Sofern du dein StudiVZ- oder MeinVZ-Profil nie selbst gelöscht hast, schwirren bestimmt auch von dir einige längst vergessene Fotos und andere Informationen in den Untiefen des Internets herum. Während SchülerVZ 2013 komplett eingestampft wurde, halten sich die mittlerweile in die Jahre gekommenen sozialen Netzwerke überraschenderweise immer noch. Zwei Redaktionskolleginnen und ich kannten auch tatsächlich noch unsere Log-in-Daten und haben uns auf eine ziemlich belustigende Zeitreise begeben. Unsere Entdeckungen will ich dir natürlich nicht vorenthalten!
Obwohl StudiVZ im September vergangenen Jahres Insolvenz angemeldet hat, werden immer noch sieben Mitarbeiter beschäftigt und man kann problemlos auf sein Profil zugreifen. Dort eingeloggt merkt man, dass an dem Spruch „Das Internet vergisst nie“ etwas dran ist. Ich war zwar in den letzten Jahren aus Nostalgiegründen immer mal wieder auf meinem Profil, ich bin aber jedes Mal wieder überrascht davon, wie veraltet die Seite inzwischen wirkt und was ich dort alles finde.
#1 Bist du schon drin?
Man vergisst so schnell, wie Webseiten noch vor wenigen Jahren aussahen. Ich weiß schon gar nicht mehr, welches Design Facebook vor fünf Jahren hatte. Bei StudiVZ hat sich aber schon seit einigen Jahren nichts mehr getan und das sieht man auch sofort auf der Startseite. Dort wird man immer noch mit dem dämlichen Spruch „Bist du schon drin“ begrüßt, der aus einer AOL-Werbung mit Boris Becker aus den 90ern stammt. Das war auf jeden Fall damals schon nicht mehr lustig.
Da ich nicht sonderlich kreativ in der Wahl meiner Passwörter bin, hatte ich keine Probleme, mich für diese kleine Erkundungstour auf StudiVZ einzuloggen. Beim Tippen meiner alten Mailadresse werde ich jedoch an die Zeit erinnert, in der ich noch keine seriöse E-Mail hatte, sondern diese noch nach einem Song von David Bowie benannt war. Hach ja, so langsam werde ich wohl erwachsen.
Nachdem ich meine Log-in-Daten eingegeben habe, starre ich erst mal gebannt auf einen kleinen roten Ladebalken, der sich ganz schön viel Zeit lässt. Man merkt hier schon, dass StudiVZ aus den letzten Löchern pfeift. Endlich auf meiner Startseite angekommen, kann ich mit einem virtuellen Schalter auf „das neue StudiVZ“ umschalten. Da ich jedoch hier bin, um mich an meine ersten Gehversuche in sozialen Netzwerken zu erinnern, bleibe ich lieber bei der alten Version. Auf der spannenden Webseite Waybackmachine kannst du dir übrigens Screenshots anschauen, die zeigen, wie sich StudiVZ und andere Webseiten im Laufe der Jahre gewandelt haben.
#2 Wer hat mich gegruschelt?
Allein die Bezeichnungen der Funktionen lassen mich schmunzeln. Was bei Facebook das ebenfalls ziemlich unnötige Anstupsen ist, heißt bei StudiVZ nach wie vor Gruscheln, eine Wortkreation aus Kuscheln und Grüßen. Überraschenderweise haben seit meinem letzten Besuch gleich drei Menschen kuschelige Grüße da gelassen. Allerdings handelt es sich bei allen nur um irgendwelche unbekannten Typen, die keine Fotos auf ihren Profilen haben. Ist StudiVZ mittlerweile etwa zu einer Datingplattform für richtig verzweifelte Singles geworden? Kurz überlege ich noch, ob ich einen der Herren zum Spaß zurückgruscheln sollte, lass es dann aber doch lieber sein.
In diesem österreichischen Doku-Clip wird noch mal ganz schön erklärt, was es mit diesem „neuen Hype unter Studenten“ und dem ominösen Gruscheln auf sich hat:
#3 Nix los im Buschfunk
So langsam kommen immer mehr Erinnerungen auf: Der Buschfunk, was war das noch gleich? Diesen gab es auf jeden Fall noch nicht von Anfang an, als ich mich vor über zehn Jahren bei StudiVZ anmeldete. Was man mittlerweile durch die Facebook-Timeline gewohnt ist, war damals noch etwas völlig Neues: eine öffentliche Timeline, auf der man alle Updates und Kommentare seiner Freunde verfolgen kann. Leider ist dort derzeit gar nichts mehr los und mir ist spontan auch kein fetziger „Funkspruch“ eingefallen, den ich dort noch loswerden will.
#4 Ähm, warum sind da noch so viele Fotos?
Am meisten hat mich natürlich interessiert, welche Fotos auch heute noch von mir und meinen Freunden auf StudiVZ zu sehen sind. Ich hatte dort ursprünglich an die 30 Fotoalben hochgeladen, von denen mittlerweile wohl aus technischen Gründen nicht mehr alle sichtbar sind. Beim Durchklicken der Fotos merken meine Kolleginnen und ich, dass das wohl auch ganz gut so ist. Wir alle haben dort das eine oder andere peinliche Partyfoto gefunden, das wir heute auf keinen Fall mehr auf Facebook stellen würden. Von einigen besonders unvorteilhaften und offenherzigen Fotos habe ich auf jeden Fall Screenshots gemacht, um meine Freunde damit aufzuziehen – oder irgendwann mal zu erpressen. Ich bin mir sicher, dass viele von ihnen überhaupt nicht wissen, was für Fotos da von ihnen noch relativ öffentlich verfügbar sind.
