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Nachhaltiger leben

Wo soll ich nur anfangen? Ein Klima-Experte gibt Tipps!

Interview Christof Drexel

Irgendwie wissen wir alle, dass wir nachhaltiger leben sollten. Doch wo soll man anfangen? Und bringt es wirklich etwas, seine Lebensweise zu verändern? Diese Fragen beantwortet der anerkannten Klima-Experten Christof Drexel in seinem neuen Buch „Warum Meerschweinchen das Klima retten“*. Im Interview hat er uns Tipps gegeben, wie jeder seinen CO2-Ausstoß im Alltag senken kann, und erklärt, warum es noch nicht zu spät ist, um das Klima zu retten.

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desired: Wenn ich beschließe, ab morgen meinen CO2-Ausstoß zu senken, womit sollte ich am besten anfangen?

Christof Drexel: Ich würde bei der Ernährung oder der Mobilität anfangen, weil das zwei Bereiche sind, die man sofort umstellen kann. Bei der Ernährung kann man anfangen, seinen Fleischkonsum zu reduzieren und Fleisch nur vom regionalen Bio-Bauern zu kaufen. Das ist natürlich teurer, daher sollte man auch weniger Fleisch konsumieren. Dasselbe gilt für Milchprodukte. Fleisch und Milch sind für den Großteil der CO2-Emissionen in unserer Ernährung verantwortlich. Das heißt nicht, dass man auf alles verzichten muss, aber man sollte es auf ein gesundes Maß reduzieren. Auch das Autofahren ist für einen großen Teil der Treibhausgase verantwortlich. Da hilft schon jede Fahrt, die durch das Fahrrad, zu Fuß laufen, das E-Bike oder öffentliche Verkehrsmittel ersetzt wird. 

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Christof Drexels neues Buch „Warum Meerschweinchen das Klima retten“ ist für 17 Euro bei Amazon* erhältlich und enthält viele schöne farbige Illustrationen und Selbsttests zum Ermitteln des persönlichen CO2-Ausstoßes. Außerdem erfährst du, welche Haustiere besonders klimafreundlich sind.

Meerschweinchen Klima

Was sollte man sich vor Augen führen, wenn man denkt, dass man selbst durch seinen Lebensstil nicht viel verändern kann?

Man muss sich vor Augen führen, dass wir uns in einem so großen Wandel befinden, dass dieser weder von einer einzelnen Person noch von der Politik alleine gestaltet werden kann. Dieser Wandel ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das bereits begonnen hat. Gesamtgesellschaftlich heißt, dass man alleine und auch die Gesellschaft alleine nichts ausrichten kann, sondern dass es alle Player braucht – natürlich auch die Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft. Alle müssen mitspielen, aber eben auch jeder Einzelne als Konsument. Wenn man das begriffen hat, dass man sich als Einzelner mit seinem Lebensstil als Teil der Lösung sieht, dann nimmt man auch vom Gedanken Abstand, dass der eigene Lebensstil überhaupt keine Wirkung hat. 

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Die 10 besten Serien und Dokus über Nachhaltigkeit

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Kann man aber nicht trotzdem bei der Vorstellung resignieren, dass es womöglich nichts bringt, nachhaltiger zu leben, wenn sich die Weltbevölkerung in den nächsten Jahren vervielfacht?

Ich persönlich fühle mich sehr wohl in der Rolle zu sagen: Ich weiß, dass mein eigenes Handeln keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gesamtemissionen dieser Welt hat. Aber ich glaube, dass der gesellschaftliche Wandel dann so richtig ins Laufen kommt, wenn eine kritische Masse in der Bevölkerung mal vorgezeigt hat, dass dieses emissionsärmere Leben erstens lebenswert ist, zweitens funktioniert und drittens sogar viele Vorteile auf anderen Ebenen mit sich bringt, wie Gesundheit, mehr Freizeit oder mehr Genuss. Das ist die ganz wesentliche Rolle derer, die sich jetzt fragen: ‚Warum soll ausgerechnet ich das jetzt machen? Was soll das bringen?‘ Alle die das verstehen und merken, dass sie etwas verändern könnten, haben die Verantwortung in die Vorreiter- und Vorbildrolle zu gehen, um diese kritische Masse zu erreichen. 

Menschen, die sich beispielsweise vegan ernähren oder Plastik einsparen werden von anderen oft viel mehr kritisiert als solche, die nicht auf einen nachhaltigen Konsum achten. Warum triggert es andere so sehr, wenn man versucht, nachhaltiger zu leben?

Eine Vorbildwirkung aktiviert immer zuerst das eigene schlechte Gewissen. Da ist dann die erste Reaktion gegenüber dem, der einem Vorbild sein sollte, etwas zu finden, das derjenige schlecht macht. Das ist relativ klar, dass das die Motivation für solche Anschuldigungen sind, das sieht man ja auch bei Greta Thunberg und überall sonst, wo jemand als Vorbild wirkt: Man sucht wie nach der Nadel im Heuhaufen danach, was jetzt bei dem noch alles falsch sein könnte. 

Ist man als Veganer oder Vegetarier schon fein raus, oder worauf sollte man bei einer pflanzlichen Ernährung achten? Häufig wird ja auch der umweltschädliche Anbau von Avocados, Mandeln oder Soja kritisiert.

