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Kommentar

Verbotene Plakatwerbung: Weibliche Körper sind (k)ein öffentliches Ärgernis!

Weibliche-Körper-in-der-Werbung

Nackte Frauen in der Werbung sind ein Streitthema. Nicht lange ist es her, dass in jeder zweiten Bier- oder Autowerbung Frauenkörper sexualisiert wurden. Dass es dagegen mittlerweile strengere Richtlinien gibt, ist gut. Doch diese Richtlinien können auch übers Ziel hinausschießen, wie gerade wieder eine Kampagne der Audio-Porn-Plattform Femtasy zeigt. Denn nicht die Frauenkörper sind das Problem, sondern die Tatsache, dass sie unnötig sexualisiert werden und im öffentlichen Raum offenbar noch immer als Tabu gelten.

Aber der Reihe nach: Was genau ist überhaupt das Problem bei der Femtasy-Kampagne? Das Unternehmen startete vergangene Woche eine Werbekampagne, zu der unter anderem eine große Plakatwerbung im Bahnhof Berlin Alexanderplatz gehört. Das ursprüngliche Motiv für die Kampagne, eine Frau in schlichter Unterwäsche, deren Nippel sich durch den Stoff des BHs abzeichnet, wurde abgelehnt. Die Begründung: Das Motiv entspreche nicht den Berliner Werberichtlinien für den öffentlichen Raum, es sei zu explizit, könnte darüber hinaus öffentliches Ärgernis erregen und zu Beschwerden von Passant*innen führen. Für die Femtasy-Gründerin Nina Julie Lepique nur schwer verständlich: „Dass auf den Plakaten die Darstellung weiblicher Körper zensiert wurde, ist für uns ein Alarmsignal. Wir haben im Rahmen der Kampagne an einer sehr persönlichen Botschaft gearbeitet: Bei der Aufnahme und Auswahl der Motive trafen Frauen aus dem femtasy-Team vor und hinter der Kamera alle kreativen Entscheidungen, wurden sogar selbst abgebildet.“

Femtasy Werbung
Dieses Motiv durfte Femtasy am Alexanderplatz nicht zeigen.

Weibliche Körper in der Werbung: Wo ist die Grenze?

Für Werbung im öffentlichen Raum gelten strenge Richtlinien, immerhin kann sich ihr niemand, der vorbeigeht, entziehen. Sie muss deshalb kinderfreundlich sein, darf keine Gewalt zur Schau stellen, keine verstörenden Motive – und eben auch keine (weibliche) Nacktheit. An sich soll das unter anderem dazu dienen, Plakaten entgegenzuwirken, auf denen Frauen bewusst sexualisiert werden. Zu lange waren Werbungen, in denen hübsche, halbnackte Frauen nur als Beiwerk und Blickfang dienten, an der Tagesordnung. Doch es gibt eben einen Unterschied zwischen einer Werbung, die Tabus rund um weibliche Sexualität brechen will und Frauen in Posen zeigt, in denen sie sich wohl fühlen und einer Werbung, in der die Frau nur als Sexobjekt dargestellt wird. Nicht die weibliche Nacktheit ist das Problem, sondern dass weibliche Körper scheinbar automatisch sexualisiert werden.

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Leider wird hier nur selten differenziert. Denn weibliche Nacktheit gilt noch in so vielen Bereichen als Tabu. Bestes Beispiel: Männer dürfen in der Öffentlichkeit oberkörperfrei zeigen, Frauen nicht. So war das Team von Femtasy auch überrascht, als sie sahen, dass im gleichen U-Bahnhof ein Plakat hängt, das zwei oberkörperfreie Männer abbildet, von denen einer dem anderen in den Schritt fasst. Wie das Femtasy-Plakat dient auch dieses Motiv der Aufklärung. Es fordert dazu auf, Kondome zu benutzen.

Plakat nackte Männer
Dieses Plakat war am Bahnhof erlaubt.

Größter Anstoßpunkt bei der Darstellung weiblicher Brüste, sind meist die Nippel. Auf Instagram etwa führte das zu Aktionen, bei denen Frauen einen männlichen Nippel auf ihre nackte Brust photoshopten, um so gegen die Richtlinie, die explizit das Zeigen weiblicher Brustwarzen verbietet, zu protestieren. Viel brachte das nicht, die Richtlinien wurden zwar ein wenig gelockert, allerdings sind weibliche Brustwarzen weiterhin nur in bestimmten Kontexten erwünscht. Frauen dürfen sie etwa beim Stillen oder nach einer Geburt zeigen. Auch im medizinischen Kontext sind sie geduldet, etwa wenn es darum geht, eine Brust nach einer Mastektomie zu zeigen.

