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Kommentar:

Keinen Organ­spende­ausweis zu haben ist Egoismus

Organspendeausweis

Ich war schon immer eine starke Befürworterin von Organspenden. Umso besorgter stimmt mich ein aktueller Bericht der Deutschen Stiftung Organspende (DSO): Die Zahl der Organspenden ist auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Angesichts dieser Lage kann ich es einfach nicht nachvollziehen, warum so viele Menschen hierzulande dennoch keinen Organspendeausweis bei sich tragen. Mehr noch: Ich halte diese Menschen für Egoisten.

Besorgniserregend: Immer weniger Organspenden

Auf dem Jahreskongress der DSO gab es dieses Jahr keine guten Nachrichten zu verkünden: Während 2010 noch 4.200 Transplantionen in Deutschland erfolgt sind, rechnet die Stiftung mit nur etwa 2.700 für 2017. Alex Rahmel, medizinischer Vorstand der DSO, bezeichnet die Lage als „zutiefst besorgniserregend“. Für Laien wie mich klingen die folgenden Zahlen noch erschreckender: Täglich sterben in Deutschland im Schnitt drei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig eine Organspende erhalten. Damit liegen die Deutschen auch weit hinter ihren Nachbarn. Ich habe mir daher die Argumente der Menschen näher angesehen, die dennoch gegen Organspenden sind.

Organspender

Gegenargumente, die ich egoistisch finde

Praktischerweise stellt das Bundesamt für gesundheitliche Aufklärung ein umfangreiches Informationsangebot zur Verfügung. Auf der Seite Organpaten.de kann jeder sein Statement für oder gegen Organspenden veröffentlichen – je nach Belieben anonym oder unter echtem Namen. Insgesamt kann man sich derzeit durch 409 gesammelte Pro-Argumente und 205-Contra-Stimmen klicken. Diese Zahlen geben mir etwas Hoffnung. Dennoch kann ich bei den meisten Gegenargumenten nur den Kopf schütteln:

Wie und wann ich sterben werde, will ich gar nicht wissen. Wissen möchte ich aber, dann „in Ruhe“ gelassen zu werden.
Birgit auf Organpaten.de

An diesem Argument wird ziemlich gut deutlich, dass man sich beim Thema Organspende natürlich auch mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss. Ich verstehe, dass das kein schöner Gedanke ist. Ich möchte auch nicht wissen, wann ich sterben werde. Ich teile jedoch nicht das Bedürfnis, im toten Zustand in Ruhe gelassen zu werden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ich Atheist bin. Dennoch kann ich nicht nachvollziehen, dass es manchen religiösen Menschen wichtiger ist, dass ihre Leiche möglichst gut aussieht, anstatt das Leben eines anderen Menschen zu retten. Wie war das noch mit der Nächstenliebe?

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Ich persönlich habe mich gegen die Organspende entschieden, da ich der Meinung bin, dass es nach dem Tod nur weitergehen kann, wenn alle Organe im Körper noch vorhanden sind.
Natassja auf Organpaten.de

Auch bei Natassja scheinen es religiöse Gründe zu sein, die für sie gegen Organspenden sprechen. Ich muss zugeben, dass es polemisch von mir ist, zu behaupten, diesen Menschen ginge es nur darum, nach dem Tod möglichst „gut auszusehen“. Natürlich geht es dabei vielmehr um die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod. Dennoch halte ich diese Sichtweise für reichlich naiv. Schließlich spaziert ein Toter doch nicht in seiner körperlichen Gestalt gen Himmel.

Ja, es fällt mir sehr schwer, mich in eine gläubige Person hineinzuversetzen. Aber kann man sich nicht auch vorstellen, dass lediglich die körperlose Seele weiterlebt und der Körper mit seinen Organen nicht mehr benötigt wird? Damit möchte ich sagen: Ich glaube, dass es möglich ist, den Glauben an ein Leben nach dem Tod und Organspenden miteinander zu vereinbaren.

Mit dieser Meinung bin ich zum Glück nicht allein. Dieser Kirchenhistoriker erklärt, warum auch ein Körper mit entnommenen Organen nicht „unvollständig“ ist:

Es gibt jedoch auch nichtreligiöse Gegenargumente, die ich noch weniger nachvollziehen kann:

Wenn Menschen auf ein Spenderorgan warten, hoffen sie, dass ENDLICH ein anderer stirbt. Leben gegen Leben also. In den Berichterstattungen geht es immer um Hoffende, nie um Angehörige von Unfallopfern und deren Leid. Man könnte meinen, es sterben leider viel zu wenige Menschen, die spenden könnten.
Henriette auf Organpaten.de
Organspendeausweis

Dieses Argument bereitet mir wesentlich mehr Bauchschmerzen als die Ressentiments von Gläubigen. Aus diesen Zeilen lese ich vor allem Misstrauen gegenüber den Ärzten, die Transplantionen durchführen. Diese werden so dargestellt, als würden sie sich um jeden Toten freuen, den sie endlich „ausschlachten“ können. Vergessen wird jedoch, dass genau diese Ärzte versuchen, ein Menschenleben zu retten.

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Ein Menschenleben, das nur durch den Tod eines anderen gerettet werden kann. Das ist eine Situation, die natürlich emotional schwer zu verarbeiten ist: Das Leid des Einen ist die Freude des Anderen. Man sollte aber davon wegkommen, zu denken, Organspendebedürftige würden sich mehr Unfalltote wünschen. Ich finde es viel schöner sich vorzustellen, dass der tragische Tod eines anderen – neben aller Trauer – auf diese Weise wenigstens etwas Positives bewirken kann. Über meinen eigenen Tod nachzudenken, macht mich durchaus traurig. Ich finde die Vorstellung aber tröstlich, dass meine Organe nach meinem Tod einem anderen Menschen helfen können.

Nina Everwin

Zweifel überwinden und an andere denken!

Man könnte sich fragen, warum ich so ein starker Befürworter von Organspenden bin und die meisten Gegenargumente nicht gelten lasse. Nein, ich kenne niemanden persönlich, der jemals auf ein Spenderorgan angewiesen war. Das muss ich aber auch nicht. Denn ich kann mich auch einfach in die Lage derer reinversetzen, die es sind. Ich habe mir schon früh einfach folgende Frage gestellt. Was ist schlimmer: Die Vorstellung, dass eine geliebte Person direkt nach ihrem Versterben Organe entnommen bekommt oder, dass diese verstirbt, weil es kein Spenderorgan gibt?

Die Antwort ist für mich ganz eindeutig. Ich muss mir vielleicht nicht unbedingt bildlich vorstellen, wie der tote Körper einer mir nahestehende Person aufgeschnitten wird, aber ich kann damit leben. Was ich jedoch nicht verkraften könnte: Zu wissen, dass diese Person verstirbt, nur weil zu wenige Menschen einen Organspendeausweis bei sich tragen. Für mich gibt es dafür keine Rechtfertigung, die in ihrem Kern nicht egoistisch ist. Wenn du noch keinen besitzt, rate ich dir aus eigener Erfahrung, gleich diese Plastikversion für wenig Geld zu bestellen*, da die kostenlose Papierversion nach einigen Jahren auseinanderfallen wird.
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Nina Everwin

Bildquelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsche Stiftung Organtranplation, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

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