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Da muss man ein bisschen unterscheiden. Ich betrachte alle Lebensbereiche in meinem Buch nur hinsichtlich des CO2-Ausstoßes. Man weiß von verschiedenen Lebensmitteln wie wasserintensiv sie beispielsweise hergestellt werden. Das fließt in die CO2-Bilanz nicht ein. Bei Avocados ist das unter anderem der Fall. CO2-mäßig ist das insofern recht unkritisch, als dass der Wasserverbrauch keine große Rolle spielt. Aber Avocados kommen in der Regel von weit her. Wenn sie aber mit dem Schiff transportiert werden und dort nachreifen, ist auch der Transport nicht so relevant. Ein Veganer schneidet CO2-mäßig immer viel besser ab als ein Mensch, der sich durchschnittlich ernährt. Es empfiehlt sich natürlich, zusätzlich danach zu fragen, woher die Lebensmittel kommen: Sind die in einer Gegend, in der es eh schon wenig Wasser gibt, wasserintensiv produziert worden? Wenn man aber nur die Klimawirkung betrachtet, kann sich eine vegane Person gar nicht so schlecht ernähren, dass die Klimabilanz so schlecht ist wie die eines Durchschnittsbürgers. 

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Wie umweltfreundlich ist dein Lebensstil?

Ich bin schon lange Veganer, trinke hauptsächlich Leitungswasser und habe kein Auto. Da denke ich mir manchmal: Dann darf ich mir auch mal einen Langstreckenflug leisten, weil meine Klimabilanz sonst ganz gut ist. Ist diese Denkweise falsch?

Man muss schon aufpassen, dass man sich nicht mit einem oder zwei Lebensbereichen ein gutes Gewissen macht, und dann bei den anderen über die Stränge schlägt. Es ist aber auch nicht erforderlich, sich in allen Lebensbereichen radikal zu verändern. Das wäre eine Überforderung unserer Gesellschaft. Ein guter Mix ist ausreichend. Ein Langstreckenflug pro Jahr schlägt allerdings schon ziemlich stark zu Buche, da wird man in allen anderen Bereichen richtig in die Grenze gehen müssen, um noch auf eine verträgliche CO2-Bilanz zu kommen.

Für viele Menschen mit Migrationshintergrund ist es unumgänglich, häufiger einen Langstreckenflug zu unternehmen, um ihre Familie besuchen zu können. Ist der Rat aus ihrem Buch, sich nur alle 10 Jahre eine Fernreise zu gönnen, für solche Menschen nicht unfair?

Diesen Menschen würde ich auf jeden Fall nicht davon abraten, ihre Familien im Ausland zu besuchen. Daher versuche ich eine gewisse Offenheit walten zu lassen. Es gibt natürlich Anforderungen, wo man aus privaten Gründen fliegen muss oder möchte. Es wäre auch eine Überlegung wert, dass die „Wohlstandmenschen“ das Flug-Budget, was wir noch haben, denen zu überlassen, die es ganz dringend brauchen und nicht aus Jux und Tollerei in der Weltgeschichte herumfliegen. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Ich schreibe im Übrigen niemandem vor, nicht zu fliegen, Ich schlage nur vor, dass wir die privaten Flugkilometer insgesamt etwa um die Hälfte reduzieren.

Wäre es für den Klimaschutz nicht auch ratsam, möglichst wenige Kinder zu zeugen oder bei einem Kinderwunsch lieber Kinder zu adoptieren?

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Es gibt eine Bewegung, die fordert, aus Klimaschutzgründen keine Kinder mehr zu bekommen. Da bin ich wirklich strikt dagegen. Dann können wir uns gleich kollektiv suizidieren. Es ist ja ein Grundbedürfnis Nachkommen zu haben. Man kann sich fragen, ob es in der heutigen Zeit noch sein muss, dass jemand fünf oder sechs Kinder hat. Da endet aber schon die Überlegung. Das wäre auch nicht gut, wenn es da von staatlicher Seite aus rigorose Eingriffe gäbe. In Europa stagniert die Bevölkerung ja schon längst. Weiter zurückgehen sollte es meines Erachtens nicht. Auch die Weltbevölkerung insgesamt wird voraussichtlich bei 10 Milliarden stagnieren. Zu fordern, wir in Mitteleuropa sollten unsere Bevölkerung weiter dezimieren, halte ich für falsch.

Glauben Sie, dass Menschen ihre Lebensweise eher verändern würden, wenn Produkte bspw. nach ihrem CO2-Ausstoß gekennzeichnet oder bestimmte Produkte wie Plastik-Strohhalme, Tüten etc. verboten werden würden?

Das würde vielleicht eine Wirkung zeigen. Grundsätzlich halte ich aber das Prinzip der Kostenwahrheit für eine viel bessere Lenkungsstrategie als das Prinzip der Deklaration, und zwar aus einem sehr einfachen Grund. Deklaration ist immer mit einem hohen Bürokratieaufwand verbunden. Ich kann ein Lied davon singen. Ich war lange Zeit Chef eines Industrieunternehmens und daher weiß ich, was mit Zertifikaten und Deklarationen für ein hoher Aufwand verbunden ist. Da werden, gelinde gesagt, auch immer Interpretationsspielräume geschaffen oder auch ausgenutzt. Die bessere Strategie ist, CO2 einfach den gerechten Preis zu geben, dann hat das eine klarere und einfacher handhabbare Lenkung zur Folge. Regionale Produkte wären dann beispielsweise günstiger als Produkte von Übersee. Das wäre doch toll, wenn das Bio-Fleisch vom Bauern um die Ecke nicht mehr kosten würde als das aus Argentinien. Dafür müssen wir die Subvention der Massentierhaltung beenden und auch dem Transport einen entsprechenden Preis geben. Dann ist es auch kein Argument mehr, dass sich jemand das Bio-Fleisch nicht leisten kann. 

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Drexel!

Bildquelle: Unsplash/Caleb Frith