Verbote sorgen für Tabuisierung

In U-Bahnstationen oder an anderen öffentlichen Plätzen ist selbst das ein Tabu. Selbst bei Aufklärungskampagnen gegen Brustkrebs muss die weibliche Brust entweder verdeckt oder nur symbolisch dargestellt werden. Im Brustkrebsmonat sieht man deshalb haufenweise Orangen, Zitronen und Äpfel. Dabei könnten Bilder, die das Abtasten einer echten Brust zeigen, mitunter sogar Leben retten. Die Angst, dass Frauen sexistisch dargestellt werden, ist hier wohl kaum der Grund, dass diese Art von Motiven ausgeschlossen wird. Vielmehr geht es darum, dass sie als anstößig wahrgenommen werden. Gerne wird das damit begründet, dass auch Kinder die Plakate sehen. Doch was genau ist schlimm daran, wenn Kinder nackte Brüste sehen? Im besten Fall lernen sie so sogar, dass Brüste eben keine reinen Sexobjekte, sondern ganz normale Körperteile sind. Dass wir Nippel schnell in einen sexuellen Kontext setzen, liegt an unserer Sozialisierung. Wir sind damit aufgewachsen, sie als schambehaftetes Körperteil zu sehen. Verbote verstärken das nur noch weiter.

Nun könnte man im Fall der Femtasy Werbung argumentieren, dass diese doch aber tatsächlich in einem sexuellen Kontext steht – immerhin geht es um erotische Audios und Selbstbefriedigung. Der Unterschied ist nur, dass die Frau hier nicht als Lustobjekt für einen Mann dargestellt wird. Vielmehr will die Kampagne gegen die Tabuisierung weiblicher Lust angehen. „Wir fordern, dass selbstbestimmte weibliche Sexualität uneingeschränkt in Werbung gezeigt werden darf“, sagt Nina Julie Lepique.

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Mit der Kampagne will Femtasy auch für Female Empowerment kämpfen. Doch was genau ist das eigentlich?

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Sexistische Werbung geht auch ohne nackte Haut

Für die Entscheider, die sich damit auseinandersetzen, was auf Plakaten gezeigt werden darf und was nicht, würde das natürlich ein wenig mehr Arbeit bedeuten. Schließlich ist es richtig, dass sexistische Werbung weiterhin kritisch hinterfragt und im besten Fall nicht zugelassen wird. Nur ist es eben auch wichtig, zu differenzieren. Denn eine Werbung ist nicht sexistisch, nur weil eine nackte Frau zu sehen ist. Und sie kann genauso problematisch sein, wenn eine Frau darauf voll bekleidet ist. Der Verein Pinkstinks beschäftigt sich intensiv mit sexistischer Werbung. Hier kann jede*r Motive melden, die ihr oder ihm auffallen. Der Verein prüft dann und kategorisiert in „sexistisch“, „nicht sexistisch“ und „stereotyp“. Über 4000 Motive wurden auf der Website werbemelder.in bereits durchleuchtet. Als sexistisch gelten nach den Richtlinien der Betreiber*innen Motive, die „die Darstellung stark sexualisierter Frauen als reinen Blickfang ohne Produktbezug benutzen“. In die Kategorie fallen nicht nur Bilder von leicht bekleideten Frauen. Oftmals sind es auch die Sprüche, die eine Werbung sexistisch machen, etwa wenn eine Firma für Seniorenumzüge neben dem Bild einer älteren Dame mit einer Pfanne mit dem Slogan „Wir Räumen Auch Ihre Alte (Pfanne) Raus!“ wirbt.

Johanna Böhnke

Mehr Sensibilisierung, weniger Tabuisierung

Natürlich ist es nicht immer einfach, zu differenzieren, wann eine Werbung angebracht ist und wann nicht. Doch genau dafür sollten wir stärker sensibilisiert werden. Einfache Fragen wie „Nippel zu sehen: Ja oder Nein?“ funktionieren hier nicht. Dafür ist das Thema zu komplex. Wenn wir unsere Bewertungsstandards nicht ändern, dann werden Dinge, für die sich keine Frau schämen sollte, weiter tabu bleiben und wirklich sexistische Motive werden erst durch den nächsten Shitstorm oder aufgedeckt.

Johanna Böhnke

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Bildquelle: iStock/jacoblund

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