen per Blickdiagnose sagen, ob jemand gesund ist oder nicht. Das Gewicht wird von sehr vielen Faktoren beeinflusst, die überhaupt nichts mit Essen und Bewegung zu tun haben.
Ein starkes Selbstbewusstsein hilft auch zu mehr Körperakzeptanz. Im Video haben wir ein paar Tipps hierfür:
Dr. Antonie Post: Wir sehen oft eine Vermischung von Korrelation und Kausalität. Wir wissen beispielsweise aus Studien, dass mehrgewichtige Menschen ein erhöhtes Risiko für bestimmte Erkrankungen haben. Und weil wir menschlich sind und immer gerne alles sehr einfach erklärt haben wollen, nehmen wir dann sozusagen die Abkürzung und sagen: Mehrgewichtige Menschen sind oft kränker, also müssen wir sie jetzt im Umkehrschluss alle schlank machen. Das ist aber viel zu kurz gedacht. Wir wissen nicht, was diese Zusammenhänge verursacht. Oft wird gesagt, es ist das Fettgewebe, das entzündliche Stoffe produziert und den Stoffwechsel durcheinanderbringt und so zu Krankheiten führt. Wir glauben mittlerweile nicht mehr, dass das der einzige Faktor ist. Wir wissen aus Studien, dass Diskriminierung und Stigmatisierung gesundheitsschädlich sind, und zwar unabhängig vom Körpergewicht. Damit können wir diese ganzen Risiken unabhängig vom Körpergewicht erklären durch eben den Faktor Gewichtsstigmatisierung oder auch den Faktor Weight Cycling, darunter verstehen wir Gewichtsschwankungen, die nachweislich gesundheitsschädlich sind, auch bei schlanken Menschen. Wer auf Dauerdiät ist, baut meist sogar auf lange Sicht mehr Fettmasse auf.
Das klingt erst mal alles logisch. Trotzdem reagieren viele Menschen bei diesem Thema sehr empfindlich und wollen nichts davon hören. Wenn Leute sich für die Anti-Diät- oder Fat Acceptance Bewegung einsetzen, wird ihnen oft sogar vorgeworfen, Mehrgewicht zu propagieren. Wieso sorgt das Thema für so viele Kontroversen?
Petra Schleifer: Viele Menschen haben wohl das Gefühl, mehrgewichtige Menschen sind so die letzte Bastion, über die ich irgendwie noch schimpfen darf. Wer sich rassistisch oder frauenfeindlich äußert, muss heute mit einem Aufschrei rechnen. Aber bei der Diskriminierung von mehrgewichtigen Menschen wird oft damit argumentiert, dass sie doch selbst schuld sind. Mehrgewicht wird immer auch mit Wollust und Disziplinlosigkeit verbunden. Viele Diäten stammen tatsächlich aus der Kirche und hatten damals das Ziel, Menschen, insbesondere Frauen, zu disziplinieren.
Dr. Antonie Post: Wir stellen uns nicht hin und sagen: Lasst uns doch mal alle dick werden. Wenn wir das machen würden, dann könnte man uns schon vorwerfen, dass wir Mehrgewicht verherrlichen würden. Aber das machen wir nicht. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der wir allen Menschen mit Respekt begegnen und ihren Raum geben. Und es ist schon bezeichnend, dass sich unsere Gesellschaft dazu entschieden hat, eine Bewegung abzulehnen, die für Respekt, soziale Gerechtigkeit, Empathie und Liebe steht. Das Problem ist, dass wir noch immer denken, Gewicht sei beliebig veränderbar. Wer es nicht schafft, dem fehlt es nur an Willenskraft und mit seiner Disziplinlosigkeit schadet er der Gesellschaft.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir im Podcast anhören:
Bildquelle: Jule Kantim