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Toxische Positivität: „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“

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„Alles wird gut!“, „Kopf hoch“, „Anderen geht’s viel schlimmer“. Solche Sätze hast du bestimmt schon gehört, oder? Eigentlich sind sie gut gemeint, doch dahinter verbirgt sich nicht selten toxische Positivität. Ja, auch zu viel Positivität kann toxisch, also schädlich sein.

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Aber was genau ist toxische Positivität? Unter dem Phänomen versteht man z.B., dass alles schöngeredet wird und negative Gefühle keinen Platz bekommen. Warum das auf Dauer nicht gut gehen kann, woran man typisch toxisch positive Glaubenssätze erkennt und wie wir wirklich trösten können, darüber haben wir in unserer neuesten Podcast Folge mit Lisa Holtmeier gesprochen. Sie ist die Gründerin von Wordseed und ist als Kommunikationscoach tätig – Kommunikation gesund zu gestalten, ist ihr dabei das größte Anliegen.

Die ist eine gekürzte Fassung. Die gesamte Folge kannst du hier hören.

Liebe Lisa, ab wann kann Positivität denn zu viel des Guten sein und toxisch, also Gift für uns werden?

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Ich glaube, die Dosis macht das Gift, wie man immer so klassisch sagt. Wie bei allem kommt es auf die Balance an – und jede und jeder von uns hat so ein unterschiedliches Maß an Balance. Während es dem einem nicht positiv genug sein kann, ist es dem anderen schon zu viel.

Es ist vor allem aber dann toxisch, wenn wir alles, was uns beschäftigt, auch negative Gefühle, zur Seite schieben und sagen, „ach, da musst du dir keine Gedanken drum machen. Du darfst jetzt nicht traurig sein. Es gibt doch gar keinen Grund.“ Sobald wir Gefühle aberkennen, die einfach ihre Daseinsberechtigung haben, dann driften wir schnell in dieses Toxische ab. Da fühlt man sich natürlich nicht ernst genommen und gesehen. Bei manchen kann es durchaus sein, dass Sätze wie „Mensch, mach dir doch nicht so viele Gedanken“ total helfen. Andere fühlen sich gar nicht gesehen und sagen „na ja zu spät. Ich mache mir doch schon seit Tagen Gedanken. Ich bin mittendrin statt nur dabei!“ Das macht niemand mit einer negativen Absicht und oft sind die Worte ja sehr gut gemeint, auch als eine Beschwichtigung oder eine Beruhigung. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Deswegen finde ich es superwichtig, eine Sensibilität dafür zu schaffen, sich selbst zu reflektieren.

Was sind noch „typisch“ toxisch positive Sätze und welche Probleme bringen die in der Kommunikation mit?

Das sind oft sehr allgemeine Aussagen. Teilweise sind es schon fast Verpflichtungen. „Du musst dir keine Gedanken machen.“ Oder: „Wenn du dir so viele Gedanken machst, hast du ja auch selbst Schuld, dass es so ist.“ Es geht oft auch auf diese Gefühlsebene „kein Wunder, dass das bei dir nichts wird, wenn du so eine Einstellung hast.“ Es ist oft sehr, sehr extrem formuliert. „Alles wird gut, du kannst alles schaffen, wenn du dir nicht selbst im Weg stehst“ und so weiter.

Und in allen Aussagen steckt immer ein Fünkchen Wahrheit. Aber nur ein Fünkchen. Und darauf kommt es letztendlich an. Natürlich hast du viel in der Hand. Natürlich, wenn du eine positive Einstellung hast, wird dir einiges auch ein bisschen leichter fallen. Und da sind wir wieder, die Dosis macht das Gift. „Und, wenn dir das Leben Zitronen gibt, dann mach Limonade draus.“ Und es gibt einfach Menschen, die keine Limonade mögen. Punkt. Das ist okay.

Dein toxischer Ex lässt dich nicht in Ruhe? Wie du gesunde Grenzen ziehst und entschieden auf seine oder ihre Nachrichten antworten kannst, verraten wir dir im Video:

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Können wir auch mit uns selbst toxisch positiv sprechen und gewisse Glaubenssätze und Mantras auf unseren inneren Dialog projizieren?

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Ja, auf jeden Fall. Unsere inneren Dialoge steuern ja allein schon ganz viel Hormonelles. Wenn ich mich sehr unter Druck setze, werden automatisch viel Stresshormone ausgeschüttet. Wenn ich tendenziell eher ein bisschen liebevoller zu mir bin, habe ich tatsächlich die Möglichkeit, dass zum Beispiel Endorphine oder Dopamin ausgeschüttet werden, umgangssprachlich als Glückshormone bekannt. Das ist etwas rein Biologisches.

