Und plötzlich ist sie da: Diese unendlich besch*ssene Laune, ein Mix aus Traurigkeit, Frustration, Lethargie und unendlicher Müdigkeit, der einfach nicht verschwinden will. Solche Phasen durchleben wir alle mal, sei es aus Liebeskummer, durch Ärger im Job oder andere negative Einflüsse. Doch was, wenn die Stimmung einfach nicht mehr besser werden will?
Ich habe Diplom-Psychologin Sandra Jankowski aus Berlin zu diesem Thema befragt und einige spannende Antworten erhalten, die dir hoffentlich weiterhelfen, wenn du dich gerade in einer solchen Lage befindest.
desired: Frau Jankowski, an welchen Anzeichen erkennt man, dass man nicht mehr nur bloß schlecht gelaunt ist, sondern wahrscheinlich zu einer Depression neigt?
Sandra Jankowski: Zunächst einmal, zum besseren Verständnis: Der korrekte Diagnose-Begriff ist „depressive Episode“. Depression ist ein Oberbegriff und kann auch manische Episoden mit euphorischer Stimmung bedeuten. Die Übergänge sind fließend, viele merken am Anfang nicht, dass sie in eine depressive Episode geraten.
Anzeichen für eine solche sind zum Beispiel eine gedrückte oder traurige Stimmung, in einigen Fällen auch vermehrte Reizbarkeit, Interessenverlust oder Freudlosigkeit, verminderter Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit. Dies sind die Kernsymptome.
Zusätzlich können zum Beispiel noch der Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls auftreten, die Neigung zu Selbstvorwürfen oder unangemessenen Schuldgefühlen, Denk- und Konzentrationsstörungen, Unruhe oder Unlust, Schlafstörungen, verminderter oder gesteigerter Appetit bis hin zu sozialem Rückzug und Suizidgedanken.
Anfangs klagen die Betroffenen auch über Müdigkeit, Schmerzen, Unruhe oder mangelnde Anteilnahme. Doch erst wenn die Anzeichen länger als zwei Wochen anhalten, kann sicher von einer depressiven Episode gesprochen werden. Dann kann von einem Psychologen abgeklärt werden, ob eine Behandlung wichtig wäre. Meist lernen die Betroffenen auch erst im Rahmen einer Therapie, alle Anzeichen zu erkennen und angemessen damit umzugehen.
Was sollte man machen, wenn viele der genannten Symptome auf einen zutreffen? Sofort zum Psychologen gehen?
Wenn die depressiven Anzeichen sehr stark sind, die Betroffenen leiden, ihre alltäglichen Aufgaben nicht mehr meistern können oder gar Suizidgedanken haben, dann sollte immer ein Psychologe aufgesucht werden, auch wenn die zwei Wochen noch nicht vorbei sind. Bei ständigen Tiefs, die wirklich länger andauern, würde ich ebenfalls zu einem Besuch beim Psychologen raten. Er kann die Symptome abklären und sagen, ob eine depressive Episode mit Krankheitswert oder ob eine andere psychische Störung vorliegt, wie zum Beispiel eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine anhaltende affektive Störung.
Sonst ist auch der Hausarztbesuch ein guter, erster Weg. Er kann organische Ursachen, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion, aufdecken und zudem natürlich auch einschätzen, ob eine Psychotherapie sinnvoll erscheint.
Video-Tipp: Tattoo-Model Victoria Van Violence hat uns von ihren eigenen Erfahrungen mit Depressionen erzählt, die so weit gingen, dass sie sich selbst in eine Klinik einweisen ließ.
Gibt es vielleicht auch andere Wege, aus den ständigen Tiefs herauszukommen?
Es gibt grundlegend ein paar Möglichkeiten, schlechter Laune zu begegnen. Auf der einen Seite ist es die Akzeptanz, auch mal schlechte Laune haben zu dürfen, gereizt oder auch traurig zu sein. Gefühle kommen und gehen nun mal, aber wir sollten sie nicht überbewerten. Am nächsten Tag oder sogar in der nächsten Minute können sie schon wieder ganz anders sein. Gedanken sind nicht absolut.
Auf der anderen Seite sollte man absolute Wörter und Aussagen wie „müssen“ und „sowas tut man nicht“ aus dem eigenen Wortschatz streichen. Weniger schwarz-weiß sehen, sondern nach Lösungen und Hilfe suchen. Auch mal „Nein“ sagen, statt uns ständig nach anderen zu richten. Sich ein schönes Ziel oder ein tolles Hobby heraussuchen und mehr Genießen! Es gibt wirklich unterschiedlichste Ansätze.
Dazu sei jedoch gesagt: Man kommt aus allen Tiefs allein wieder heraus, wenn keine psychische Störung mit Krankheitswert vorliegt; sollte man es aus eigener Kraft aber nicht schaffen, dann liegt wahrscheinlich ein tieferes, psychisches Problem vor und man sollte sich Hilfe holen.
Was möchten Sie Betroffenen noch mit auf den Weg geben?
Betroffene denken häufig, niemand könne ihnen helfen oder sie wären ganz allein und fallen anderen zur Last, oder sie schämen sich sehr für ihre Gefühle. Aber das sollte so nicht sein. Es ist wichtig, nicht allein mit seinen Gefühlen zu bleiben und sich einfach zurückzuziehen! Rede mit anderen über deine Stimmung, deine Gefühle und Gedanken. Auch im Internet gibt es hierzu viele Hilfen.
Vielen Dank für das spannende Interview, Frau Jankowski!
Buch-Tipp: Diese Young-Adult-Romane zeigen übrigens ganz realistisch, wie ein Leben mit Depression aussieht.
Solltest du oder eine dir nahestehende Person depressiv sein oder Suizidgedanken haben, kannst du dich anonym, kostenlos und rund um die Uhr an die Telefonseelsorge unter 0800/1110111 und 0800/1110222 wenden. Weitere hilfreiche Informationen findest du unter: https://www.telefonseelsorge.de/.
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