#5 Ich dachte, ich hätte damals schon Stil gehabt...
Der Besuch bei StudiVZ hat uns auch alle daran erinnert, dass einige schlimme Modetrends noch gar nicht so lange her waren. Ich habe auch vergessen, oder verdrängt, wie stillos ich mich zum Teil angezogen habe: Geringelte Dreiviertel-Leggings, dazu Stulpen, Hippietaschen, riesige Sonnenbrillen und den ganzen Arm voller Festivalbändchen – was war denn da los!? Außerdem bin ich froh darüber, dass ich meine Augenbrauen mittlerweile nicht mehr zu dünnen Strichen rasiere. Wie gut, dass man sich heutzutage seine Augenbrauen lieber verdichten will! Meine Kolleginnen hingegen haben typische 2000er-Hairstyles an sich entdeckt: Haare, die eher gelb als blond sind, dazu das obligatorische Duckface und Jogginghosen aus Nickistoff – ein Traum! Leider wollten die beiden nicht mit diesen peinlichen Bildern herausrücken.
#6 Wer braucht schon Privatnachrichten?
Auf StudiVZ war man nicht nur ganz schön naiv, was das Hochladen von Fotos angeht, sondern auch in seinen Konversationen mit Freunden. Obwohl es ja durchaus eine private Nachrichtenfunktion gab, haben wir alle ziemlich intime Chats auf unseren öffentlichen Pinnwänden entdeckt. Zunächst finde ich auf meiner Pinnwand zwar nur automatisierte, alljährliche Geburtstagsglückwünsche von der VZ-Moderatorin Lea, scrolle ich aber etwas weiter runter, unterhalte ich mich dort munter mit meinen Freunden über meine aktuellen Tagespläne. War uns damals egal, dass dabei jeder mitlesen kann?
Auf meiner Pinnwand teilt mir eine Freundin zum Beispiel mit, dass sie sich bei unserer Urlaubsplanung vernachlässigt fühlt, während meine Kolleginnen ganz unverhohlen auf ihren Pinnwänden flirten. Neben der Erkenntnis, dass wir uns damals wohl alle weniger Gedanken um unsere Privatsphäre gemacht haben, finde ich aber auch einige längst vergessene Insiderwitze und mittlerweile veraltete Online-Ausdrucksweisen, wie *rotwerd*.
*frechgrins* und *rotwerd* sind nur eine der vielen Ausdrücke, die uns auch an die gute alte Zeit des SMS-Schreibens erinnern:
#7 Dieser merkwürdige Gruppen-Humor
Neben dem Gruscheln ist StudiVZ am bekanntesten für seine Gruppen. Diese wurden überhaupt nicht dafür genutzt, um sich tatsächlich mit Gleichgesinnten auszutauschen, vielmehr wollte man sich auf seinem Profil wohl nur als besonders witzig, individuell oder gebildet darstellen. Während ich über ein paar Gruppen wie „Deine Mutter sitzt auf'm Aufzug und sagt: ‚Oberstadt’“ (ein Witz, den nur die Bewohner des hessischen Städtchens Marburg verstehen werden) oder „Oh, war wieder Schminke in der Wendy?“ noch schmunzeln kann, sind andere dann doch eher ziemlich üble Schenkelklopfer, die ich heutzutage auf keinen Fall auf Facebook liken würde.
Bei „Ich dusche gerne nackt“ oder „Nur Mädels mit großen Füßen sind immer einen Schritt voraus“ schäme ich mich richtig vor mir selbst. Mein Humor ist das auf jeden Fall nicht mehr. Wenn du aber immer noch Fan der alten StudiVZ-Gruppen bist, findest du in diesem Buch die lustigsten Titel* versammelt. Auch über meinen damaligen Drang, mich als total abgehoben und gebildet darzustellen, kann ich heute nur noch die Augen verdrehen: „Töte deinen Fernseher!“ oder „Die Milch macht's....nicht! (Kuh-Milch begünstigt Darmkrebs)“ würde ich mir heute auf jeden Fall nicht mehr auf ein Online-Profil packen. Ich sollte wohl mal langsam das Versprechen einer StudiVZ-Gruppe wirklich wahr machen: „Irgendwann lösche ich all meine Gruppen und werde geheimnisvoll.“
Wir hatten beim Durchstöbern unserer StudiVZ-Profile eine Menge Spaß und empfehlen dir, zusammen mit deinen Freunden ebenfalls diese lustige Reise in die Vergangenheit zu wagen. Schreib uns doch in die Kommentare, was du alles für peinliche Dinge dort gefunden hast. Ich bin jetzt auf jeden Fall richtig angefixt, all meine alten Onlineprofile zu durchforsten. Irgendwo habe ich nämlich auch meine alten ICQ-Chatverläufe gespeichert...
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Bildquelle: iStock/Getty Images Plus/Giulio Fornasar, Screenshots: Waybackmachine und eigenes StudiVZ-Profil