Und grundsätzlich prägen ja unsere inneren Dialoge Glaubenssätze. Wir sind die Kommentator*innen unseres Lebens. Wir kommentieren, wenn wir das Bad putzen, wenn wir die Treppe runtergehen, wie wir aussehen, wenn wir was vergessen haben. Wir kommentieren ja letztendlich alles und die Frage ist immer, wie wir das tun und wie wir dann damit umgehen, wenn es uns bewusst wird, dass wir uns gerade nicht so freundlich behandeln. Weil, auch das ist tatsächlich normal. Es ist okay, dass wir so was zu uns sagen wie „oh Mensch, wieder so tollpatschig von mir“ oder „war ja klar, dass mir das passiert“. Da sollten wir vielleicht mal ein bisschen mit Humor rangehen und erst mal in die Selbstfreundschaft kommen, bevor wir gleich in die Selbstliebe driften. Also eins nach dem anderen.

Wenn ich meine Selbstbeziehung so schädige und immer denke „ach, ich muss ja hier keine Welle machen“, verlieren wir so ein wenig den Bezug zu uns.

Was kann passieren, wenn man zu lange und zu intensiv seine schlechten Gefühle unterdrückt?

Es ist einfach schädlich für die psychische, emotionale und seelische Gesundheit. Wir verlieren den Bezug zu uns selbst und das begünstigt zum Beispiel depressive Episoden oder gar Depressionen, Angstsymptome oder vielleicht sogar Angststörungen. Und letztendlich auch allein im Alltag für sich einzustehen. Wenn ich meine Selbstbeziehung so schädige und immer denke „ach, ich muss ja hier keine Welle machen“, verlieren wir so ein wenig den Bezug zu uns, wir nehmen uns selbst nicht mehr ernst. Unser Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, das wird sehr darunter leiden. Darauf folgen Gedanken wie: „Was darf ich jetzt fühlen? Bin ich zu sensibel? Was ist mit mir nicht richtig?“. Das heißt, wir zweifeln letztendlich an unserem ganzen inneren Konstrukt und wissen gar nicht mehr, was ist jetzt wahr ist und was nicht.

Und unterdrückte Gefühle können auch dazu führen, dass wir sehr ins Gegenteil umschwenken. Dass ich mich nicht zurückziehe, sondern dass es irgendwann aus mir rausplatzt, weil es zu viel ist. Es hat sich so viel aufgestaut und plötzlich bringt ein Tropfen das Fass zum Überlaufen. Wir erschrecken uns selbst. „Oh Gott, was passiert denn jetzt, dass ich hier so laut werde oder völlig in Tränen ausbreche?“

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Worte haben Macht – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

Wie können wir es schaffen, da wieder näher an uns selbst heranzutreten?

Ein Anfang wäre erst mal wieder einen Bezug zu sich zu finden. „Hey, wie geht es mir denn heute Morgen eigentlich“? Mal ehrlich zu sich zu sein, auch zuzulassen, „boah, ich bin irgendwie müde. Irgendwie bin ich heute nicht so motiviert“, – ohne jetzt unbedingt was unternehmen zu müssen. Und ich glaube, das ist unsere tägliche Aufgabe und Challenge für uns herauszufinden, was tut mir gerade gut und was nicht. Wenn es nicht stimmig für dich ist, dich morgens hinzustellen und zu sagen: „Ich liebe mich so wie ich bin“, weil es einfach noch zu groß ist für dich, dann ist es doch vollkommen in Ordnung. Welche Sätze wären denn vielleicht besser für dich? Es kann eine Selbstberuhigungstaktik sein, die dir hilft. Es kann sein, dass es dich unter Druck setzt. Da ist es superwichtig, immer zu schauen, was du gerade brauchst und emphatisch auf dich einzugehen.

Grundsätzlich würde ich sagen, Worte sind mehr als Sprache und wer anderen eine Blume sät blüht selbst auf. Es ist okay, mutmachende Worte zu säen, aber gleichzeitig müssen wir auch immer die Sensibilität dafür haben. Vielleicht können einige diese Podcast-Folge jetzt als Inspiration sehen, sich selbst zu reflektieren und auch zuzulassen, hey, wir sind alle mal toxisch positiv unterwegs. Es geht nicht um Perfektion, auf gar keinen Fall. Es geht darum, wieder sensibel mit eigenen Worten umzugehen. Weil Worte haben Macht – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

Mehr über das Thema toxische Positivität, wie wir es schaffen, wirklich Mut und Trost zu spenden und welcher Satz die Kommunikation zu anderen erheblich verändert hörst du in dieser Podcastfolge.

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Bildquelle: Lisa Holtmeier

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